August Schmölzer: "Ich lehne diese Fressgeschichten ab"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schauspieler August Schmölzer erzählte der "Presse", warum er nie nach dem Gehalt anderer gefragt hat, man seine innere Ruhe finden muss, und warum er so mancher Charity-Veranstaltung nichts abgewinnen kann.

Die Presse: Sie haben kürzlich Ihren Roman „Der Totengräber im Buchsbaum“ veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen?

August Schmölzer: Das hat sich so ergeben. Schreiben ist schon länger eine meiner Leidenschaften. Sie hat sich aber erst in den letzten Jahren konzentriert.

Wollen Sie aber schon weiter Schauspieler bleiben?

Ich bin grundsätzlich ein kreativer Mensch. Und dieser kreative Schmölzer hat über die Jahre hinweg sehr viel machen dürfen. Ich war Oberkrainer-Musikant, habe Koch gelernt, ein Schauspielstudium absolviert, als Schauspieler gearbeitet, war am Theater, habe Film und Fernsehen gemacht, bis ich dann meine Leidenschaft für das Schreiben entdeckt habe. Und ich betreibe die karitative „Initiative zur Herzensbildung Gustl58“, die mich auch immer mehr fasziniert.

Man hat den Eindruck, dass Sie sehr gut gebucht sind. Man sieht Sie ständig im Fernsehen.

Ich bin sehr dankbar, doch es gibt ja auch viele Wiederholungen. Wir hatten vor einiger Zeit einen erfolgreichen Film im Fernsehen. Er hieß „Die Fremde und das Dorf“, zu dem ich die Idee hatte. Wir hatten über 800.000 Zuseher. Eine Sensation. Wir haben da offensichtlich einen Nerv getroffen mit dem Problem, nicht kommunizieren zu können und nicht fähig zu sein, Gefühle zu zeigen. Ich fordere den Mut, sich mehr zu artikulieren. Vieles Negative passiert, weil niemand Mund und Herz öffnet. Weil niemand da ist, der Nein sagt.

Sagen Sie oft Nein?

Wenn etwas meiner Vorstellung von Toleranz oder Humanität widerstrebt, dann sage ich Nein.

Sagen Sie beruflich auch Nein?

Ja, es gibt Dinge, die kann ich nicht. Ich kann keine Daily-Soap machen, weil ich gar nicht so schnell arbeiten kann.

Sie sind als Schauspieler schon etabliert. Tut man sich da leichter, etwas abzulehnen?

Das ist natürlich richtig. Bei meinem ersten Engagement hat mein Intendant gesagt: „Spar, wenn du Geld verdienst, du wirst irgendwann einmal keines verdienen.“ Ich habe mir also ein bisschen etwas erspart. Jetzt kann ich Dinge ablehnen, aber das muss man sich erarbeiten. Ich bin beispielsweise kein Theaterensemble-Mensch. Ich will auch nicht immer parat sein. Sie sehen, das ist eine gewisse Form der Freiheit, die auch damit zu tun hat, was man hat. Eine gewisse Renitenz muss da sein.

Hatten Sie nie Angst, dass das Geld nicht reicht?

Natürlich. Aber heute habe ich keine Existenzängste mehr. Nicht, weil ich so viel Geld habe, sondern weil ich weiß, was ich kann. Hätte ich keine Arbeit und Verantwortung für eine Familie, dann würde ich mich auch auf die Straße stellen und Lieder singen. Nur was mich allein betrifft, muss es Gott sei Dank nicht sein. Wenn ich mir etwas nicht leisten kann, dann kann ich es mir eben nicht leisten.

Haben Sie Ihren Lebensstandard in den vergangenen Jahren nicht hinaufgeschraubt?

Nein. Es gab eine Zeit, in der Schauspieler ihre Gagen in die Höhe getrieben haben. Meine Agentin in München hat gesagt: „Überlege dir, was du wert bist, und das verlangen wir. Wenn der andere mehr bekommt, dann soll es so sein.“ Viele der Kollegen mussten später hinunterschrauben, ich musste es nicht.

Es hat Ihnen also nichts gemacht, wenn jemand ein paar Tausender mehr verdient hat?

Ich habe nie gefragt, was jemand anderer verdient. Ich hatte immer das Gefühl, dass das, was ich bekomme, fair ist. Wenn man nicht lernt, in seinem Beruf damit umzugehen, dass jemand anderer mindestens gleich gut ist, wird es schwer. Man muss seinen Platz und seine innere Ruhe finden.

Finden Sie, dass wir in einer Neidgesellschaft leben?

