„Was wir sehen, sind die Überlebenden“

Kofola
Kofola(c) Wikipedia
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Osteuropa bringt auch ohne „Hilfe“ aus dem Westen starke Firmen hervor. Über die alte Mauer schaffen es wenige.

Wien. Rasch wachsende Unternehmen aus den Schwellenländern erobern die Welt. Elektronikfirmen aus Südostasien wie Samsung, Lenovo oder LG sind auch hierzulande längst keine Exoten mehr. Aber wo bleiben die starken Marken aus den Schwellenländern vor unserer Haustüre? Wo bleiben die jungen Herausforderer aus Osteuropa?

Es stimmt schon, den Boom der 2000er-Jahre hat die Region endgültig hinter sich gelassen. Aber auch wenn sich viele westliche Unternehmen langsam zurückziehen, hinterlassen sie in Osteuropa keine wirtschaftliche Steppe. Denn in den 25 Jahren seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind auch hier einige überraschend erfolgreiche Unternehmen herangewachsen. Einige ihrer Namen klingen bekannt: Der russische Antivirenspezialist Kaspersky schafft es ebenso in die hiesigen Schlagzeilen wie der slowenische Haushaltsgerätehersteller Gorenje oder die russische Suchmaschine Yandex. Aber die meisten der „Local Heroes“ sind westlich der alten Mauer gänzlich unbekannt.

„Zu Unrecht“, sagt Arnold Schuh, Leiter des Kompetenzzentrums Mittel- und Osteuropa an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Die Firmen aus dem Osten sind stärker als man denkt.“ Gemeinsam mit seinen Studenten hat der Ökonom die Platzhirsche der Region näher unter die Lupe genommen.

Banken, Versicherungen, Energiekonzerne und Unternehmen im staatsnahen Bereich wurden ausgeklammert – „da gelten andere Gesetze“, erklärt der Wissenschaftler. Übrig blieben 48 Unternehmen, die allesamt in Osteuropa gegründet wurden, in lokalem Besitz verblieben und auch international höchst erfolgreich sind.

Vom Schmuggler zum Marktführer

Eines haben diese Firmen fast alle gemeinsam: Sie waren deutlich vor der Konkurrenz aus dem Westen im Land. Auch, weil diese oft lange Zeit verboten war. So konnte sich etwa Kofola, die tschechoslowakische Variante von Coca-Cola und Pepsi schon in den 1960er-Jahren etablieren, als die amerikanischen Softdrinks nicht in den damaligen Ostblock geliefert werden durften. Heute lebt die Marke von der Nostalgie vieler Tschechen, Slowaken und Polen immer noch gut.

Die jahrzehntelange wirtschaftliche Isolation der Länder hat aber auch das eine oder andere heute erfolgreiche Geschäftsmodell erst möglich gemacht, erzählt Schuh. So hat etwa der Gründer von Inter Cars vor der Wende sein Geld damit verdient, Ersatzteile für die Mercedes-Karossen der Parteibonzen aus dem Westen nach Polen zu schmuggeln. Nach dem Fall der Mauer hatte er die richtigen Kontakte im Westen und baute ein Autoersatzteil-Imperium auf, das heute ein Viertel des polnischen Markts beherrscht und in 14 weiteren Ländern tätig ist.

Ernsthafte Konkurrenten zu den westlichen Firmen, die ab Anfang der 1990er nach Osteuropa drängten, waren die „Local Heroes“ von heute nicht. Dafür haben die Neuankömmlinge gesorgt. „Viele der stärksten Unternehmen in Osteuropa wurden sofort aufgekauft“, sagt Schuh. „Was wir heute sehen, sind die Überlebenden.“

Anders als vergleichbare Unternehmen aus Asien oder Lateinamerika schafften sie den Sprung in den Westen bisher selten. Den Grund dafür ortet Schuh vor allem in der Geschichte: 25 Jahre ökonomische Freiheit sind kürzer als man denkt. „Es ist schwer, gegen Firmen zu bestehen, die im Kapitalismus erfahren sind, wenn man aus der Planwirtschaft kommt.“ Zudem seien die Heimmärkte, in denen die „Local Heroes“ wachsen können, viel kleiner als etwa in Südostasien. „Wenn ich Marktführer in Kroatien bin, sind das trotzdem nur 4,5 Millionen Menschen. Aus globaler Sicht sind das alles Minimärkte.“ Erst wenn die Märkte in Südosteuropa zusammenwachsen, sei die Region wieder wirklich interessant. Dann würden auch internationale Konzerne wieder investieren.

Den leisen Abschied der Österreicher aus Osteuropa sieht Schuh dennoch kritisch: „Die Region wird es noch in hundert Jahren um uns geben, wir können nicht wegschauen.“ Vor allem Firmen aus der Dienstleistungsbranche hätten keine Alternativen: „Die Uniqa wird kaum nach Indien gehen und die Erste Bank nicht nach Nordafrika.“

GROW EAST CONGRESS

Am 23. Oktober 2014 veranstalten WU-Professor Arnold Schuh und der Berater Manfred Berger den sechsten Grow East Congress an der Wirtschaftsuniversität Wien. Thema der Veranstaltung ist heuer „Local Heroes vs. Global Giants: Lessons from a Challenging Competitive Landscape in Central & Eastern Europe“. „Die Presse“ ist Medienpartner.
Die Teilnehmeranzahl ist auf 200 beschränkt. Nähere Infos zur Anmeldung gibt es im Internet unter: www.groweast.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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