Glosse

Der Schrecken der Farbe Blau: Alles ist möglich, nichts geht

Der gefürchtete „Blue Screen“.
Der gefürchtete „Blue Screen“.Imago / Jono Searle
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Was wir bei den Computerabstürzen am Blue Friday auch gelernt haben.

Nur ruhig! Keine Aufregung! Wenige Rufe sind so gut zur Erzeugung von Aufregung geeignet wie diese. Man spürt die Absicht und erschrickt. Ähnlich ist es mit der Farbe Blau, mit der die Firma Microsoft die Bildschirme färbt, wenn nichts mehr geht, wenn sich kein Fenster mehr auftut. In mancher früheren Software wurde der Schirm schwarz, da wusste man gleich, woran man ist.

Man weiß es auch bei Blau. Man weiß, dass die Farbe Blau beruhigend wirken soll, und ist daher beunruhigt. Blaulicht signalisiert Rettung, mag sein, aber damit zugleich Not und Gefahr. Die Computer-Nerds – die man besser nicht so nennt, wenn der Absturz droht – sprechen vom „Blue Screen of Death“. Das haben wir gelernt am Freitag, der solcherart (fast) zum Blue Friday wurde. Und dass hinter all dem Ungemach ein Update einer IT-Sicherheitsfirma mit dem aufrührerischen Namen CrowdStrike steckt. Die Firma sitzt in Austin, Texas. Dort sind die Demokraten (Parteifarbe: blau) in der Mehrheit, man hört gern Blues und pflückt blaue Lupinen: bluebonnets.

Von dort kommt er also, der blaue Schirm des Todes. Aber Blau erinnert doch an den Himmel, ans Meer? Der Himmel ist weit, hoch (beziehungsweise, von oben gesehen, tief) und voller Gefahren, das Meer erst recht. Und die blaue, ruhige See kann auch bedeuten, dass alle Wetter vorüber und alle Schiffe versunken sind. Blau als Farbe nach der Katastrophe: Alles ist passiert, das heißt immerhin, es kann nichts mehr passieren. Oder, im Gegenteil: Aus dem Blauen heraus kann alles passieren. Blau ist auch die Farbe des Möglichen, damit der Hoffnung.

Film „Blue“: 76 Minuten blau

Der große englische Regisseur Derek Jarman nannte 1992, als er schon blind war, seinen letzten Film „Blue“. Die Leinwand bleibt 76 Minuten lang monochrom blau, dazu hört man Kindheitserinnerungen, Tagebucheintragungen, Debatten, Träume, kurz: ein ganzes Leben.

Das Blau des fatalen Bluescreen, einst angeblich ein kräftiges Königsblau, ist heute meist ein bisschen heller als das Blau im Film „Blue“, es hat einen leichten Stich ins Graue. Doch auch vor ihm lässt es sich gut reminiszieren, sinnieren, pausieren. Bis die Maschine wieder läuft.

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