Nur eine Plage? Die Ratten von Paris

Making of 'Ratatouille'
Making of 'Ratatouille'(c) ORF
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Knapp sechs Millionen Ratten bevölkern angeblich die Innenstadt von Paris. Besonders im Park der Tuilerien sind sie mittlerweile zur Attraktion geworden.

Paris. In der Pariser Innenstadt leben knapp zwei Millionen Menschen – und rund dreimal so viele Ratten. Und das ist noch eine vorsichtige Schätzung, sagt die auf Schädlingsbekämpfung spezialisierte Firma Avipur. Ihr geht jedenfalls die Arbeit in der französischen Hauptstadt so schnell nicht aus. Im Gegenteil: Täglich kommen Anrufe. In allen Quartieren breitet sich die Rattenplage aus.

Wie in anderen Großstädten ist auch in Paris der Krieg gegen die Nager auch mit Gift und Fallen nicht zu gewinnen. Die Ratten haben das Labyrinth in den unterirdischen Kanälen, Katakomben und den Kellern längst für sich erobert. Auch in den Metrostationen sieht man sie vor allem frühmorgens oder zu später Stunde ohne Scheu über die Gleise huschen. Angst haben eher die angewiderten Passagiere auf dem Bahnsteig. Denn die Ratten sind ein Symbol für Armut und gelten als Träger gefährlicher Seuchen.

Der Park der Tuilerien zwischen dem Louvre-Museum und der Place de la Concorde im Zentrum von Paris ist ein sehr beliebter Ort für eine Mittagspause oder ein Picknick am frühen Abend mit fröhlichem Zusammensein bis in die späten Stunden. Denn im Unterschied zu anderen öffentlichen Gartenanlagen sind diese frei und rund um die Uhr zugänglich. Diese Freiheit wissen nun aber auch die Ratten zu schätzen. Denn die Touristen und die einheimischen Besucher, die sich hier entspannen und sonnenbaden, kommen meist mit Proviant.

Die Tauben bleiben fern

Pflichtbewusst würden ja die allermeisten die Reste und Verpackung ihrer Verpflegung bestimmt in einem öffentlichen Mistkübel deponieren. Doch die dafür vorgesehenen Einrichtungen sind vor allem im Sommer schnell einmal hoffnungslos überfüllt – zur großen Freude der Feinschmecker unter den Nagetieren. Diese scheinen jede Scheu vor diesen derart großzügig Nahrung verteilenden Menschen abgelegt zu haben.

Während nach wie vor viele mit unverhohlenem Ekel mit dem Finger auf die Ratten zeigen, die sich in unmittelbarer Nähe an schmackhaften Resten gütlich tun und die Zweibeiner dabei beobachten oder in ganzen Gruppen den Hecken entlang huschen wie bei einem Spiel, schauen andere Leute diesem Treiben amüsiert zu. Die Anwesenheit der Ratten in so großer Zahl scheint sie nicht mehr zu schockieren als die ebenso zahlreichen Eichhörnchen in den Parks von New York.

Besonders die Kinder haben offenbar wenig Vorurteile. Oft nähern sie sich den Ratten, und am liebsten würden sie diese wohl noch füttern wie die Tauben, die übrigens ihrerseits durch diese Konkurrenz in den Tuilerien weitgehend verschwunden sind. Die Ratten sind bereits ein Fotosujet für die Touristen, und sie posieren bereitwillig in großer Zahl. Einige ausländische Gäste fragen neugierig, um welche Säugetiere es sich da handle, und sind unangenehm überrascht von der Antwort.

Für die meisten wird diese Begegnung nicht die schönste Urlaubserinnerung sein, die sie aus Paris mit nach Hause bringen wollen. Entsprechend zirkuliert das Thema der Pariser Ratten auch schon im Internet, und das ist wahrscheinlich nicht die beste Fremdenverkehrswerbung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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