Arbeitsmarkt

Unfreiwillige Befristungen dämpfen das Lohnwachstum

„Aus ökonomischer Sicht kann man Arbeitslose mit Ersatzspielern bei einer Fußballmannschaft vergleichen. Mit einer größeren Ersatzbank steigt der Konkurrenzdruck in einer Mannschaft, und damit werden Lohnverhandlungen schwieriger“, sagt Lukas Lehner vom WU-Forschungsinstitut „Economics of Inequality“.
„Aus ökonomischer Sicht kann man Arbeitslose mit Ersatzspielern bei einer Fußballmannschaft vergleichen. Mit einer größeren Ersatzbank steigt der Konkurrenzdruck in einer Mannschaft, und damit werden Lohnverhandlungen schwieriger“, sagt Lukas Lehner vom WU-Forschungsinstitut „Economics of Inequality“.www.viennaslide.com
  • Drucken
  • Kommentieren

Laut einer Untersuchung von WU und Nationalbank steigt durch eine Befristung die Konkurrenz am Arbeitsmarkt und damit der Druck auf die Löhne. In Österreich ist der Effekt eher gering ausgeprägt.

Befristete Jobs, obwohl Arbeitnehmende gerne länger angestellt bleiben würden: In Europa treten solche unfreiwilligen Beschäftigungsverhältnisse immer häufiger auf. Wie die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und die Nationalbank (OeNB) in einer neuen Studie aufzeigen, hat das durchaus Konsequenzen: Und zwar dämpft unfreiwillige Beschäftigung das Wachstum der Löhne. Wie sehr, hängt vom Organisationsgrad bei Lohnverhandlungen ab. In Österreich ist der Effekt eher gering.

Laut der Studie sind unfreiwillige Befristungen der Grund, warum das Lohnwachstum in Europa lange niedriger ausgefallen war als prognostiziert. „Warum die Löhne in Europa im Verlauf der 2010er Jahre langsamer gestiegen sind, als die Prognosen vorhergesagt haben, war lange ein Rätsel“, sagt Lukas Lehner vom WU-Forschungsinstitut „Economics of Inequality“ laut einer Aussendung. Mit den Resultaten der Untersuchung, in der die Lohnentwicklung in 30 europäischen Staaten zwischen 2004 und 2017 unter die Lupe genommen wurde, sei diese Frage nun gelöst: So wurde erstmals demonstriert, dass ein Anstieg unfreiwilliger Beschäftigungsverhältnisse das Lohnwachstum im gleichen Maße drückt wie ein Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Spezialfall Österreich

Konkret entstehe durch den Anstieg der unfreiwilligen Befristungen zusätzliche Konkurrenz und damit der Druck auf die Löhne - vergleichbar mit den Effekten höherer Arbeitslosigkeit. „Aus ökonomischer Sicht kann man Arbeitslose mit Ersatzspielern bei einer Fußballmannschaft vergleichen. Mit einer größeren Ersatzbank steigt der Konkurrenzdruck in einer Mannschaft, und damit werden Lohnverhandlungen schwieriger“, so Lehner. Mit den unfreiwilligen Befristungen verhalte es sich ähnlich: „Unsere Studie zeigt, dass neben den Arbeitslosen auch die unfreiwillig befristet Beschäftigten auf der Ersatzbank Platz genommen haben.“

Wie stark der Konkurrenzdruck und damit der Druck auf die Löhne ist, hänge von den Institutionen in den jeweiligen Ländern ab. Je stärker sich Arbeitnehmende bei den Lohnverhandlungen koordinieren, desto niedriger ist der Wettbewerbseffekt und damit der Einfluss auf das Lohnwachstum. In den skandinavischen Ländern beispielsweise, wo über 40 Prozent der Beschäftigten in Gewerkschaften organisiert sind, sei er kaum spürbar - in Spanien oder Polen mit unter 20 Prozent in Gewerkschaften dafür sehr deutlich. „Österreich ist hier ein Spezialfall, weil es eine sehr hohe Abdeckung von Kollektivverträgen und koordinierte Lohnverhandlungen gibt“, erklärte Lehner. Dadurch sei dieser Effekt auch in Österreich kaum ausgeprägt - „in Summe überwiegt in Europa aber der Wettbewerbseffekt“.

Geänderte Verhältnisse

Im Jahr 2017 lag der durchschnittliche Anteil unfreiwilliger befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Europa den Angaben zufolge bei 5,5 Prozent - und damit nur mehr leicht unter der durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 7,4 Prozent. Mit der Coronapandemie und dem anschließenden Aufschwung hätten sich die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt allerdings geändert. Lehner: „Durch den derzeit herrschenden Arbeitskräftemangel müssen Unternehmen wieder um Personal konkurrieren.“ Dadurch sei der Anteil befristeter Arbeitsverträge deutlich gesunken. „Gleich einen unbefristeten Vertrag anzubieten, ist derzeit ein beliebtes Goodie, um Arbeitskräfte zu binden.“ (APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.