Reportage

Stimmen aus New York: „Ich habe immer demokratisch gewählt, aber jetzt habe ich ein Problem“

Die Brooklyn Bridge in New York.
Die Brooklyn Bridge in New York. Getty Images/Adam Gray
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New York City gilt als solide Bastion der Demokraten. Trumps Stärke, Bidens Schwäche und die möglichen Alternativen verunsichern hier viele. Eine „Presse“-Reportage.

Vor dem Rathaus, einem mächtigen neoklassizistischen Bau, herrscht das hektische Treiben des Feierabendverkehrs. Vor dem Gebäude im Zentrum Brooklyns skatet ein Teenager, eine Gruppe junger Leute lungert auf den Stufen herum, zwei Frauen, die sich auf dem Platz zufällig begegnen, tauschen lautstark Komplimente aus. Mariah hat sich für eine Zigarettenpause an den Rand des kleinen Parks vor dem Gebäude begeben. „Ich habe immer demokratisch gewählt“, sagt die Afroamerikanerin mit den langen Haaren und der eckigen Hornbrille, „aber jetzt habe ich ein Problem.“ Sie könne weder Donald Trump noch Joe Biden wählen. „Wie drücke ich das diplomatisch aus? Ich kann mit der Politik beider nichts anfangen.“

Für Mariah ist Trumps Politik rassistisch. Und mit Biden könne sie mittlerweile kaum etwas verbinden, schon gar nichts Emotionales. Ja, sie wolle unbedingt wählen. Aber die Wahl sei ein Ding der Unmöglichkeit. Die Nachricht eines möglichen Rückzugs Joe Bidens von seiner Kandidatur spricht sich freilich auch hier in Brooklyn herum. Kamala Harris als demokratische Kandidatin lehnt Mariah mit einem tiefen Seufzer ab. Als Bezirksstaatsanwältin habe sie reihenweise Afroamerikaner verhaften lassen, „denken Sie, das vergisst die Community?“ Mariah fragt ihre Freundin, die gerade anruft, nach der Vizepräsidentin; diese findet harsche Worte. „Harris“, sagt sie, „ist Trash.“

Ein historisches Statement

Schräg gegenüber von Mariah hetzt gerade eine Frau im orangefarbenen Kleid und langen Zöpfen vorbei. „Die Politik ist so mühsam gerade!“, ruft sie beim Vorbeigehen zu. „Ich mag mich gar nicht mehr damit beschäftigen.“ Ja, sie werde wählen gehen. Nein, sie wisse noch nicht, wen. Diese Ja-Nein-Kombination hört man oft, hier vor dem Brooklyner Rathaus. Der junge Student, der gerade für eine NGO Geld für die Zivilisten in Gaza sammelt, ist genauso unentschlossen wie die Frau mit Schirmkappe, die gerade auf einer Parkbank ein Zoom-Gespräch am Handy beendet hat. Zumindest ein Jogger gibt mit seinem T-Shirt ein politisches Statement ab, wenn auch ein historisches. „Texans for Obama 2008“ steht darauf zu lesen.

Die Gegend rund um das Rathaus in Brooklyn.
Die Gegend rund um das Rathaus in Brooklyn.Özkan

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