Neid gibt es, aber das ist normal. Jeder wird einmal das Gefühl haben: Warum nicht ich, sondern die anderen? Wenn ich mir vorstelle, dass ein Christoph Waltz, mit dem ich auch gearbeitet habe, eine Weltkarriere macht, könnte ich auch sagen: „Warum er und nicht ich?“ Aber das ist eben nicht mein Weg. Ich habe auch keine sehr große Lust auf Los Angeles, mir reicht New York nach einer Woche. Ich bin glücklich, dass ich nach 20 Jahren München wieder in der Weststeiermark lebe und das machen darf, was ich tue.

Sehen Sie sich die Filme, in denen Sie selbst mitspielen, an?

Ich schaue wenig fern. Ich lese, und wenn ich Zeit habe, gehe ich in die Natur.

Gab es in Ihrer Karriere einen Punkt, an dem Sie gesagt haben: Ich habe es geschafft?

Nein. Das kann man in dem Job auch nicht sagen. Aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass ich zu mir komme. Ein befriedigender Weg. Aber komischerweise kommen nun ganz andere Projekte daher. Ob das ohne diese Haltung gegangen wäre, weiß ich nicht.

Sie helfen auch anderen Menschen. Gab es eine Inititalzündung für Ihre Initiative?

Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben und bin wirklich dankbar dafür. Zwangsläufig ist da der Gedanke entstanden, dass ich etwas zurückgeben möchte. Das andere ist, dass ich in einer friedlichen Gesellschaft leben will. Dass man den anderen fragt, wie es ihm geht, dass man jemandem hilft.

Trägt man zum Frieden bei, wenn man Armen hilft?

Die wahre Armut zeigt sich nicht, die muss man finden. Ich habe kürzlich eine Wanderung im Epirus-Gebirge in Griechenland gemacht. Da gibt es einheimische Schafhirten. Die Einheimischen sind sehr arm, man kann nur mit einem Führer durchgehen, sonst ist man tot. Vor einiger Zeit ist da ein Franzose umgebracht worden. Warum? Unser Führer hat erzählt, dass die Leute so arm sind, dass es ihnen egal ist. Also nimmt man die Weihnachtsgans mit, die vorbeikommt. Wenn ein Mensch von seiner Arbeit leben kann, dann wird er nicht auf die Idee kommen, so eine Weihnachtsgans abzuwürgen. Dann gäbe es weniger Hass und Angst.

Entstehen Hass und Angst nur bei den ganz Armen oder bei jenen, die Abstiegsängste haben?

Das gibt es bis ganz rauf. Ich kenne viele reiche Leute, die haben auch Existenzängste. Aber die größte zu manipulierende Masse Mensch ist die arbeitende Schicht, die ein gewisses Einkommen hat, am Existenzminimum dahinkrebst und kein großes Bildungs-Know-how hat. Es muss gelingen, solchen Menschen das Gefühl ihrer Wertigkeit zu geben.

Sie lehnen den Begriff Charity ab. Warum?

Was heißt Charity? Wenn es damit zu tun hat, dass ich herumgehe und Spenden sammle, ohne dass jemand dafür fressen muss, dann ist das gut. Ich lehne diese Fressgeschichten ab, bei denen man für 300 Euro einen Tisch kauft und dort frisst, und dann gibt man noch eine Spende. Warum kann man nicht ohne Fressen eine Spende hergeben? Das mache ich doch auch. Vor Kurzem wollte mir jemand eine Ehrung geben. Warum sollte ich eine Ehrung für etwas entgegennehmen, weil ich mache, was für mich ein christliches Prinzip ist? Es werden zu Charitys für viel Geld Prominente eingeflogen. Und wenn die dort sind, kommen weitere.

Warum helfen Sie anderen? Fühlen Sie sich dann besser?

Nein, gut oder besser fühle ich mich, wenn ich einen herrlichen Wein trinke, wenn ich in den Wald gehe, Kunst anschaue, Musik höre, etwas Tolles esse oder mit meiner Lebensgefährtin kommuniziere. Es gibt viele furchtbare Geschichten. Ich habe gelernt, dass es keinen Sinn hat zu jammern oder Mitleid zu haben. Die einzige Frage, die man sich stellen sollte, ist: Was kann ich tun? Und dann entsprechend danach handeln. [ Fabry]

ZUR PERSON

August Schmölzer (*1958) stammt aus der Steiermark und machte zunächst eine Lehre als Koch, bevor er sich dem Beruf des Schauspielers zuwandte. Schmölzer ist dem Publikum unter anderem durch Film („Schindlers Liste“) und Fernsehen („Die Landärztin“) bekannt. 2005 gründete er „Gustl 58“, eine karitative „Initiative zur Herzensbildung“. Anfang März erschien sein erster Roman „Der Totengräber im Buchsbaum“ (Merlin Verlag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2014)

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