Europäische Union

Ursula von der Leyen wirft Viktor Orbán Appeasement vor

Ursula von der Leyen hofft auf eine weitere Amtszeit.
Ursula von der Leyen hofft auf eine weitere Amtszeit.Reuters / Johanna Geron
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Die EU-Kommissionspräsidentin kritisiert die Reise-Politik des ungarischen Premiers kurz vor ihrer Wiederwahl. Sie verspricht Ausnahmen für E-Fuels im Streit um das Verbrenner-Aus.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán für seine Reise nach Moskau scharf kritisiert. „Diese sogenannte Friedensmission war eine reine Appeasementmission“ (deutsch: Beschwichtigungsmission; wohl eine Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg), sagte sie unter Applaus, aber auch Protest-Rufen in ihrer Rede vor den Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg.

Die deutsche EVP-Politikerin wirbt dort um eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission. Am frühen Nachmittag werden die Europaabgeordneten darüber abstimmen. Von der Leyen dürfte wahrscheinlich mit den Stimmen ihrer EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden, doch dürfte es unter ihnen Abweichler geben. Allerdings haben auch viele Grünen-Mandatare ein mögliche Zustimmung angedeutet.

Von der Leyen nannte Orbán nicht direkt, sondern sprach lediglich von einem „europäischen Ministerpräsidenten“. Allerdings war klar, wen sie mit ihrer Aussage meinte. In Richtung Ungarn betonte sie zudem, dass für das Erhalten von EU-Geldern „immer die Rechtsstaatlichkeit respektiert sein muss“. Wegen Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit sind nach wie vor Milliarden an für Ungarn bestimmte EU-Gelder eingefroren.

Nehammer begrüßt Vorstoß zu Verbrenner-Aus

Im Streit um das Verbrenner-Aus verspricht sie einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in einem 31-seitigen Dokument zu den politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßte den Vorstoß.

Nehammer zeigte sich in einer Stellungnahme erfreut über von der Leyens Bekenntnis zur Technologieoffenheit und den Verzicht auf ein Verbot von Verbrennungsmotoren: „Heute wurde eine wichtige Entscheidung für Europas Wettbewerbsfähigkeit und die Bevölkerung getroffen. Der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel und für die Mobilität der Zukunft liegt in der Offenheit gegenüber allen Technologien. Daher begrüßen wir das Umdenken auf europäischer Ebene, weg von einer absoluten Verbotspolitik hin zu einer technologieoffenen Lösung, die auch E-Fuels, also grüne Verbrenner, umfasst. Ich bin froh, dass sich meine Meinung nun auch in der EU durchgesetzt hat und wir gemeinsam mit unseren Verbündeten ein Verbot von Verbrennungsmotoren abwenden konnten.“

In Österreich ist die ÖVP für „Technologieoffenheit“, auch die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung argumentieren ähnlich. In der Alpenrepublik ist die Kfz-Zulieferindustrie stark ausgeprägt. In Deutschland ist die FDP für E-Fuels bzw. gegen ein Verbrenner-Aus. Die entsprechende Verordnung enthält eine Revisionsklausel, die eine Überprüfung der Pläne im Jahr 2026 vorsieht.

„Wahre europäische Verteidigungsunion“

Zudem wolle sie Verteidigungsprojekte der Europäischen Union anschieben und ihre grüne Politik nicht zurückzuschrauben, heißt es in dem Papier. Dabei gehe es etwa um einen europäisches Luftschutzschild. Von der Leyen verpflichtet sich darin auch, neue Wege der Klimapolitik vorzuschlagen. Zudem wolle sie sich auf den Aufbau einer „wahren europäischen Verteidigungsunion“ konzentrieren.  Es soll auch erstmals ein EU-Verteidigungskommissar ernannt werden.

„Wir werden eine Reihe von Verteidigungsprojekten von gemeinsamem europäischen Interesse vorschlagen, beginnend mit einem europäischen Luftschutzschild und Cyberabwehr“, heißt es in dem veröffentlichten Dokument. Von der Leyen versprach zudem, das Grenzmanagement zu erneuern sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die Strafverfolgungsbehörde Europol zu stärken. Zudem wolle sie einen neuen Ansatz für die Rückführung von Migranten vorschlagen. Sie plädiere dafür, die Zahl der Beschäftigten der europäischen Grenz- und Küstenwache auf 30.000 zu verdreifachen, betonte die 65-jährige Deutsche.

EU-Kommissar für leistbares Wohnen

Von der Leyen kündigte in ihrer Rede weiters einen eigenen EU-Kommissar an, der sich mit dem Thema leistbaren Wohnen beschäftigen soll. Dies kann als Zugeständnis an die sozialdemokratische S&D-Fraktion gewertet werden, die einen solchen Kommissar gefordert hatten. „Wenn es den Europäern etwas bedeutet, dann bedeutet es Europa etwas“, sagte sie an jene gerichtet, die das Thema Wohnen nicht auf EU-Ebene sehen, sondern rein auf Nationalstaaten-Ebene.

Die EVP, Sozialdemokraten und Liberale verfügen über 401 der 720 Sitze im EU-Parlament. Für eine Wiederwahl benötigt die Kommissionschefin eine absolute Mehrheit von 361 Stimmen. Diese dürfte sie am Donnerstag erreichen, da auch einige Abgeordnete der Grünen und der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in der geheimen Wahl für sie stimmen dürften. Die EU-Abgeordneten der ÖVP, die der EVP-Fraktion von der Leyens angehören, dürften für sie stimmen. SPÖ, Grüne und NEOS signalisierten eine Zustimmung unter Bedingungen. Die Mandatare der bei der Europawahl in Österreich siegreichen FPÖ wollen der deutschen Politikerin keine Stimme geben.(APA/Reuters/red.)

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