Linkspartei: Hoffen auf den „österreichischen Lafontaine“

(c) GEOPA (Andreas Reichart)
  • Drucken

Im linken Lager wird von einer eigenen Partei und Kandidatur bei der Nationalratswahl geträumt. Unterstützung kommt aus der steirischen SPÖ.

GRAZ. Mangelndes Selbstbewusstsein und fehlenden Optimismus kann man Hermann Dworczak nicht vorwerfen. Der Mitinitiator des „Linksprojekts“ glaubt unerschütterlich an die Überlebensfähigkeit einer Linkspartei im österreichischen Parteienspektrum. „Unser Potenzial liegt bei zehn Prozent“, sagt er Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion in sehr überschaubarem Rahmen in Graz. Vorerst freilich wolle man nichts „übers Knie brechen“, vorerst bezeichne man sich auch (noch) nicht als „Partei, sondern als Projekt“. Ein solches sei aber „notwendig und möglich“, bleibt Dworczak optimistisch.

Für den steirischen Landesrat Kurt Flecker laufen derartige Visionen – auch wenn der Paradelinke der steirischen SPÖ offene Sympathien für seine ideologischen Blutsverwandten erkennen lässt – unter dem Titel „Realitätsverweigerung“: „Ihr seid in Wirklichkeit nicht organisiert“, bekrittelt er. Es fehle nicht nur an den notwendigen Parteistrukturen im Hintergrund, wie sie in Deutschland mit der PDS seit Beginn zu Verfügung stehen, sondern auch an einer schillernden und erfahrenen Persönlichkeit wie Oskar Lafontaine an der Spitze. Freilich sei es von Vorteil Leute mit Charisma zu haben, gibt Dworczak zu: „Es geht aber auch ohne“, ist er überzeugt. Man könne schließlich nicht warten. Und außerdem: „Wer sagt denn, dass in drei Jahren kein österreichische Lafontaine entstehen kann?“

Gewerkschafter im Visier

Als mögliches Rekrutierungsbiotop hat Dworczak die Gewerkschaften im Visier. „Zu glauben, dass angespeiste SPÖler wechseln, ist ein frommer Wunsch“, bremst Flecker die Zuversicht und steuert sie Richtung Ernüchterung. Er glaube nämlich nicht, dass es das linke Lager überhaupt bis zu einer eigenen Kandidatur schaffen werde.

Und wenn doch? „Wenn ihr meine Unterschrift für eine Kandidatur braucht, wird es daran nicht scheitern“, gibt sich Flecker als generöser Onkel aus dem Lager des großen Bruders SPÖ. Es sei ja durchaus gut, von links Druck zu bekommen, zumal sich eine mögliche Linkspartei am Wählermarkt aus Sicht von Flecker mit der FPÖ und dem BZÖ um Protestwähler matchen würde.

Er wünsche sich jedenfalls, „dass eine Linkspartei so viel Sexappeal entwickelt, um auch für die Jugend interessant zu sein“. Selbstkritischer Nachsatz: „Vielleicht schafft das ja auch die Sozialdemokratie einmal.“ Denn dass aktuell eine Krise der Linken insgesamt existiert, will der Steirer nicht dementieren. Gründe seien zum einen, dass die sozialdemokratischen Parteien Europas nicht zu einer gemeinsamen Strategie gefunden haben. Zum anderen, dass die SPÖ in einem System leben muss, „dass von einer nicht demokratischen rechten Macht gestrickt wurde“, wie er seine Kritik am Neoliberalismus verklausuliert. Er vermisse den Anspruch der Linken auf eine Systemänderung.

Dass deren Umsetzung leichter klingt als sie ist, weiß Flecker aus den realpolitischen Erfahrungen nach der letzten Nationalratswahl. Man wurde, nachdem die Mini-Chance einer Minderheitsregierung an der Verweigerung der Grünen gescheitert war, in eine Große Koalition „mit einer Retro-ÖVP hineingepresst“. Durch diese vorhersehbare Konstellation habe in Hinblick auf seine Umsetzbarkeit auch das Parteiprogramm eine „Weichspüler-Dosis“ verabreicht bekommen.

„Gewalt über die Herzen“

An der Linksaußen-Basis träumt man dagegen von einem „Austromarxismus, der die Gewalt über die Herzen gewinnen kann“, weiß aber, dass man eigentlich bei der Stunde Null steht. Diese Realitätsnähe seiner Genossen ist nichts für Optimisten wie Hermann Dworczak. „Wir sind nicht so schlecht aufgestellt“, findet er. Immerhin habe man für Demonstrationen gegen den „neoliberalen, militaristischen EU-Vertrag“ 5500 Menschen auf die Straße gebracht.

Im Herbst will man eine große linke Konferenz abhalten, bei der auch über eine Kandidatur bei der nächsten Nationalratswahl nachgedacht werden soll. Auch die Türen Richtung KPÖ stünden „sperrangelweit offen“ – wenn auch Dworczak den Slogan der Kommunisten „Wir sind die Alternative“ für „einen Holler“ hält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.