Ulrich Seidls neuer Film "Im Keller" feierte bei den Filmfestspielen in Venedig seine Premiere. Er löste unterschiedliche Reaktionen aus.
Ulrich Seidls Dokumentarfilm "Im Keller", der beim Filmfestival in Venedig außerhalb des Wettbewerbs präsentiert wurde, hat wie erwartet sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst (die "Presse"-Kritik lesen sie hier) Hier einige Pressestimmen zu dem österreichischen Film aus internationalen Medien:
Il Giornale: "Kruzifixe hängen immer noch an den Wänden in Seidls neuem Film 'Im Keller', er benützt sie jedenfalls nicht für obszöne Akte, wie im zweiten Kapitel 'Glauben' seiner Paradies-Trilogie. Ulrich Seidl, der vor zwei Jahren beim Filmfestival von Venedig der Blasphemie beschuldigt worden war, ist in die Lagune mit einem Film zurückgekehrt, der all die immer mehr beschränkten Themen des Seidl-Kinos enthält. 'Im Keller' ist eine Galerie von Menschen, die in grotesken Situationen gezeigt werden."
Coming Soon: "Wie ein Sprinter, der sich nicht zurückhalten kann und einen wilden Galopp loslegt, gibt Seidl seiner zynischen und sadistischen Natur nach. Nicht, weil er Sex in all seinen obszönen und sadomasochistischen und fetischistischen Varianten zeigt, sondern weil sich hinter der Allüre der kalten Objektivität und dem heuchlerischen Schutz des Dokumentarfilms eine perverse Genugtuung versteckt, die schwer annehmbar ist. (...) Seidl lässt uns leiden, doch wir haben davon weder Gefallen noch intellektuelle Anregungen."
Tagesspiegel: "Wie immer in Seidls Filmen inszenieren die Protagonisten sich selbst, zeigen sich so nackt, wie sie sich zeigen wollen, mit unverwandtem Blick in die Kamera. Aber es fragt sich, welchen Erkenntnisgewinn es bringt, neben dem Nazi im Hitler- und Hakenkreuz-Devotionalienkeller etwa eine Prostituierte im winzigen Käfig eingepfercht zu sehen. Alles Freaks oder wie? Seidls Horrorfilm haftet etwas Berechnendes an. Einzig die Einsamkeit jener Frau, die Babypuppen aus Schachteln hervorkramt und in ihren Armen wiegt, geht einem nicht aus dem Kopf." Stuttgarter Nachrichten: "Der Reiz besteht für ihn darin, Welten und Lebensentwürfe zu entdecken, die einem sonst eher verborgen bleiben. Allerdings verliert sich Seidl zunehmend, wenn er in der zweiten Filmhälfte gleich mehrere Sado-Maso-Fans porträtiert. Mit 'Im Keller' tritt der Regisseur künstlerisch doch etwas auf der Stelle." Hollywood Reporter: "Der Dokumentarfilm 'Im Keller' wird mit seiner Galerie von übergewichtigen und nackten Körpern, die in unbeschreibbaren Akten beschäftigt sind, Seidls Fans nicht enttäuschen. Man zweifelt jedoch, ob all diese Tableaus wirklich aus dem Leben genommen sind, oder ob sich der Autor ein wenig künstlerische Freiheit genommen hat."
Am Samstagabend wurden beim Filmfestival in Venedig die begehrten Filmpreise vergeben. Der Hauptpreis, der Goldene Löwe ging an den schwedischen Film "A Pigeon sat on a branch reflecting on existence" von Roy Andersson.Text: Mirjam Schimmerl, mtp. (c) APA/EPA/CLAUDIO ONORATI (CLAUDIO ONORATI)
Der 71-jährige Schwede hat seit 1967 mehr als 400 Werbeclips gedreht, aber nur fünf Langfilme.Im Original heißt der prämierte Film übrigens "En duva satt på en gren och funderade på tillvaron". Der Film ist der dritte Teil einer Trilogie und folgt auf “Songs of the Second Floor” (2000) und “You, the Living” (2007). (c) REUTERS (TONY GENTILE)
Der Titel spielt auf das Gemälde “Die Jäger im Schnee” von Peter Brueghel an. Zwei Geschäftsleute, die mit Raritäten handeln, stehen im Mittelpunkt des Films, dessen vage Inhaltsangabe eine Reise durch die menschliche Existenz ankündigt.
