Nachruf

Der Tod eines tief gefallenen Gewerkschaftspräsidenten

Fritz Verzetnitsch (1945–2024).
Fritz Verzetnitsch (1945–2024).APA / APA / Helmut Fohringer
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Fritz Verzetnitsch ist tot. Mit ihm wird eine besonders turbulente ÖGB-Ära begraben. Der Bawag-Skandal wurde ihm zum Verhängnis.

Er verstand sich zeit seines Lebens als Gewerkschafter. Auch, nachdem sich sehr viele, fast alle im ÖGB und in der SPÖ von ihm abgewandt hatten. Auch, als er einen Prozess gegen „seinen“ ÖGB führte, bei dem er nach seinem Hinauswurf (erfolglos) um die Abfertigung kämpfte. Am Donnerstag ist Gewerkschafts­altpräsident Fritz Verzetnitsch nach schwerer Krankheit verstorben.

75 Jahre alt wurde der Sozialdemokrat. Leicht hat es der aus finanziell bescheidenen Verhältnissen stammende gelernte Installateur in den 19 Jahren an der Spitze des Gewerkschafsbunds nie gehabt. Da musste er zunächst aus dem Schatten des großen Anton Benya treten, der die Sozialpartnerschaft, die außerparlamentarische Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zur Hochblüte getrieben hatte. Von da an konnte es fast nur noch bergab gehen. Spoiler: Es ging bergab.

Und da war das interne Gefüge, die Rolle zwischen mehreren machtbewussten Teilgewerkschaftsbossen. Fritz Verzetnitsch war so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle 1987 als Präsident des ÖGB einigen konnten.

Kopf des Widerstands

Der Metaller Rudolf Nürnberger und Angestellten-Chef Hans Sallmutter waren mindestens so präsent wie Fritz Verzetnitsch, den sie als Präsident manchmal mehr zu dulden schienen. Dessen große Zeit kam dann kurz paradoxerweise mit der Wenderegierung 2000, als die Gewerkschaft nicht in der Bundesregierung vertreten war (Tabubruch: kein Gewerkschafter als Sozialminister!) und so gut wie jeden Einfluss auf Gesetze verlor.

Wolfgang Schüssel und Jörg Haider schmiedeten eine Koalition und machten ihr Ding, gegen jeden Widerstand. Der kam speziell von der Gewerkschaft. Fritz Verzetnitsch brachte 2003 die größte Demonstration der Zweiten Republik und den größten Streik zustande. Hunderttausende gingen gegen eine Pensionsreform auf die Straße (von der noch heute Regierungen zehren).

Canossagang zu Schüssel

Allein, es half nichts. Fritz Verzetnitsch trat sogar mit seinem schwarzen Visavis in der Wirtschaftskammer Christoph Leitl eine Art ­Canossagang in das von Wolfgang Schüssel geführte Bundeskanzleramt an: Den Sozialpartnern möge doch die Bitte gewährt werden, einen Entwurf für die Pensionsreform auszuarbeiten.

Schwarz-Blau blieb unerbittlich, mit Retuschen wurde der Entwurf beschlossen. Eine Machtdemonstration der Regierung, eine bittere Niederlage für den ÖGB, von der manche sagen, er habe sich seither noch nicht davon erholt, und für die ÖVP-Wirtschaftskammer.

Das „Allerheiligste“ verpfändet

Keine drei Jahre später sollte es für den ÖGB-Präsidenten besonders dick kommen. Es wurde bekannt, dass er, ohne seine Präsidiumsmitglieder zu informieren, das Allerheiligste der Gewerkschaft verpfändet hatte: die Streikgelder. Hochriskante, spekulative Geschäfte hatten die Bawag unter Helmut Elsner an den Rand des Ruins getrieben. Die Bank musste verscherbelt werden, Fritz Verzetnitsch im März 2006 gehen.

Als Pensionist hat er sich nicht mehr öffentlich zu Wort gemeldet. Jetzt schweigt Fritz Verzetnitsch für immer.

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