Ex-Botschafter: „Syriens Rebellen brauchen schwere Waffen“

A man stands at a site damaged by what activists said was shelling by forces loyal to Syrian President Assad in Raqqa
A man stands at a site damaged by what activists said was shelling by forces loyal to Syrian President Assad in Raqqa(c) REUTERS
  • Drucken

Die Aufrüstung der syrischen Oppositionskämpfer durch die US-Regierung kommt womöglich zu spät, warnt David Newton, der in den 80er-Jahren während des Iran-Irak-Krieges US-Botschafter im Irak war.

Die Presse: Kommt der Vorschlag von Präsident Obama, die gemäßigten syrischen Rebellen mit 500 Millionen Dollar aufzurüsten, nicht spät? Der Bürgerkrieg dauert ja schon drei Jahre.

David Newton: Ja. Es ist in Washington bekannt, dass das Außenministerium schon länger darauf gedrängt hat, das zu tun. Doch das Weiße Haus hat gezögert, weil es darüber besorgt war, dass Waffen in die falschen Hände geraten könnten – vor allem, wenn sie den Rebellen Raketen gäben, um Hubschrauber und Flugzeuge angreifen zu können.

Wieso traf der Präsident diese Entscheidung jetzt? Wegen des Vormarsches der radikalen Isil-Milizen im Irak?

Absolut. Der Druck steigt angesichts dessen, was im Irak passiert, und die Forderungen an die US-Regierung, etwas zu tun, wachsen.

Kann man seriös beurteilen, ob diese Aufrüstung etwas an der Lage in Syrien und damit im Irak ändern könnte?

Vor Ort wird es ziemlich lange dauern, bis es wirkt. Das Wichtige daran ist mehrheitlich die Ankündigung an sich, dass die USA endlich eine Position einnehmen und den moderaten militärischen Flügel der Opposition unterstützen.

Die CIA bildet aber bereits syrische Rebellen in Jordanien aus.

Ja, aber da ist eine Frage der Größenordnung. Und es kommt jetzt auf die Art der Waffen an – vor allem, was schwere Waffen betrifft. Wissen Sie, der syrische Krieg erinnert mich an den spanischen Bürgerkrieg: Die Moderaten auf beiden Seiten haben am Ende verloren, weil die Radikalen auf beiden Seiten ausgerüstet wurden – ob von den Faschisten oder den Kommunisten. In Syrien verlieren die Moderaten an Stärke. Das hat die politische Folge, dass sie sich nicht ordentlich organisieren können.

Welche Waffen brauchen die moderaten Rebellen jetzt? Und sind 500 Millionen Dollar genug?

Viel ist es nicht. Und wenn eine Menge für Ausbildung ausgegeben wird, reicht es sicher nicht. Was die Rebellen wirklich wollen, sind schwere Waffen: Boden-Luft-Raketen und panzerbrechende Geschütze. Die Regierung verwendet Hubschrauber, um diese schrecklichen Fassbomben auf Zivilisten zu werfen. Ohne solche schwere Waffen hat die Opposition keine Chance, ihre Leute zu schützen.

Was würden Sie Obama raten?

Viel kann er nicht machen. Nehmen wir zum Beispiel Luftangriffe auf die Isil-Rebellen im Irak. Die wären ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es schon ziemlich spät ist. Aber sobald die erwarten müssen, dass sie von der Luft aus bombardiert werden, werden sie ihre schwarzen Flaggen nicht mehr hissen. Dann wird es sehr schwer, diese Leute zu identifizieren. Wenn man dann beginnt, andere Sunniten versehentlich zu töten, die nichts mit Isil zu tun haben, schafft man noch mehr Widerstand. Man sollte jedenfalls versuchen, Regierungen wie die von Kuwait dazu zu bringen, die privaten Spenden an Isil abzudrehen.

Geschieht das schon?

Ich denke ja. Die Regierungen der Golfstaaten haben an dieser Art von ausartender Gewalt kein Interesse. Darüber hinaus wollen wir, dass Premierminister al-Maliki den Sunniten die Hand reicht. Die Frage ist aber, ob er daran ein Interesse hat. Diese Krise nutzt ihm nämlich politisch: Es ist in dieser Zeit nationaler Gefahr schwer möglich für andere schiitische Politiker, ihn in Frage zu stellen.

Sehen Sie Chancen für eine Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Iran?

Wir haben gewiss mancherorts gemeinsame Interessen, vor allem jenes, weitere Siege der Isil-Milizen zu verhindern. Aber wir wollen ganz sicher nichts tun, das den iranischen Einfluss im Irak vergrößern würde. Es ist also möglich, dass wir ein Auge zudrücken und die Iraner auch. All das Gerede von einem Bündnis zwischen den USA und Iran sind übertrieben. Ich sehe kaum Raum für eine politische Zusammenarbeit. Ich glaube außerdem, dass die Schiiten im Irak, die ja Araber sind, trotz aller Nähe ganz sicher nicht wollen, dass der Irak ein Marionettenstaat des Iran wird. Sie haben lange darauf gewartet, an die Macht zu kommen. Viele irakische Schiiten haben während des irakisch-iranischen Krieges hart gegen den Iran gekämpft. Iran und Irak waren nie große Freunde, gelinde gesagt.

ZUR PERSON

David Newton war von 1984 bis 1988 US-Botschafter im Irak und von 1994 bis 1997 im Jemen. Danach leitete er bis 2004 von Prag aus Radio Free Iraq, einen vom US-Kongress finanzierten Radiosender. Heute ist er Experte beim Middle East Institute, einer Washingtoner Denkfabrik. [ Middle East Institute]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.