1989: Eine Nacht lang waren die Deutschen das glücklichste Volk
Vor 25 Jahren fiel die Mauer, Schüsse fielen nicht.
!["Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab. Doch heute Abend darf man einen riskieren: Dieser neunte November ist ein historischer Tag", kommentierte die ARD in den Abendnachrichten des 9. November 1989. Und sie durfte es getrost "riskieren", denn der Tag ging als Jahrhundertereignis in die Geschichte Europas ein.](https://img.diepresse.com/public/incoming/b18x2o-m3_141459187885278.jpg/alternates/FREE_1200/m3_141459187885278.jpg)
"Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab. Doch heute Abend darf man einen riskieren: Dieser neunte November ist ein historischer Tag", kommentierte die ARD in den Abendnachrichten des 9. November 1989. Und sie durfte es getrost "riskieren", denn der Tag ging als Jahrhundertereignis in die Geschichte Europas ein.
(c) REUTERS (� Reuters Photographer / Reuter)
![9. November, 18.53 Uhr: Es ist eigentlich eine routinemäßige Pressekonferenz, doch als Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, über ein neues Reisegesetz berichtet, trauen die anwesenden Journalisten ihren Ohren nicht: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden. (...) Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen." Auf die Nachfrage eines italienischen Journalisten, wann die Regelung in Kraft treten soll, antwortet Schabowski zögerlich: "Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich!"Eigentlich sollte die Regelung erst am Folgetag in Kraft treten - Schabowski habe sie aus Versehen schon für diesen Tag verkündet, heißt es später, was dieser aber bestreitet.](https://img.diepresse.com/public/incoming/3qy09j-launchy-view-131296509192120110810103211.jpg/alternates/FREE_1200/launchy-view-131296509192120110810103211.jpg)
9. November, 18.53 Uhr: Es ist eigentlich eine routinemäßige Pressekonferenz, doch als Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, über ein neues Reisegesetz berichtet, trauen die anwesenden Journalisten ihren Ohren nicht: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden. (...) Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen." Auf die Nachfrage eines italienischen Journalisten, wann die Regelung in Kraft treten soll, antwortet Schabowski zögerlich: "Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich!"Eigentlich sollte die Regelung erst am Folgetag in Kraft treten - Schabowski habe sie aus Versehen schon für diesen Tag verkündet, heißt es später, was dieser aber bestreitet.
(c) EPA
![Internationale Nachrichtenagenturen melden gegen 19 Uhr: "DDR öffnet Grenze." Am Rande eines Staatsbanketts in Warschau erfährt BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl gegen 21:30 Uhr von den Ereignissen in Ost-Berlin. Die Meldung überrumpelt auch die Regierungen in Washington, London und Paris.](https://img.diepresse.com/public/incoming/fmqlzz-m10_1414591877196755.jpg/alternates/FREE_1200/m10_1414591877196755.jpg)
Internationale Nachrichtenagenturen melden gegen 19 Uhr: "DDR öffnet Grenze." Am Rande eines Staatsbanketts in Warschau erfährt BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl gegen 21:30 Uhr von den Ereignissen in Ost-Berlin. Die Meldung überrumpelt auch die Regierungen in Washington, London und Paris.
(c) imago/Rolf Z�llner (imago stock&people)
![Bald nach Schabowskis live im TV übertragener Pressekonferenz strömen tausende Menschen an die Grenzübergänge des "Arbeiter- und Bauernstaats". Die Grenzwächter sind von der Staatsführung nicht instruiert worden. An der Bornholmer Straße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg werden gegen 23:30 Uhr unter dem Druck der Menschenmassen die Schlagbäume gehoben: "Wir fluten jetzt", meldet der Leiter der Kontrollstelle. Auch an den anderen Berliner und innerdeutschen Grenzübergängen stellen die überforderten Beamten die Kontrollen ein.](https://img.diepresse.com/public/incoming/dbocpp-launchy-view-1312793940841.jpg/alternates/FREE_1200/launchy-view-1312793940841.jpg)
Bald nach Schabowskis live im TV übertragener Pressekonferenz strömen tausende Menschen an die Grenzübergänge des "Arbeiter- und Bauernstaats". Die Grenzwächter sind von der Staatsführung nicht instruiert worden. An der Bornholmer Straße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg werden gegen 23:30 Uhr unter dem Druck der Menschenmassen die Schlagbäume gehoben: "Wir fluten jetzt", meldet der Leiter der Kontrollstelle. Auch an den anderen Berliner und innerdeutschen Grenzübergängen stellen die überforderten Beamten die Kontrollen ein.
