Schwache Politiker lassen ihre Berater an der langen Leine. Was dabei herauskommt, sehen wir gerade eindrucksvoll bei der ÖIAG und der Telekom.
Manchmal haut man voll daneben. Wer weiß das besser als Werner Muhm? Erst zwei Monate ist es her, dass der Arbeiterkammer-Direktor in zahllosen Interviews gegen die Machtübernahme des Mexikaners Carlos Slim in der Telekom Austria gewettert hat. Kostproben gefällig? „Die Telekom hat bewiesen, dass sie das selbst auch kann.“ Oder: „Die Telekom steht auf guten Beinen und ist auf gutem Kurs. Sie ist zu einem gut aufgestellten Konzern in Zentral- und Osteuropa geworden. Aus eigener Kraft und mit eigenem Hirn.“
Vorgestern, am späten Mittwochnachmittag, hat ebendiese Telekom Austria mit einer wahren Schockmeldung für Schlagzeilen gesorgt: Der Konzern muss in Bulgarien 400 Millionen Euro wertberichtigen. Und das reißt die Telekom heuer in die Verlustzone.
Werner Muhms Fähigkeiten als Orakel – ein garantierter Schenkelklopfer. Doch das würde wohl zu kurz greifen. Außerdem: So richtig lustig ist die Sache eigentlich nicht. Der Mann ist nämlich der wichtigste wirtschaftspolitische Berater von SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Der ist ja bekanntlich mit den Finessen der gemeinen Ökonomie nicht sonderlich vertraut. Also vertraut er voll und ganz auf Werner Muhm.
Der Arbeiterkämmerer hat somit eine ziemlich lange Leine. Und so kommt es, dass ohne ihn in der Bundesregierung nichts läuft: Michael Spindelegger sagt A, Werner Faymann lächelt, Werner Muhm sagt B. Und dann passiert gar nichts.
So sieht der nervenaufreibende Alltag unserer Regierung aus.
Um ein Haar hätte Muhm auch die versprochene Kapitalerhöhung der Mexikaner bei der Telekom Austria verhindert. Die Betriebsräte hatte er ja schon auf seiner Seite. In letzter Minute ist sich die Abstimmung im Aufsichtsrat dann doch ausgegangen. Gut so: Das Geld der Mexikaner wird jetzt wohl zum Löcherstopfen in der Telekom verwendet werden. Und nicht für dringend notwendige Investitionen. Aber immerhin – es ist da. Werner Muhm zum Trotz.
Weniger glimpflich ging die Sache mit der geplanten Reform der Staatsholding ÖIAG aus. Dieses Vorhaben hatte es sogar in das ohnehin sehr magere Regierungsübereinkommen geschafft. Doch daraus wird jetzt doch nichts.
Der seltene Konsens zwischen Kanzler und Vizekanzler war dahin, als Werner Faymann neulich seinen Kollegen Michael Spindelegger zur Seite nahm. Inhalt des diskreten Gesprächs: Werner Muhm müsse Aufsichtsratsmitglied der ÖIAG werden, sonst könne man sich die ÖIAG-Reform aufzeichnen. Spindelegger lehnte empört ab. Weniger, weil ihm Postenschacher dieser Art ein Graus sind. Vielmehr, weil ihm Werner Muhm ein ebensolcher ist.
Muhm bekam also seinen Posten nicht und tat alsbald in Interviews kund: Er sei gegen eine ÖIAG-Reform, weil die ÖVP „nur auf weitere Privatisierungen aus“ sei. Werner Faymann ließ ihn gewähren. Motto: Da kann man halt nichts machen.
Das Ende der Geschichte: Die Reform der Staatsholding ist in den Schubladen gelandet. Mit allem Drum und Dran: Es werden keine weiteren Unternehmen (wie Verbund oder Casinos) in die ÖIAG wandern, die Holding wird nicht als Mittelstandsfinanzierer aufgewertet. Und es wird auch keine gesetzliche Änderung beim Bestellmodus des ÖIAG-Aufsichtsrates geben: Gestern wurde Manager Siegfried Wolf zum Präsidenten des Aufsichtsrates gekürt. Ein Kandidat, den weder ÖVP noch SPÖ wollten. Der aber dank der permanenten Überforderung der Regierung installiert werden konnte.
Was sagt uns das alles? Leider nichts Gutes. Schlimm genug, wenn die Politik in die Wirtschaft hineinregiert. Noch schlimmer aber, wenn Politiker so schwach sind, dass Berater mit einer eindeutigen politischen Agenda das Sagen haben – und die Regierenden quasi am Nasenring durch die Arena ziehen.
Dann kommt es – siehe oben – zur Lähmung im Land. Dann gibt es keine Reformen, kein Weiterkommen.
Dazu muss man kein Orakel sein.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)