Ermittlungen

U-Kommission kritisiert: „Es gibt leider eine Zweiklassenjustiz“

Kommissionsleiter Kreutner (Mitte), Gerichtspräsidentin Prechtl-Marte und Jurist Küspert.
Kommissionsleiter Kreutner (Mitte), Gerichtspräsidentin Prechtl-Marte und Jurist Küspert.Max Slovencik/APA
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Eine Kommission zu den Justizaffären der vergangenen Jahre kritisiert politische Interventionen bei Ermittlungen. Beschuldigte in öffentlich brisanten Verfahren werden laut der Untersuchung bevorzugt behandelt.

Strafverfahren, bei denen parteipolitisch interveniert wurde. Eine Zweiklassenjustiz, in der Politiker bevorzugt behandelt werden. Spitzenbeamte, die sich mit Politikern und Journalisten verhabern. Diese Missstände listet die U-Kommission zu Justizaffären in ihrer Untersuchung auf. Sie hat am Montag die Zusammenfassung ihrer Ergebnisse präsentiert.

Die Kommission wurde von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) im Dezember 2023 eingesetzt. Zuvor war eine heimlich erstellte Tonaufnahme des verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek publik geworden. Er berichtet darin von parteipolitischen Interventionen der ÖVP bei Strafverfahren. Die ÖVP dementiert die Vorwürfe.

Die Kommission prüfte, ob es von 2010, damals wurde Pilnacek Leiter der Strafrechtssektion im Justizressort, bis Ende 2023 parteipolitische Interventionen und Auffälligkeiten bei Strafverfahren gab. Das sei zu bejahen, sagte Martin Kreutner. Er leitete die Kommission, zuvor war der Ex-Spitzenbeamte Mitinitiator des Antikorruptionsvolksbegehrens.

Österreichs Justizsystem sei zwar im internationalen Vergleich „ein gutes und prinzipiell funktionierendes System“, so Kreutner. Bei Einzelfällen habe es aber Auffälligkeiten gegeben. Kreutner kritisierte eine „Zweiklassenjustiz, die es leider de facto gibt“ – und zwar bei Fällen, die etwa wegen der Bekanntheit des Beschuldigten von öffentlichem Interesse seien und bei denen die Staatsanwaltschaften besondere Berichtspflichten an die Oberbehörden tref­fen. Dabei kam es laut der Kom­mis­sion zur bevorzugten Behandlung von Beschuldigten.

Interna aus Strafverfahren

Bereits bekannt waren Treffen Pilnaceks mit ÖVP-nahen Beschuldigten in Strafverfahren ebenso wie Nachrichten, die der Spitzenbeamte mit Vertretern der ÖVP rund um Ermittlungen austauschte. Peter Küspert, Ex-Präsident des bayrischen Verfassungsgerichtshofs und ebenfalls Mitglied der Kommission, brachte nun auch einen Fall mit SPÖ-Bezug auf.

Er berichtete, dass Pilnacek rund um eine Inseratenaffäre, in der gegen zwei hohe Politiker ermittelt wurde, mit dem Justizsprecher der betroffenen Partei noch während des laufenden Verfahrens konferierte und geheime Interna zu dem Fall austauschte. Namen nannte er nicht, aus den Details geht aber hervor, dass es sich um die ÖBB- und Asfinag-Inserate-Vorwürfe gegen Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und Ex-Minister Josef Ostermayer handelte: Auf „Presse“-Nachfrage wurde das auch von mehreren Quellen bestätigt.

Küspert forderte, dass bei solchen Fällen „innere Gewaltenteilung“ und professionelle Distanz der Beamten zu den Beschuldigten beibehalten werden. Komme es dennoch zu privaten Treffen oder Bekanntschaften, müsse dies jedenfalls im Strafakt dargelegt und damit „veraktet“ werden.

Die Untersuchung habe aber gezeigt, dass es zwischen Justizvertretern und der Politik zahlreiche Nahebeziehungen und Seilschaften gegeben habe, so Küspert. Kreutner kritisierte zudem eine mangelhafte Distanz zwischen manchen Journalisten und Justizvertretern.

Auffällige Verzögerung

Von Auffälligkeiten in einem Strafverfahren berichtete auch Kommissionsmitglied Angelika Prechtl-Marte, Präsidentin des Landesgerichts Feldkirch. Dabei geht es um die Causa Wiener Stadterweiterungsfonds. Mehreren hochrangigen Spitzenbeamten des ÖVP-geführten Innenministeriums war dabei vorgeworfen worden, Gelder sachwidrig verwendet zu haben. Das Verfahren zog sich über Jahre, letztlich wurden die Angeklagten freigesprochen.

Es gebe Hinweise darauf, dass die Verfahrensdauer und damit verbundene Verzögerungen „ein Mittel sachfremder Einflüsse“ sein können, so Prechtl-Marte. In der Causa Stadterweiterungsfonds sei ein Anklagevorhaben der Staatsanwaltschaft 22 Monate im Justizressort bearbeitet worden, bevor es mit der Weisung zurückgeschickt worden sei, die Staatsanwälte sollten Beschuldigte ergänzend vernehmen. Das sei intern ein „Spiel auf Zeit“ oder „eine Ehrenrunde drehen“ genannt worden.

Für Ministerin Zadić zeigen die Ergebnisse, dass ihre Reformen, mit welchen die Justiz unabhängiger geworden sei, richtig gewesen seien. „Die Kreutner-Kommission übt herbe Kritik an internen Abläufen in der Justiz und dem Justizministerium“, hieß es hingegen von der ÖVP.

Politisch dürfte die Causa sich noch länger ziehen: Der Originalbericht mit seinen 230 Seiten wird wohl erst in ein paar Tagen veröffentlicht werden, derzeit wird er vom Justizministerium noch medien- und datenschutzrechtlich geprüft.

3 Fragen an Martin Kreutner

Herr Kreutner, hat es politische Einflussnahmen auf Strafverfahren gegeben?

Laut unseren Erhebungsergebnissen: Ja. Und zwar nicht nur über die paar vergangenen Jahre, sondern über den gesamten Untersuchungszeitraum ab dem Jahr 2010.

Sie kritisieren eine „Zweiklassenjustiz“: Wo machen Sie die konkret aus?

Sie wird durch das Gesetz vorgegeben und manchmal auch umgesetzt. Es gibt nämlich einen unterschiedlichen Verfahrenszug, je nachdem, ob die Verfahren von öffentlichem Interesse sind oder nicht.

Was empfiehlt Ihre Kommission?

Die Weisungskette von den Staatsanwaltschaften zu der Justizministerin als politisches Organ muss getrennt werden. Es braucht eine unabhängige Bundestaatsanwaltschaft.

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