Deutsche Regierung stoppt Rüstungsdeal mit Russland

Archivbild: Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
Archivbild: Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar GabrielREUTERS
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Die deutsche Regierung untersagt Rheinmetall den Verkauf eines 100-Mio-Euro-Gefechtsübungszentrums. Russland droht mit einer Klage.

Die deutsche Regierung hat ein Rüstungsgeschäft der Firma Rheinmetall mit Russland gestoppt. Das Wirtschaftsministerium bestätigte am Montag, dass es die Genehmigung für den Verkauf eines Gefechtsübungszentrums (GÜZ) an das russische Heer widerrufen habe. Das Volumen des Rüstungsgeschäftes soll rund 100 Millionen Euro betragen. Russland erwägt eine Klage wegen Vertragsbruchs.

"Ich riskiere durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums an Russland, dass die militärische Expansion, dass die militärischen Auseinandersetzungen größer werden", sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag bei einem Unternehmensbesuch im brandenburgischen Wildau. "Das kann ich nicht verantworten", fügte der Minister hinzu. "Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben." Schon zuvor hatte sein Sprecher einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bestätigt, dass - im Lichte der EU-Sanktionen - "die Genehmigung zur Ausfuhr eines Gefechtsübungszentrums nach Russland widerrufen wurde". Die Entscheidung sei mit dem Kanzleramt abgestimmt, sagte Gabriel selbst am Montag in Berlin. Zu möglichen Schadensersatzforderungen der Firma Rheinmetall äußerte er sich nicht.

Ein russischer Behördenmitarbeier drohte Deutschland mit einer Schadenersatzklage, berichtet die Nachrichtenagentur Interfax. Die gestoppte Lieferung von Rheinmetall hätte etwa zehn Prozent des Zentrums ausgemacht. Die russische Rüstungsbranche sei in der Lage, die fehlenden Teile zu ersetzen. Vizeverteidigungsminister Juri Borissow betonte, die Absage werde den bereits für September geplanten Start des Zentrums in Mulino etwa 350 Kilometer östlich von Moskau nicht verzögern.

Rheinmetall zurückhaltend

Der Rüstungskonzern will von einem endgültigen Stopp dagegen nichts wissen. "Wir befinden uns mit der Bundesregierung im Gespräch zu diesem Thema", sagte ein Konzernsprecher am Montag. Ein im März mündlich erfolgter Widerruf der Regierung liege inzwischen auch schriftlich vor.

Rheinmetall-Chef Armin Papperger hatte im März keinen Grund zur Sorge gesehen. Der 100-Millionen-Auftrag sei fast abgearbeitet und beinahe vollständig bezahlt, hatte er auf der Bilanzpressekonferenz gesagt. Ein Konzernsprecher bekräftigte am Montag, dass Rheinmetall keine weiteren Rüstungsaufträge aus Russland vorliegen habe.

Deutschland geht mit dem Widerruf der Ausfuhrgenehmigung nun noch über die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland hinaus. Die EU hatte vergangene Woche ein Moratorium für Rüstungsgeschäfte beschlossen, aber auf Druck vor allem Frankreichs bereits vereinbarte Geschäfte davon ausgenommen. Deshalb ist es möglich, dass Rheinmetall nun auf Entschädigungszahlungen wegen des nun gestoppten Projekts dringen wird. Das Wirtschaftsministerium hatte vor zwei Wochen selbst eingeräumt, dass Regresszahlungen drohen könnten, wenn die Berliner Regierung über die EU-Sanktionen hinausgehen sollte. Bisher galt eine informelle Vereinbarung mit Rheinmetall, die noch ausstehenden Teile des Gefechtsübungszentrums nicht an Russland auszuliefern.

Das Gefechtsübungszentrum, das in der Stadt Mulino in der Wolga-Region erbaut und noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden sollte, war verschiedenen Medienberichten zufolge zur Ausbildung von Soldaten mit technisch hochentwickelten Simulationsinstrumenten vorgesehen. Pro Jahr hätten demnach bis zu 30.000 Soldaten in einer solchen Anlage ausgebildet werden können.

Die Annexion der Krim durch Russland und die anhaltenden Unruhen in der Ostukraine haben zu einer neuen Eiszeit in den Beziehungen Moskaus zum Westen geführt. Die Europäische Union und die USA verschärften in der vergangenen Woche ihre Sanktionen gegen Russland, darunter erstmals auch weitreichende Wirtschaftssanktionen. Betroffen sind auch Rüstungsexporte und -importe. Der Westen wirft Moskau vor, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen.

>> Bericht der "Süddeutschen Zeitung"

(APA/AFP/Reuters/dpa)

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