EU–USA: Im Trippelschritt zum Handelspakt

(c) REUTERS (YVES HERMAN)
  • Drucken

In Brüssel startet die mittlerweile sechste Verhandlungsrunde über das Freihandelsabkommen TTIP. Die großen Hürden dürften auch dieses Mal nicht genommen werden.

Brüssel. Eigentlich müsste es genau umgekehrt laufen: Mit jedem Verhandlungstag, den Vertreter Europas und der USA absolvieren, sollte der Abschluss des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) eigentlich näherrücken. Doch je länger verhandelt wird, desto schwieriger scheint es, auf einen grünen Zweig zu kommen. Beim gestrigen Auftakt der mittlerweile sechsten Gesprächsrunde über TTIP wollten die Chefunterhändler der beiden Seiten, Ignacio Garcia Bercero (EU) und Dan Mullaney (USA), gar keine Fragen beantworten – erst am Freitag wolle man über etwaige Fortschritte Bericht erstatten, hieß es.

TTIP ist für Europa und die Vereinigten Staaten aus zwei Gründen wichtig. Erstens wegen der zu erwartenden wirtschaftlichen Impulse – die EU-Kommission geht davon aus, dass das für 2015 anvisierte Abkommen die Wirtschaftsleistung der Union um einen halben Prozentpunkt bzw. 120 Mrd. Euro steigert, was europaweit ein Plus von 400.000 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Mindestens ebenso wichtig ist die politische Komponente des Deals: Vor allem die US-Regierung hofft, dass TTIP Standards im globalen Handel setzen wird, an die sich auch der aufstrebende Konkurrent China wird halten müssen.

Doch es ist auch die Politik, die dem Freihandelsabkommen gefährlich werden könnte – konkret die transatlantischen Verstimmungen zwischen Berlin und Washington im Zusammenhang mit den Spionageaktivitäten von NSA, CIA und Co. in Deutschland. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre CDU-Parteikollegen trotz Lauschangriffs auf ihr Handy an TTIP festhalten, hat Koalitionspartner SPD ernsthafte Bedenken. Justizminister Heiko Maas wies am Samstag in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf schwindende gesellschaftliche Zustimmung für den Pakt hin – was darauf hindeutet, dass die Sozialdemokraten TTIP nicht gegen massiven Widerstand in der deutschen Bevölkerung durchsetzen wollen. Und dieser Widerstand dürfte angesichts täglicher Enthüllungen stärker werden.

Abseits diverser Spionageaffären gibt es aber auch ernsthafte inhaltliche Probleme. Der mit Abstand größte Zankapfel sind sogenannte Investitionsschutzklauseln, die es Investoren ermöglichen, unliebsame Gesetze (etwa betreffend öffentliche Gesundheitsversorgung) vor einem Schiedsgericht anzufechten. Für die USA, die allein 2013 insgesamt 313 Mrd. Euro in der EU investiert haben, sind die Klauseln eine Conditio sine qua non. Nicht so in Europa, wo die Aushebelung der nationalen Gesetzgebung durch Konzerne befürchtet wird.

Verzichtbar und riskant

Angesichts des öffentlichen Drucks haben die EU-Verhandler die Verhandlungen über Schutzklauseln vorläufig ausgesetzt und wollen zunächst einmal die Einwände prüfen – eine zusätzliche Motivation war in dem Zusammenhang die ablehnende Haltung Deutschlands. Vergangene Woche sprachen sich die deutschen Bundesländer gegen die Klauseln aus: Für Streitschlichtung sei die nationale Gerichtsbarkeit ausreichend, spezielle Schutzvorschriften zwischen Europa und den USA seien „verzichtbar und mit hohen Risken“ verbunden – eine Position, die von Gewerkschaften auf beiden Seiten des Atlantiks geteilt wird. Die US-Gewerkschaft AFL-CIO und der europäische Dachverband ETUC forderten vor wenigen Tagen, dass über TTIP „im Sinne des öffentlichen Interesses, und nicht der Investoren“ verhandelt wird.

Das Abkommen wird zwar von der EU-Kommission verhandelt – am Ende müssen aber alle 28 EU-Regierungen und das EU-Parlament zustimmen. Ein Abschluss gegen die öffentliche Meinung dürfte also schwierig werden. Für den designierten Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker, hilft gegen Skepsis der EU-Bürger mehr Transparenz – also eine stärkere Einbindung der Öffentlichkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

An European Union flag flutters outside of the European Parliament in Brussels
Europa

Freihandel: US-Abkommen ohne Mehrheit

Das Europaparlament muss über den Vertrag mit den USA in Zukunft abstimmen. Derzeit zeichnet sich eine Ablehnung ab.
Kommentare

Von der Angst, über den Atlantik zu schauen

Warum ein Handelsabkommen der großen westlichen Blöcke sinnvoll sein könnte, obwohl es ein weiteres Stück Globalisierung bringt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.