Testbericht

Vom Lärm zur Stille: Dyson entwickelt eigene Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung

Die Kopfhörer von Dyson bestechen mit überzeugendem ANC. 
Foto: Clemens Fabry
Die Kopfhörer von Dyson bestechen mit überzeugendem ANC. Foto: Clemens FabryClemens Fabry
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Mit dem kabellosen Staubsauger legte James Dyson den Grundstein. Mit dem Fön eroberten die Briten eine weitere Kategorie. Beide nicht sonderlich leise Gefährten. Doch still wird es jetzt mit den Dyson Ontrac. „Die Presse“ konnte die Kopfhörer vorab testen.

Clubatmosphäre herrscht in der Event-Location in London, die sich Dyson für die Präsentation der Ontrac ausgesucht hat. Es ist eng und vor allem laut. Dafür sorgt auch der eigens engagierte DJ. Laut muss es auch sein, denn nur so können die Kopfhörer ihren größten Trumpf ausspielen: die Geräuschunterdrückung. 

Was mit Staubsaugern begann, gipfelt nun in einer völlig neuen Produktkategorie: Kopfhörern. Ein mutiges Unterfangen, wenn man bedenkt, wie hart der Markt bereits umkämpft ist. Erst recht im hochpreisigen Segment. Man denke nur an Bose, Sennheiser und Bowers & Wilkins. Und jetzt auch noch die Dyson Ontrac. 500 Euro prangt am Preisschildchen. Kann Dyson diesen Markt erobern und wie schlagen sich die Kopfhörer im Vergleich zu Sony oder Apple?  

Was bieten die Dyson Ontrac? Schon rein optisch fallen die Kopfhörer auf. Das hat dem Junior-Chef Jake Dyson zufolge auch gleich mehrere Gründe, wie er im Gespräch mit der „Presse“ ausführt. Ungewöhnlich ist die runde Form. In zig Produkttests für die die unterschiedlichsten Kopfformen untersucht wurden, habe sich der Kreis als beste Option herauskristallisiert. Da ist die persönliche Vorliebe von Jake Dyson sicherlich nur ein netter Nebeneffekt.

Dezent und unauffällig sind keine Attribute, die man diesen Kopfhörern zuschreiben würde. Doch die Ontrac sind Ohren- wie auch Augenschmeichler. Das kreisrunde Design weiß zu gefallen; optisch wie auch hinsichtlich des Tragekomforts. Im Bügel sind die Akkus „versteckt“. Da dieser mit einer Kapazität von 2540 mAh alles andere als knapp bemessen ist, kann Dyson verziehen werden, dass sich die Kopfhörer nicht klappen lassen, wie es zum Beispiel bei Sonys WH-1000XM-Serie der Fall ist. Übrigens die vierte Generation von Sony und die Apple AirPod Max treten gegen das Dyson-Modell an. Und so viel sei verraten: die Briten machen einiges richtig gut. 

Dazu gehört auch die Akkuleistung. Auch wenn „Die Presse“ die Kopfhörer ein paar Tage vor dem offiziellen Verkaufsstart erhalten habt: bislang mussten die Kopfhörer nicht an den Strom. Hier verspricht der Hersteller biss zu 55 Stunden durchgehender Wiedergabe; mit aktivierter Geräuschunterdrückung. Und bislang präsentiert sich der Ontrac wie ein Duracell-Hase, ganz nach dem Motto „läuft und läuft und läuft“. Aber keine Sorge, bevor das Gerät an den Strom muss, soll es eine akustische Warnung geben. Ein Blick auf das LED-Licht neben dem Bluetooth-Zeichen gibt ebenfalls Aufschluss. Leuchtet das Lämpchen Orange herrscht Alarm und die Akkuladung beträgt nur noch weniger als zehn Prozent. Zehn Minuten Ladung sollen ausreichen, um wieder zweieinhalb Stunden abtauchen zu können; zumindest akustisch. Denn wasserdicht sind die Kopfhörer nicht; aber spritzwassergeschützt. Auch für sportliche Aktivitäten ist der Ontrac nicht geeignet. Außer man möchte sich extra Cushions zulegen. Die Velours-Oberfläche wird aber schnell speckig. Aber grundsätzlich wäre es möglich ein Set für den Sport zu nehmen und eines für den Alltag, denn eines unterscheidet die Kopfhörer von Dyson zum Mitbewerb: Individualisierung. 

