Regierung: „Wie in der katholischen Kirche“

MINSISTERRAT: MITTERLEHNER
MINSISTERRAT: MITTERLEHNER(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Vizekanzler Reinhold Mitterlehner versprüht Aufbruchstimmung – bittet aber um Geduld, wenn es um die Ergebnisse von Reformprozessen geht.

Wien. Für Bundeskanzler Werner Faymann ist die Situation nicht neu: Wieder einmal tritt er mit einem neuen Vizekanzler nach dem Ministerrat vor die Medienvertreter. Reinhold Mitterlehner ist nach Josef Pröll und Michael Spindelegger schon der dritte ÖVP-Chef in seiner Amtszeit. Und wieder einmal wird versucht, Aufbruchstimmung und einen Neustart der Regierungsarbeit zu signalisieren.

Diesmal ist es Mitterlehner, der den Willen zu Reformen kundmacht. Wobei: Mit irgendwelchen konkreten Vorschlägen oder gar Ergebnissen kann der ÖVP-Chef dabei nicht aufwarten. Das Drängen nach Inhalten hält er zwar für verständlich, bittet aber gleichzeitig um Verständnis, dass der neue Stil erst mittelfristig Wirkung zeigen werde.

„Nehmen Sie einmal die römisch-katholische Kirche“, so der Vizekanzler wörtlich, auch dort seien gravierende Veränderungen im Gange, sichtbar vor allem an dem Stil, den der Papst eingebracht habe. „Aber haben Sie irgendwo schon die konkreten Ergebnisse ausmachen können? Aber der Prozess läuft.“ Freilich vergleiche sich die Regierung mitnichten mit der Kirche, beeilte sich Mitterlehner hinzuzufügen. Er glaube aber, „dass wir den neuen bürgerorientierten Stil in der Regierung umsetzen können“.

Klar ist jedenfalls, dass neben der Steuerreform der Bildungsbereich einen wesentlichen Schwerpunkt bilden wird. Mitterlehner verweist darauf, dass er Experten angeheuert und auch in der eigenen Partei die Denkkultur aufgewirbelt habe. Er gehe nun daran, den „Denkprozess und den Lösungsprozess“ zu ändern. „Wir agieren nicht aus der Sicht der Lehrer, sondern aus der Sicht des Kindes“, sagte der ÖVP-Obmann.

Gesamtschule keine „Gretchenfrage“

Und das umstrittene Thema Gesamtschule? Die Frage nach dem Schultyp ist nicht die Gretchenfrage, sondern jene nach besserer Lesekompetenz und nach mehr Kosteneffizienz. „Sind Sie für den Schultyp, dann sind Sie modern, sind Sie nicht für ihn, dann sind Sie nicht modern“ – so wolle er nicht diskutieren, sehr wohl aber die zum Teil kritischen Erfahrungen mit der Neuen Mittelschule einbeziehen. Bundeskanzler Werner Faymann mischt sich in den ÖVP-internen Entscheidungsprozess um die Schulreform nicht ein, sondern konzentriert sich – ganz Staatsmann – auf außenpolitische Fragen, konkret auf die Krisensituation in der Ukraine. Faymann verwies auf die Position der Ukraine als souveräner Staat: „Es ist nicht akzeptabel, dass ein Nachbar hier mit Soldaten und Kriegsgerät aktiv wird. Das ist als eine Aggression Russlands gegenüber einem Nachbarland zu werten. Hier müsse politischer Druck ausgeübt werden, verteidigte Faymann die Sanktionen der EU gegen Russland. Und wandte sich gleichzeitig gegen jedes militärische Eingreifen.

Sanktionen kein Problem?

Dass die Sanktionen und die Reaktion Russlands zu einem Problem für die Wirtschaft in Österreich werden, will der Bundeskanzler relativieren: Lediglich fünf Prozent der Ein- und Ausfuhren seien von den Sanktionen betroffen. Und der Handel mit Russland mache wiederum nur 2,8 Prozent des österreichischen Außenhandels aus. Das Problem seien nicht die Sanktionen, sondern der Krieg, der Investoren abschrecke. Wie der Wirtschaft dabei geholfen werden kann, will die Regierungsspitze am Mittwoch in einem Gipfel mit den Sozialpartnern besprechen.

AUF EINEN BLICK

Regierung. Der neue ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner kündigt Reformen an, kann aber noch keine konkreten Vorschläge oder Ergebnisse vorlegen. Das sei wie in der Kirche, sagt der ÖVP-Chef. Auch da sei der Reformprozess in Gang gesetzt, Ergebnisse gebe es aber noch keine. Ein Schwerpunkt wird Bildung sein, bei der die ÖVP von der Diskussion über die Gesamtschule wegkommen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2014)

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