Jerusalem

Spektakulärer Kreuzritter-Altar in der Grabeskirche entdeckt

Zum 50. Jahrestag der Eroberung Jerusalems sollte dieser riesige Hochaltar den Anspruch der Christenheit auf das „Heilige Land“ bekräftigen - im Fiasko des Zweiten Kreuzzugs. Er brachte Pilger zum Schwärmen, doch ab dem 19. Jahrhundert fehlte von ihm jede Spur.
Zum 50. Jahrestag der Eroberung Jerusalems sollte dieser riesige Hochaltar den Anspruch der Christenheit auf das „Heilige Land“ bekräftigen - im Fiasko des Zweiten Kreuzzugs. Er brachte Pilger zum Schwärmen, doch ab dem 19. Jahrhundert fehlte von ihm jede Spur.APA / Israel Antiquities Authority / Shai Halevi
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In Jerusalem ist der offenbar größte bekannte mittelalterliche Altar aufgetaucht – ausgerechnet auf der Rückseite einer mit Graffiti bekritzelten Steinplatte.

Der Anspruch des Christentums auf das „Heilige Land“ sollte in ihm sichtbaren Ausdruck finden, 50 Jahre nach der Eroberung Jerusalems: 1149 errichteten die Kreuzritter einen prachtvollen Hochaltar in der „Kirche vom heiligen Grab“, heute als Grabeskirche bekannt. Über die Jahrhunderte brachte er Pilger zum Schwärmen, etliche Berichte darüber sind bis zum 18. Jahrhundert hinauf erhalten. Doch dann gab es im Jahr 1808 einen großen Brand in der Grabeskirche – und ab da verlor sich jede Spur vom Altar.

Dass die Besucher der Grabeskirche ihn in Wahrheit die ganze Zeit geradezu vor der Nase hatten – wer hätte das gedacht? Es waren Bauarbeiten im romanischen Teil der Kirche, die ihn zumindest teilweise zum Vorschein brachten. Die Rückseite einer von Besuchern mit Graffiti beschmierten Steinplatte im hinteren Teil der Kirche entpuppte sich dabei als Teil der Vorderseite des Altars. Identifiziert hat sie gemeinsam mit einem Mitarbeiter von der israelischen Behörde ein Historiker an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Ilya Berkovich.

Berkovich ist auch einer der Autoren der nun im Fachjournal „Eretz-Israel“ erschienenen Studie dazu. Die Platte ist zu gut zwei Dritteln erhalten und bildete einst die prächtige Altarfront, bekannt als „Paliotto“: eine reich verzierte Konstruktion in Truhenoptik. Der Kreuzritter-Altar sei ursprünglich mehr als 3,5 Meter breit und damit der größte bekannte mittelalterliche Altar, so Berkovich.

Römische Dekotechnik – schickte der Papst einen Meister?

Obwohl die Grabeskirche so intensiv erforscht ist, dachte offenbar sehr lange Zeit niemand daran, die Steinplatte umzudrehen. Auf der Rückseite fanden sich charakteristische christliche „Quincunx“-Verzierungen: fünf Kreise, die von einem einzigen verschlungenen Band gebildet werden, als Symbol für die Unendlichkeit der Schöpfung Gottes, aber auch Verweis auf die Wunden Christi und das Wappen des Kreuzfahrerkönigreichs Jerusalem.

Bei der Analyse der Marmorornamente hat sich gezeigt, dass dabei eine Technik der Marmordekoration angewendet wurde, die man im Mittelalter eigentlich nur von Handwerkermeistern in Rom kannte. Die „Kosmaten“ – so nannten sich diese Marmordekorateure, nach Kosmas, dem Stammvater dieser Kunst – nutzen Marmorstücke, die von antiken Fassaden abgekratzt worden waren. Auf Stein ordneten sie diese kunstvoll neu an. Außerhalb von Rom trifft man sie sehr selten an, etwa in der Londoner Westminster Abbey, wohin der Papst dafür etwa einen Kosmatesk-Meister schickte. Auch ein Mosaik im Dom zu Gurk in Kärnten ist in dieser Technik angefertigt.

Dass diese Technik auch für den Kreuzritteraltar verwendet wurde, deutet darauf hin, dass auch hier der Papst eigens einen Handwerker aus Rom nach Jerusalem geschickt hat. Was wiederum die symbolische Bedeutung des Altars unterstreicht, der im letzten Jahr des Zweiten Kreuzzugs errichtet wurde. Er erscheint als machtvolles Zeichen für den Anspruch des Christentums auf diesen Ort – in einer Zeit der Niederlagen: Der Zweite Kreuzzug erwies sich als Fiasko. (sim)

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