Der Hauptpreis der Jury ging an die Dokumentation "The look of silence" von Joshua Oppenheimer.In dieser Dokumentation rückt der amerikanische Filmemacher das Schicksal der Angehörigen eines Mannes in den Mittelpunkt, der bei den Massakern in Indonesien ermordet worden war. (c) REUTERS (TONY GENTILE)
Der Bruder des Opfers hat es sich zum Ziel gemacht, jeden einzelnen Mitverantwortlichen mit ihren Verbrechen zu konfrontieren und sie zum Nachdenken zu bewegen.
Der Silberne Löwe für die beste Regie ging an den Russen Andrej Kontschalowski für "The Postman's white nights".Der Film, der im Original "Belye Nochi Pochtalona Alekseya Tryapitsyna" heißt, handelt von einem abgeschiedenen Dorf in Russland. Die einzige Verbindung zur Außenwelt ist der Postmann Alexei, der jedoch eines Tages beschließt, in die Stadt zu ziehen. Die Rollen werden von Laiendarsteller gespielt, die alle aus einer ähnlichen Umgebung stammen.
Den Spezialpreis der Jury gewann der Film "Sivas" von Kaan Müjdeci (Türkei, Deutschland).Der Inhalt des Films: Der elfjährige Aslan wächst in einem osttürkischen Dorf auf. Sein Leben verändert sich, als er einen verwundeten Hund vor dem sicheren Tod rettet und zu sich nimmt. Die Freundschaft, die dabei entsteht, lässt ihn selbstbewusster werden.
Saverio Constanzos Streifen "Hungry Hearts" (Italien) wurde auch prämiert: Adam Driver und Alba Rohrwacher wurden als beste Schauspieler bzw. als beste Schauspielerin ausgzeichnet. Sie spielen im Beziehungsdrama junge Eltern, deren unterschiedliche Vorstellungen von Kindererziehung sie auf eine harte Probe stellen.
Das Drama "Ghesseha" (Iran) gewann ebenfalls einen Preis, nämlich jenen für das beste Drehbuch.Im Film von Rakhshan Banietemad ist Liebe das zentrale Motiv, das die Geschichten der verschiedenen, vor allem weiblichen Charaktere verbindet. So unterschiedlich ihre Herkunft und Erwartungen auch sind, sie alle kämpfen jeden Tag, um den Menschen, die sie lieben, eine bessere Welt zu ermöglichen.
Bei den diesjährigen Filmfestspielen war kein österreichischer Film im offiziellen Wettbewerb vertreten. Dafür feierte Ulrich Seidls Dokumentarfilm "Im Keller" seine Premiere.Es folgen weitere Wettbewerbsfilme, die in Venedig nicht prämiert wurden: (c) APA/EPA/ETTORE FERRARI (ETTORE FERRARI)
von Alejandro González Iñárritu (USA) Eine Tragikomödie eröffnete das diesjährige Filmfestival Venedig. Michael Keaton spielt darin einen gealterten Filmschauspieler, der versucht an seine früheren Erfolge als Action-Held "Birdman" anzuschließen. In weiteren Rollen sind Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts und Edward Norton zu sehen. (c) Alison Rosa
von Fatih Akin (Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Kanada, Polen, Türkei) Der deutsch-türkische Regisseur ging mit einer Auseinandersetzung mit dem armenischen Genozid in den Wettbewerb: der Armenier Nazareth Manoogian wird mit den anderen armenischen Bewohnern seines Dorfes verschleppt und von seiner Familie getrennt. Er überlebt den Völkermord und macht sich auf die Suche nach seinen Töchtern, die ihn um die ganze Welt führt. Tahar Rahim, bekannt aus "Un prophète" übernimmt die Hauptrolle. (c) GORDON MUEHLE, +49172-3006031
von Ramin Bahrani (USA) "Spiderman"-Star Andrew Garfield kämpft als Familienvater darum, sein Zuhause zurückzubekommen. Er beginnt, für die Baufirma zu arbeiten, die ihn und seine Familie aus ihren Haus geworfen hat und wird in illegale Machenschaften verwickelt. Michael Shannon gibt den Bösewicht. (c) Hooman Bahrani
von Xavier Beauvois (Frankreich, Belgien, Schweiz) Beruhend auf einer wahren Begebenheit, erzählt der Film die misslungene Entführung des Leichnams von Charlie Chaplin. Als dieser 1977 in der Schweiz starb, wurde der Sarg mit dem toten Chaplin entführt und Lösegeld von den Hinterbliebenen gefordert. Neben Benoît Poelvoorde und Roschdy Zem in den Hauptrollen, ist auch Chaplin- Enkelin Dolores zu sehen. Der Titel heißt übersetzt so viel wie "Der Preis des Ruhms".