Bis zu 10.000 Kombinationen sind möglich. Die Polster sind in sieben Farben erhältlich. Die Außenschalen ebenfalls. Dementsprechend können die Polster und Außenschalen bunt kombiniert werden. Für Nostalgiker sei die Kombination silberne Alukappe mit gelben Cushions empfohlen und schon wird man an Dysons ersten kabellosen Staubsauger erinnert. 

Rein optisch sind die Dyson Ontrac ein Hingucker. Für so manchen können sie aber durchaus zu wuchtig erscheinen. Mit einem Gewicht von knapp 450 Gramm ist der Tragekomfort aber sehr hoch. Die Akkus sind, wie eingangs erwähnt, im Bügel links und rechts verbaut, wodurch sie sehr gut kalibriert sind und gut am Kopf aufliegen. Im Gegensatz zu den AirPod Max ist die Polsterung am Kopf sehr gut, weswegen auch nach mehreren Stunden nichts drückt. Etwas, das auch bei Sony der Fall ist. Jedoch lässt hier die Polsterung mit der Zeit ordentlich nach. Bei den Dyson-Modellen scheint ein festerer Schaumstoff zum Einsatz zu kommen, denn sie wirken kompakter als bei Sony. 

Ebenfalls zu gefallen weiß das schlichte Design, das sich auch in den reduzierten Bedienelementen widerspiegelt. Am rechten Kopfhörer gibt es einen Joystick. Hierüber wird die Lautstärke (nach oben, oder unten halten) geregelt und auch der Assistent (Google, Siri…) kann darüber aktiviert werden. 

In andere Welten abtauchen

Es gibt Momente, da sollte das ANC (Active Noise Cancelling) deaktiviert werden. Und das geht auf zwei Arten: Über die Außenkappen. Dafür braucht es mehr als nur ein bisschen Gefühl. Per kurzem Sound wird signalisiert, dass das ANC aktiviert bzw. deaktiviert ist.

In Kombination mit dem dicken Schaumstoff funktioniert der Algorithmus für das ANC richtig gut.
In Kombination mit dem dicken Schaumstoff funktioniert der Algorithmus für das ANC richtig gut. (c) Dyson

Gesten, ein schwieriges Thema. Bei kürzlich getesteten Sennheiser Kopfhörern war das Touch-Feld so sensibel, dass bei dem Hauch einer Berührung plötzlich die Kopfhörer durchdrehten: nächstes Lied, leiser bis hin zum völligen Stopp. Also lieber ein bisschen mehr Druck auf die Ohren als ständige Interferenzen durch vermeintliche Gesten. 

Das Design ist immer Geschmacksache, aber das runde Design, die verschiedenen Cups und Cushions fallen ebenso positiv ins Gewicht wie der Tragekomfort. Aber den finalen Ausschlag geben Musikqualität und das ANC. Bei beidem kann Dyson punkten. Wer hätte je gedacht, dass eben jener Konzern, der für viel Wirbel in den eigenen vier Wänden sorgt, dann auch die Stille bringt. 

Die Dyson Ontrac wurden mehreren Härtestests ausgesetzt. Das fängt im Home Office an: der Ehemann setzt für seine Arbeit auf die wohl lauteste mechanische Tastatur, die der Hersteller Cherry zu bieten hat. Hier scheitern Sony und Apple. Jedoch nicht die Ontrac. Selbiges gilt für die Teams-Calls, die normalerweise immer noch ein bisschen wie durch Watte bei Apple durchgedrungen sind. Schon bei Sony herrschte wohlige Stille. Bei Dyson verschwinden sogar nahezu die Geräusche der belebten Straße und des Gastgartens. Wie weiter oben schon geschrieben: besonders im Straßenverkehr sollte das ANC ausgeschaltet werden. Besonders in Kombination mit Musik befindet man sich akustisch in einer anderen Welt. Aber noch nie war die U-Bahn-Fahrt so ruhig. Man kommt, sollte sie nicht gerade wieder ausfallen, stocken oder nicht fahren, beinahe in einem Zen-Zustand in der Arbeit an. ANC ist großartig. Beim Dyson-Modell scannt der hauseigene Algorithmus mehr als 380.000 Mal pro Sekunde die Umgebung nach Störgeräuschen, um sie neutralisieren zu können.

Eine andere Welt, das ist auch der Hauptsitz von Dyson. Knapp zwei Stunden von London entfernt in Malmesbury hat James Dyson sich in beschaulicher Rosamunde-Pilcher-Landschaft einen Firmensitz geschaffen, der seinesgleichen sucht. Kein imposanter Wolkenkratzer, der in den Himmel ragt. Alte Flugzeug-Hanger wurden umgebaut, eine Universität inklusive hübsch hergerichteten Studenten-Container-Wohnungen, liebevoll Pods genannt. 

