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„Love Lies Bleeding“: Diese Lesben hauen Machos zu Matsch

Queere Liebe mit mächtigen Muckis: Katy O’Brian (l.) und Kristen Stewart in „Love Lies Bleeding“ von Rose Glass.
Queere Liebe mit mächtigen Muckis: Katy O’Brian (l.) und Kristen Stewart in „Love Lies Bleeding“ von Rose Glass.Anna Kooris
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Eine Bodybuilderin und ihre Geliebte machen in „Love Lies Bleeding“ kurzen Prozess mit dem Patriarchat. Ist das noch feministisch – oder schon „toxisch“?

Wrestling und Bodybuilding haben scheinbar nur wenig miteinander zu tun – doch beides verlangt nach gestählten Körpern und Showtalent. Was mit sehr viel Einsatz antrainiert wurde, will auch unterhaltsam zur Schau gestellt werden, halbnackt catchend vor grölendem Publikum. Oder fast nackt, in kunstvollen Posen vor strenger Jury.

Zudem sind sowohl Wrestling als auch Bodybuilding notorische Männerdomänen. Das kann zum Problem werden, Stichwort: „toxische Männlichkeit“. Eben darum drehen sich zwei jüngere Filme, die in besagten Protzsport-Sphären angesiedelt sind. Sie stellen beide die Frage, ob der Horror maskuliner Aggression in einem Überschuss an Testosteron wurzelt.

Denkt man sich ihre Gegenüberstellung als Schaukampf, steht in der einen Ecke Sean Durkins sensibles Trauerspiel „The Iron Claw“. Im heurigen Frühjahr lief es bei uns im Kino, inzwischen kann man es auf diversen Streaming-Plattformen käuflich erwerben. Die Filmbiografie erzählt von vier Brüdern im Wrestling-Geschäft, die am Macho-Regime ihres Vaters zugrunde gehen, ihre Botschaft ist unmissverständlich: Das auf unerbittliche Härte fixierte Patriarchat macht nicht zuletzt Männer krank, Heilung verspricht hingegen authentisches Gefühl, das die Hauptfiguren nach schwerem Leid übermannt. Nach Steroiden und Schweiß fließt zum Schluss ein ganz anderer salziger Saft, und wir lernen, dass echte Kerle auch weinen.

In der anderen Ecke steht „Love Lies Bleeding“, inszeniert von der erst 34-jährigen Britin Rose Glass. Als Ausgangspunkt dient bei ihr ein Western-Szenario: Ein Fiesling hat ein US-Wüstenkaff fest im Griff. Ed Harris mimt ihn mit Gusto, die Frisur, die sein zerfurchtes Gesicht umrahmt, wirkt, als wäre ihr Träger eben einer Gruft entstiegen: oben nichts, hinten und seitlich lang und schütter. Es ist nicht die einzige kuriose Tolle in dieser 1980er-Hommage, vor allem der Vokuhila gibt dabei – wie manchmal auch in Wirklichkeit wieder – den Ton an.

Eine Drifterin lässt die Muskeln spielen

Star des Films – der wie „The Iron Claw“ vom hippen US-Studio A24 vertrieben wird – ist die vom „Twilight“-Starlet zur queeren Ikone avancierte Kristen Stewart: Sie gibt die Tochter des von ihr gehassten Dorf-Patriarchen, eine neurotische Kettenraucherin mit dunkler Vergangenheit. Wirklich brillant ist aber Katy O’Brian. Die junge US-Kampfsportlerin trumpft hier mit ihrer ersten großen Rolle als charismatische Drifterin und Bodybuilderin auf. Gemeinsam begehren die eigenwilligen Frauen einander – und gegen die repressive Männerwelt auf.

Statt eines Western-Revolvers lässt O’Brian dabei ihre Muskeln spielen. Das staubtrockene Setting und der bluttriefende Rache-Plot von „Love Lies Bleeding“ sind im Wildwest-Genre durchaus üblich. Eher ungewöhnlich erscheint dagegen der ominöse Synthesizer-Soundtrack – und der Fokus auf eine lesbische Romanze, (relativ) explizite Sexszenen inklusive.

Eine gewisse „Queerness“ liegt aber auch in Glass’ Fetischisierung von O’Brians imposanter Physis. An männlichen Muskelbergen haben wir uns dank der künstlichen Superhelden-Inflation des Blockbusterkinos ja schon lang sattgesehen, an weiblichen etwas weniger – wobei O’Brian bereits in „Ant-Man: Quantumania“ als Barbarin zu sehen war. In „Love Lies Bleeding“ besticht sie nun ganz ohne Bombast.

Weil ihre Filmfigur nach Steroiden süchtig ist, wächst sie mit der Zeit zu einer Art Monster heran: Mehrmals beobachten wir in Großaufnahme, wie ihre Haut beinahe platzt vor lauter Muskelmasse, die darunter zornig pulsiert. Die weibliche Liebe zum Testosteron wird dabei auf mehrdeutige Weise in Szene gesetzt: Unsere aufgeputschte Hünin haut miese Machos zu Matsch, erntet dafür aber die Missgunst ihrer Geliebten (Stewart), die ständig Blutspuren wegputzen muss (ein Quell trocken-schwarzen Humors). Zudem zieht sie so die Aufmerksamkeit von Harris’ waffenvernarrtem Killeropa auf sich. Seiner Gewalt setzt sie im Kern bloß mehr Gewalt entgegen. Gleichzeitig erlösen ihre Bluttaten die Bewohner des mafiös verfilzten Dorfes von der Fuchtel brutaler Frauenfeinde – und ihre Liebste von einer tristen Existenz.

Ist das „toxische Männlichkeit“, die emanzipatorisch angeeignet wurde? Oder gar „toxische Weiblichkeit“? Ein gewagtes Statement, mit dem „Love Lies Bleeding“ zuletzt mehr als nur flirtet. Wobei die Hauptstärke dieses Films ist, dass er weitaus spannender ist als die x-te Runde im Kulturkampf um Genderrollen.

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