Gexi und Anna Tostmann: Platzhirsch am Dirndlmarkt

(c) Die Presse (TeresaZötl)
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Das Mutter-Tochter-Gespann über sein Traditionsverständnis, Weiblichkeit als Erfolgsrezept und Attersee-Idylle versus Wiener Schickeria.

Selbst Design-Ikone Vivienne Westwood ist ein Dirndl-Fan: „Würde jede Dame ein solches Kleid tragen, so gäbe es keine Hässlichkeit mehr“, lobte die schrille Britin bei einem Aussee-Besuch 2001. Die Familie Tostmann hat sich seit drei Generationen der Tradition des Trachtenkleids verschrieben und seine Fertigung perfektioniert. Liebster Laufsteg: die Trachtenbälle der Saison. Ein Tostmann-Dirndl ist so was wie der Rolls Royce unter den Schürzengewändern: ein Klassiker, nur auf den ersten Blick konservativ und jedenfalls ein Modell für die Ewigkeit.

„Wir sind schon sehr klassisch, aber ohne stehen zu bleiben“, lautet die Selbsteinschätzung von Anna Tostmann. „Ein mittelalterlicher Betrieb, aber sehr fortschrittlich“, drückt es Gexi aus, „sehr mobil, sehr flexibel und individuell.“ Die Mutter-Tochter-Kombi funktioniert „erstaunlich gut“, sagt die 66-jährige Grande Dame der Trachtenbranche, die eigentlich Gesine heißt und „nur am Papier“ in Pension ist. Seit 2004 geht Anna, die 33-jährige Juristin, komplett in der mütterlichen Firma auf. „Ich hab schon gedacht, sie kommt mir abhanden, weil sie so eine leidenschaftliche Juristin ist, hätte sie aber nie gedrängt, hier voll einzusteigen“, ist Mutter Gexi froh. Schließlich gilt es, die Familientradition, die 1949 begann, weiterzuführen.

Regional statt global

Ein Handwebstuhl, eine Nähmaschine und Marlen Tostmanns Liebe zu Trachten standen am Beginn der Dirndl-Dynastie in Seewalchen am Attersee. Begeisterte Sommerfrischler überzeugten Gexis Mutter – eine Schülerin der Wiener Werkstätten – samt Ehemann Jochen 1957 davon, in die Bundeshauptstadt zu expandieren. Heuer 60 Jahre alt, wurde aus dem zweiköpfigen Unternehmen eine Manufaktur mit 70 Mitarbeitern am Produktionsstandort in Oberösterreich, 30 in Wien. Eine Art große Familie: „Viele kennen mich, seit ich ein Kind bin“, strahlt Anna. Nur drei davon sind übrigens Männer, sagt Gexi: „Ich arbeite lieber mit Frauen. Männer sind immer auf Eroberung und Konkurrenz aus. Uns geht es ums Zusammenhalten.“ Diskutiert man auch über Details in Sachen Design, so sind sich die Damen in den grundlegenden Dingen einig: „Wir wollen beide nicht vergrößern, sondern klein und exklusiv bleiben“ und „Es ist schön, ruhig schlafen zu können in Zeiten wie diesen“ klingt es unisono.

Tostmann Trachten sind in Handarbeit gefertigt und nur im ausgesuchten Fachhandel zu kriegen. Einzelbestellungen trudeln übers Internet aus aller Welt ein, etwa aus Japan. Touristen reisen sogar extra ins beschauliche Seewalchen, um die Tradition zu erspüren. „Die Philosophie ist wahnsinnig wichtig“, betont Gexi, die schon in den 1980ern mit interkulturellen Modeschauen das angestaubte Image der Tracht aufpolierte. Die Völkerkundlerin promovierte über die „Wechselwirkung von Tracht und Mode in Österreich“ und lebt bis heute diese Passion: „Ich fühle mich missionarisch“, lächelt sie, und nur die Nachwehen des Jägerballs halten sie davon ab, sich jetzt über Folklore-Klischees in Rage zu reden.

Die ländliche Idylle am Attersee und die weltstädtische Society an der Donau begeistern die Tostmanns gleichermaßen. Aus dem Wechselspiel tanken sie Kraft und Inspiration. „Reich wird man in unserer Nische nicht“, zucken die beiden mit den Schultern, „bestimmt lachen uns viele aus, aber wir haben so große Freude daran. Das ist die Basis des Erfolgs.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2009)

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