Zuchtprogramm

Stark gefährdet: Wie die Störe in die Donau zurückkehren sollen

Im neuen Stör-Aquarium im Haus des Meeres wachsen derzeit 43 Jungtiere heran.
Im neuen Stör-Aquarium im Haus des Meeres wachsen derzeit 43 Jungtiere heran.APA
  • Drucken

Durch ein riesiges Nachzuchtprojekt soll die stark gefährdete Stör-Population in der Donau gerettet werden. 1,5 Millionen Jung-Fische sollen bis 2030 in der Donau ausgesetzt werden. Ein Teil der Tiere wächst künftig auch im Haus des Meeres heran.

Wien. Sicher, die bunteren und exotischeren Fische sind in den anderen Stockwerken zu finden: Weiter oben (etwa die Hammerhaie) oder weiter unten (Clownfische und Koi): Das neue Aquarium im sechsten Stock aber beherbergt im (Donau-)Wasser gezählte 43 noch ziemlich kleine, heimische Fische, deren Geschichte nicht weniger spektakulär ist als jene der exotischeren Arten.

Denn ja, das Wiener Haus des Meeres ist mitunter auch ein „Haus der Flüsse“ und seit Kurzem Partner eines riesigen, langjährigen EU-Projekts („Life-Boat 4 Sturgeon“) in acht Ländern, das sich die Wiederansiedelung der Störe in der Donau zum Ziel gesetzt hat.

Die Störe im Haus des Meeres sind im April 2023 zur Welt gekommen.
Die Störe im Haus des Meeres sind im April 2023 zur Welt gekommen. APA / APA / Jakob Langwieser

Mit dem neuen Stör-Aquarium will man nicht nur über die stark bedrohten Fische informieren: Die 43 Störe – konkret sind es Sterlets – sollen, sobald sie geschlechtsreif sind, in drei bis vier Jahren auch tatsächlich in der Donau ausgesetzt werden.

Zwei Arten sind schon ausgestorben

Ebendort, in der Donau, ist die Lage für die Störe alles andere als gut: Zwei der dort einst beheimateten sechs Stör-Arten sind überhaupt schon ausgestorben, die vier anderen – Sterlet, Waxdick, Sternhausen und Hausen – hochgradig gefährdet. „Störe sind sogar die am stärksten gefährdete Tierfamilie weltweit, wenn man sich die Roten Listen anschaut“, wie Thomas Friedrich von der Universität für Bodenkultur (die Boku ist Projektleiterin der Wiederansiedelung) sagt.

Bis 2030 will man 1,5 Millionen Störe im Donauraum aussetzen, eine Zahl, die angesichts der aktuell 43 Jungtiere im Haus des Meeres (weitere folgen freilich) ein wenig utopisch klingen mag. Tatsächlich aber, sagt Friedrich, laufe das 2023 gestartete Projekt „mehr als gut“: Schon bisher habe man an verschiedenen Standorten an die 200.000 Jung-Sterlets gezüchtet. Andere Stör-Arten legen überhaupt noch mehr Eier, weshalb er „zuversichtlich“ sei, dass bis 2030 tatsächlich 1,5 Millionen Störe in der Donau – freilich nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern – ausgesetzt werden können.

Aufzuchtschiff bei der Reichsbrücke

In Österreich sollen die Jung-Störe unter anderem in der Wachau und dem Nationalpark Donauauen einen neuen Lebensraum finden (alle Jungtiere sind farblich markiert und gechipt), gezüchtet werden sie derzeit auch in einem Aufzuchtscontainer etwa 200 Meter flussabwärts der Reichsbrücke: Hier wird im März 2025 ein richtiges Aufzuchtschiff dazukommen, ein ehemaliges Frachtschiff der Via Donau, das gerade entsprechend umgebaut wird.

Schiff kann besucht werden

Auf dem Forschungsschiff samt riesigem Becken sollen die Störe dann direkt im Donauwasser heranwachsen. „Denn Fische legen ihre Eier gern dort, wo sie selbst geschlüpft sind“, so Friedrich. Ab Mai 2025 soll das Schiff dann auch an den Wochenenden für interessierte Besucher zugänglich sein.

Illegale Fischerei

Wie im Haus des Meeres soll man dann auch dort erfahren, wieso es um die Stör-Population so schlecht steht: Hauptgrund (neben dem Schwinden des Lebensraums und Flussbegradigungen) ist natürlich der begehrte Kaviar; der „echte“ Kaviar stammt bekanntlich (nur) von Stören, was die Population entsprechend dezimiert hat und – durch illegale Fischerei – weiter dezimiert.

Wilderei „im Herzen Europas“

Bei Wilderei denken viele an exotische Tiere, „aber“, sagt Friedrich, „sie passiert auch im Herzen Europas“. Teil des „Life-Boat 4 Sturgeon“-Projekts ist es daher auch, in den betroffenen Ländern – unter anderen Rumänien, Bulgarien und der Ukraine – die illegale Fischerei durch verstärkte Kontrolle und Aufklärung in den Griff zu bekommen.

Seit dem Vorjahr ist das Projektteam dabei, den Muttertierbestand aufzubauen, „wir gehen raus in die Donau, aber auch zu Fischfarmen, nehmen Genproben und suchen Tiere, die genetisch zur Donau passen“, so Friedrich. Ein Zuchtbuch hilft dabei, die größtmögliche Diversität zu bekommen.

Das Ziel von 1,5 Millionen Jungfischen bis 2030 ist dabei, so Friedrich, „aber nur der Anfang“. Damit die Population nachhaltig aufgebaut wird (und vielleicht sogar wieder legale Fischerei möglich ist), müsse das Projekt 60 bis 80 Jahre betrieben werden.

Auf einen Blick

Life-Boat 4 Sturgeon heißt das von der Boku Wien koordinierte Projekt, das 1,5 Millionen Jung-Störe in der Donau ansiedeln will. Elf Partner in acht Ländern (u. a. Landwirtschaftsministerium und Stadt Wien) sind beteiligt, der Großteil der Projektkosten (11,8 Mio. Euro) wird aus EU-Mitteln finanziert.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.