Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnt in seiner Rede bei den Bregenzer Festspielen davor, in Schubladen zu denken, und spricht über die vielen Frustrationen der Zeit – Klima, Politik, EU und Demokratie.
Er wolle „kurz ein bisschen unbequem werden“. Mit diesen Worten begann Bundespräsident Alexander Van der Bellen am heutigen Mittwoch seine Rede anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele. Und räumte sogleich ein, dass dieses Unterfangen keine große Herausforderung darstelle, immerhin frustriere momentan „doch beinahe alles“, oder rege auf: das Klima, die Politik, die EU, die Demokratie. „Sogar ein Sternchen oder ein Doppelpunkt – regen auf und frustrieren“, befand das Staatsoberhaupt. „Da muss man sich doch fragen: Woran liegt das?“
Die Antwort lieferte Van der Bellen gleich mit: Österreich sei keinesfalls „zu klimamüde“, oder „zu konfliktmüde“. Nein, „so sind wir nämlich nicht“, spielte der 80-Jährige auf seine Wortwahl aus dem Jahr 2019 an. Damals war gerade das „Ibiza-Video“ publik geworden, hatte das Ende der türkis-blauen Regierung gebracht und die Republik erschüttert.
„Entweder Klimaterrorist oder Luftverpester“
Er sei davon überzeugt, dass der Mehrheit im Land Frieden, Freiheit und Sicherheit wichtig seien. Allerdings: „Vielleicht sind Sie, sind wir nur ‚endgenervt‘ von der Art und Weise, wie wir darüber sprechen.“ Man gebrauche stetig nur Gegensätze: „Entweder Klimaterrorist oder Luftverpester. Entweder Wutbürger oder Gutmensch. Entweder Schwurbler oder Schlafschaf. Entweder Freund oder Feind. Schublade auf – hinein damit – Schublade zu.“
Dieses Vorgehen erscheine auf den ersten Blick praktisch, sei aber gefährlich. Denn die vermeintliche Ordnung, die entstehe, spalte die Gesellschaft. Auch die Medien würden ihren Teil dazu beitragen: „Um im Spiel zu bleiben, sucht man weniger nach Fakten als vielmehr nach Storys und Sensationen.“
„Bei uns war alles ein bisschen entspannter“
Vor diesem Hintergrund sei jede und jeder aufgerufen, an sich selbst die Frage zu richten, wie eine Person „zu schubladisieren“ sei, die „eigene Biogurken erntet und ein Schweinsschnitzel dazu isst?“ Oder ein Mensch, „der Mustafa heißt und im harten Tiroler Dialekt redet?“ Nicht alle, gab sich Van der Bellen überzeugt, die auf einem Fahrrad säßen, seien „Ökofanatiker“. Und nicht alle, die ein Schnitzel essen, seien Klimasünder. „Wir sind doch immer gut damit gefahren, wenn bei uns alles ein bisschen entspannter war“, meinte er. Und wunderte sich darüber, wo die typisch österreichische Gelassenheit abgeblieben sei.
Um sie wiederzufinden, gab er am Ende seiner Ansprache einen musikalischen Rat im Stil der „Zwölftonmusik“: „Spaltung. Ist. Kein. Naturgesetz. Sie passiert auch, weil so viele mitspielen.“ Und schlug damit – ohne diese wörtlich anzusprechen – den Bogen zum aufkommenden Wahlkampf und der Nationalratswahl am 29. September: „Verachtung ist kein Wahlprogramm. Und Hass keine Lösung für unsere Probleme.“