Türkis-Grün

Ungarn-Boykott bis Strafen für Penisfotos: Eine Woche mit jeder Menge Koalitionskrach

Gewessler ist bei den Grünen hoch im Kurs, für die ÖVP hingegen eine Reizfigur.
Gewessler ist bei den Grünen hoch im Kurs, für die ÖVP hingegen eine Reizfigur. Picturedesk/Tobias Steinmaurer
  • Drucken

Vom Straßenbau über eine steuerfreie Behaltefrist für Aktien bis zu Strafen für Penisfotos: Die Regierungsparteien sind sich dieser Tage kaum irgendwo einig. Was ist da los?

Der Sommer eines Wahljahrs gestaltet sich dann doch etwas anders als die Sommer anderer Jahre. Das zeigte die zu Ende gehende Woche recht eindrücklich. Trotz Hitzewelle und Haupturlaubszeit herrschte innerhalb der türkis-grünen Koalition nämlich keineswegs Langeweile.

Zunächst einmal waren sich die Regierungsparteien recht uneinig darüber, wie man zum angedachten Boykott der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft stehen sollte. Der Kanzler und seine ÖVP waren dagegen, die Grünen eher dafür.

Danach kam das Lieblingsstreitthema dieser Koalition wieder aufs Tapet: der Straßenbau. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte einst zwei geplante Bauprojekte in Niederösterreich – die S34, die Traisental-Schnellstraße, sowie die S8, die Marchfeld-Schnellstraße – gestoppt. Die ÖVP will sie hingegen bauen und werde das auch tun, so man nach der Wahl wieder in Regierungsverantwortung sei, heißt es. Einen Streit zwischen Gewessler und der Landes-ÖVP gibt es auch in Vorarlberg, wo die Zukunft der Bodensee-Schnellstraße ungewiss ist.

Auch eine andere Bruchlinie innerhalb der Koalition wurde fast zeitgleich wieder sichtbar: jene zwischen der grünen Justizministerin Alma Zadić und der türkisen Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. Letztere warf der Justizministerin Untätigkeit bei einem Verbot von ungefragt versendeten Genitalbildern vor. Die Grünen reagierten verärgert und bezichtigten Plakolm ihrerseits, „billige Showpolitik“ zu betreiben.

Am Freitag kritisierte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) dann auf „Ö1“, dass die Umsetzung der steuerfreien Behaltefrist für Aktien, die eigentlich im Regierungsprogramm steht, am Koalitionspartner scheitere und erklärte sie damit für diese Legislaturperiode praktisch für abgesagt.

Woher kommt all das? Ist es eine Retourkutsche der ÖVP für Gewesslers Alleingang beim Renaturierungsvotum? Eine direkte Kausalverbindung gebe es da nicht, heißt es dazu aus Regierungskreisen. Noch im März hätten Themen wie die Behaltefrist von Aktien niemanden interessiert. Dass das jetzt debattiert werde, liege an einer Mischung aus Nachrichtenflaute und dem anlaufenden Wahlkampf.

Zusammenarbeit „wie zuvor“

Die Zusammenarbeit in der Koalition gestalte sich im Großen und Ganzen nämlich auch nach der „Koalitionskrise“ rund um die Renaturierung nicht anders als zuvor: „Die, die sich vorher nicht mochten, mögen sich auch jetzt nicht, und die, die vorher gut miteinander gearbeitet haben, tun es immer noch“, heißt es inoffiziell.

Offen ist allerdings nach wie vor die Frage nach der Nominierung des österreichischen EU-Kommissars: Die Grünen fühlen sich ja nicht mehr an den Sideletter gebunden, in dem zu Beginn der Legislaturperiode festgehalten worden war, dass die ÖVP einen Kandidaten für den Posten ­vorschlagen dürfe. Sie wollten den ehemaligen ÖVP-EU-Abgeordneten Othmar Karas nominieren, die ÖVP hingegen lieber Finanzminister Magnus Brunner.

Nun aber hat ein Wunsch der wiedergewählten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine neue Dynamik in der Debatte erzeugt. Geht es nach der Deutschen, der die Besetzungen ja schlussendlich obliegen, soll jedes Land nämlich einen Mann und eine Frau ins Rennen schicken. Laut „Standard“ wollen die Grünen nun Energieministerin Gewessler dafür ins Spiel bringen. Je nach den Nominierungen der anderen Länder könnte es aber sein, dass eine weibliche Kandidatin im Sinne der Geschlechterparität innerhalb der Kommission einen Startvorteil hätte. Insofern wäre es auch denkbar, dass die ÖVP umschwenkt und doch EU-Ministerin Karoline Edtstadler vorschlägt. Die Grünen könnten in diesem Fall bei Karas bleiben. Bei ihm gelten seine Erfahrungen und guten Netzwerke als Argumente dafür, dass der österreichische Kommissar ein interessantes Portfolio bekommen könnte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.