Jake Dyson hat die Geschäfte übernommen. Doch wie die Mitarbeiter sagen, das letzte Wort hat immer noch der Gründer und Vater James Dyson.
Jake Dyson hat die Geschäfte übernommen. Doch wie die Mitarbeiter sagen, das letzte Wort hat immer noch der Gründer und Vater James Dyson. (c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Es ist das einstige Zentrum für Dysons lange erwartetes Elektroauto. An vielen Stellen stehen Prototypen des Wagens. Hübsch wäre er gewesen, aber leider nicht rentabel. Nun wurden die Tausenden Mitarbeiter umgeschult. Von Auto-Ingenieuren zu Kopfhörer-Entwicklern. Bei der Tour durch das Gelände entwickelt sich das zum Running Gag. Jeder Mitarbeiter leitet seinen Bereich nämlich damit ein, dass er oder sie ja eigentlich am Auto beschäftigt war. Es scheint als wäre die Maxime, dass alles, was an Arbeit in das Auto geflossen ist, nun in irgendeiner Form gewinnbringend verarbeitet wird. Da waren die Kopfhörer irgendwie naheliegend. Immerhin hatte Dyson ja schon Kontakt damit. Die futuristischen Kopfhörer mit Luftfilter konnten zwar nicht die Massen begeistern, haben aber schon den Grundstock in der Entwicklung für die Ontrac geliefert. 

Ein Jahr hat es von der Idee bis zum fertigen Produkt gedauert. Doch so sehr die Ontrac überzeugen können, lässt sich nicht ganz nachvollziehen, warum Multipoint nicht von Haus aus mit dabei ist. Bluetooth 5.0 ist an Bord und daher ist es technisch kein Problem, dass nahtlos zwischen den Geräten zur Audiowiedergabe gewechselt werden könnte. Dem Junior-Chef zufolge soll diese Funktion 2025 per Software-Update nachgeliefert werden. Er selbst scheint kein Fan davon zu sein: „Es funktioniert nicht einwandfrei. Und führt manchmal zu Problemen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, kommt das Update“. 

Mit dem Verkaufsstart ist auch die App verfügbar, worüber die Kopfhörer nach eigenem Belieben kalibriert werden können. Doch auch ohne ist der Klang dank der 40-Millimeter-Treiber sehr gut und klar. Das soll auch an deren Position liegen, welche im Gehäuse in Richtung Ohr geneigt sind. 

Für wen sind die Ontrac?

Die Ontrac sind hervorragende Kopfhörer. Äußerlich gibt es nur ein persönliches Manko: der Dyson-Schriftzug hätte nicht beidseitig angebracht werden müssen. Das Design ist sowieso unverwechselbar, sodass die wandelnde Reklame nicht nötig gewesen wäre. Der Klang ist super und stellt die AirPod Max von Apple deutlich in den Schatten. Beim Klang sind sie mit Sony auf Augenhöhe. Bei der Geräuschunterdrückung können sie ebenfalls punkten. Bleibt der Preis, der mit 500 Euro recht hoch angesetzt ist. Hier steht die Austauschbarkeit der Caps und Cushions ebenfalls auf der Pro-Seite. Lediglich, dass die leicht zugänglichen Akkus nicht getauscht werden können, ist hinsichtlich Reparierbarkeit ein Manko. Zudem funktioniert die automatische Wiedergabe nur, wenn die Pause wirklich kurz ist. Legt man die Kopfhörer länger beiseite muss hie und da manuell die Musik wieder gestartet werden. Wer auf der Suche nach auffälligen und guten Kopfhörern ist und dabei über den Tellerrand der bekannten Hersteller blicken möchte, sollte den Ontrac ausprobieren.

Auf einen Blick: Dyson Ontrac

Die Over-Ear-Kopfhörer bietet ausgezeichnetes ANC (Active Noise Cancelling) und eine Akku-Ausdauer von bis zu 55 Stunden (Herstellerangabe). Das ANC kann über die dazugehörige App (kostenlos in App Store (iOS) und Google Play (Android) personalisiert werden.

Die Außenkappen und die Cushions können nach eigenen Belieben ausgesucht werden. Die Konfiguration ist auf dyson.com möglich, oder bei ausgewählten Partnern.

Disclaimer: Die Reise nach London fand auf Einladung von Dyson statt. Zudem wurde vom Unternehmen ein Testgerät zur Verfügung gestellt.

Die Berichterstattung erfolgt in redaktioneller Unabhängigkeit.

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