von Alix Delaporte (Frankreich) Als Victor in die Welt der Oper von Montpellier eintritt, weiß er noch nicht, dass der Mann, der dort die 6. Symphonie von Mahler dirigiert, sein Vater ist. Der Titel lässt sich mit ''Der letzte Schlag des Hammers'' übersetzten. (c) Photographer:JEAN-CLAUDE LOTHER
von Abel Ferrara (Frankreich, Belgien, Italien)Die Handlung des Films ist ein einziger Tag: Der 2. November 1975. In der Nacht wird der berühmte Regisseur Pier Paolo Pasolini ermordet und am nächsten Tag am Strand von Ostia tot aufgefunden. Die Hintergründe des Mordes sind bis zum heutigen Tag nicht eindeutig geklärt. Mit William Dafoe in der Hauptrolle, rekonstruiert Regisseur Ferrara den letzten Tag aus dem Leben dieser schillernden Persönlichkeit.
Von David Gordon Green (USA) Al Pacino spielt einen trauernden Witwer in einer texanischen Kleinstadt, der lernen muss, Vergangenes hinter sich zu lassen und sich der Gegenwart zu öffnen. In weiteren Rollen sind Holly Hunter und Chris Messina zu sehen.
von Benoît Jacquot (Frankreich) Gestrandet in der französischen Provinz, lernt Marc Sylvie (gespielt von Charlotte Gainsbourg) kennen. Ein vereinbartes Treffen in Paris kann Marc jedoch nicht einhalten und als er auf der Suche nach Sylvie die Bekanntschaft von Sophie macht, ahnt er noch nicht, dass es sich dabei um Sylvies Schwester handelt. Das Spiel der "drei Herzen" wird kompliziert ... Chiara Mastroianni spielt Sophie, Catherine Deneuve ist ebenfalls zu sehen. (c) THIERRY VALLETOUX
von Mario Martone (Italien) Martone verfilmte das Leben und Sterben des "wundersamen Jungens", des italienischen Dichters und Wunderkindes Giacomo Leopardi, der im Italien 19. Jahrhundert als Dichter und Essayist wirkte.
von Francesco Munzi (Italien, Frankreich) Das verwobene Schicksal dreier Brüder Luigi, Rocco und Luciano aus Kalabrien steht im Zentrum des Films. Die Mafia regiert den Alltag der Menschen und hinterlässt der jungen Generation nichts als Hass und Perspektivenlosigkeit. Während Luigi und Rocco Karriere machen, muss Luciano sich um seinen Sohn kümmern, der immer weiter in die Welt der organisierten Kriminalität abrutscht. (c) francesca casciarri
von Andrew Niccol (USA) Ethan Hawke spielt einen Kampfpilot, der Drohnen über Irak und Afghanistan steuert. Sein eigenes Leben und das seiner Familie geraten dabei zunehmend aus den Fugen. Zoё Kravitz und January Jones sind in weiteren Rollen zu sehen. (c) Lorey Sebastian
Loin des hommes von David Oelhoffen (Frankreich) "Abseits der Menschen", so der Titel übersetzt, inmitten des algerischen Krieges fliehen zwei Männer über das Atlasgebirge, um ihr Leben zu retten. Sie könnten verschiedener nicht sein, doch es ist ihr Kampf ums Überleben, der sie vereint. Viggo Mortensen und Reda Kateb ("Zero Dark Thirty") übernehmen die beiden Hauptrollen.
von Shinya Tsukamoto (Japan) Auf den Philippinen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs irrt ein Tuberkulose kranker Soldat in der Wildnis und den umliegenden Dörfern herum. Die desolaten Umstände und der nahende Tod drängen ihn zum Äußersten. (c) M-Temma
von Wang Xiaoshuai (China) Der geregelte Alltag einer Witwe gerät aus den Fugen, als sie anonyme Anrufe bekommt. Auch der Geist ihres verstorbenen Mannes kann ihr da nicht weiterhelfen.
Die Filmfestspiele von Venedig bestachen heuer durch leise Töne. Die letzten Tage am Lido zeigten, dass das Thema »A Boy And His Dog« noch nicht verbraucht ist.
Verschwitzte Luft in Larry Clarks "The Smell Of Us", Verwesung in Tsukamotos Extremkörperkino, Raubtierkapitalismus in Ramin Bahranis "99 Homes": Die Filmauswahl am Lido ist heuer frecher als in den Vorjahren.
Der Skandalregisseur präsentierte beim Filmfestival Venedig "Nymphomaniac II". Frances McDormand stellte am Lido "Olive Kitteridge", eine TV-Serie mit Bill Murray vor.
Bis 6. September konkurrieren 20 Beiträge um den Goldenen Löwen. Am Freitag feiert Ulrich Seidls Film "Im Keller", der nicht im Wettbewerb vertreten ist, Premiere.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.