(c) EPA (STR)
![Ein nächtlicher Freudentaumel erfasst West-Berlin. Zehntausende DDR-Bürger werden mit Applaus empfangen, wildfremde Menschen aus Ost und West liegen sich in den Armen.](https://img.diepresse.com/public/incoming/554w74-m5_1414591879319659.jpg/alternates/FREE_1200/m5_1414591879319659.jpg)
Ein nächtlicher Freudentaumel erfasst West-Berlin. Zehntausende DDR-Bürger werden mit Applaus empfangen, wildfremde Menschen aus Ost und West liegen sich in den Armen.
(c) REUTERS (� Fabrizio Bensch / Reuters)
![Am zugemauerten Brandenburger Tor durchbrechen tausende Menschen die Absperrungen und tanzen auf der Mauer. Erst ab 3.30 Uhr riegeln Beamte aus Ost und West den Zugang wieder ab.](https://img.diepresse.com/public/incoming/15r7d6-m7_1414591879612469.jpg/alternates/FREE_1200/m7_1414591879612469.jpg)
Am zugemauerten Brandenburger Tor durchbrechen tausende Menschen die Absperrungen und tanzen auf der Mauer. Erst ab 3.30 Uhr riegeln Beamte aus Ost und West den Zugang wieder ab.
(c) REUTERS (� Fabrizio Bensch / Reuters)
![An mehreren Stellen des Grenzwalls beginnen Menschen unter "Die Mauer muss weg"-Rufen, diesem Ziel mit Hämmern und Meißeln näherzurücken.](https://img.diepresse.com/public/incoming/3rum59-m9_1414591879836480.jpg/alternates/FREE_1200/m9_1414591879836480.jpg)
An mehreren Stellen des Grenzwalls beginnen Menschen unter "Die Mauer muss weg"-Rufen, diesem Ziel mit Hämmern und Meißeln näherzurücken.
(c) REUTERS (� Fabrizio Bensch / Reuters)
![Die DDR-Grenzsoldaten greifen nicht ein, als die ersten Löcher in den "antifaschistischen Schutzwall" geschlagen werden. Auch sonst bleiben sie passiv: Kein Schuss fällt in dieser Nacht an der Grenze, an der in den Jahrzehnten zuvor mehr als hundert Menschen starben."Gestern Nacht war das deutsche Volk das glücklichste Volk auf der Welt", sagt der West-Berliner Bürgermeister Walter Momper am Morgen.](https://img.diepresse.com/public/incoming/pcqprr-m11_1414591877491100.jpg/alternates/FREE_1200/m11_1414591877491100.jpg)
Die DDR-Grenzsoldaten greifen nicht ein, als die ersten Löcher in den "antifaschistischen Schutzwall" geschlagen werden. Auch sonst bleiben sie passiv: Kein Schuss fällt in dieser Nacht an der Grenze, an der in den Jahrzehnten zuvor mehr als hundert Menschen starben."Gestern Nacht war das deutsche Volk das glücklichste Volk auf der Welt", sagt der West-Berliner Bürgermeister Walter Momper am Morgen.
(c) imago stock&people
![In den folgenden Tagen wird an den Grenzen wieder kontrolliert, bis zum 11. November erhalten 2,7 Millionen DDR-Bürger Visa.](https://img.diepresse.com/public/incoming/rnu3ie-m14_1414591877761956.jpg/alternates/FREE_1200/m14_1414591877761956.jpg)
In den folgenden Tagen wird an den Grenzen wieder kontrolliert, bis zum 11. November erhalten 2,7 Millionen DDR-Bürger Visa.
(c) imago stock&people (imago stock&people)
![Damit endet die Geschichte der Mauer, die 1961 begonnen hatte. Die DDR kämpfte damals ums Überleben, immer mehr Bewohner flüchten – meist über die offene Grenze in Berlin – in den Westen, wo das „Wirtschaftswunder“ blüht. Allein 1960 kehrten 200.000 Menschen dem "Arbeiter- und Bauernstaat" den Rücken, vor allem junge, gut ausgebildete Menschen.](https://img.diepresse.com/public/incoming/dnvpsm-imago51737055h_1415017199191514.jpg/alternates/FREE_1200/imago51737055h_1415017199191514.jpg)
Damit endet die Geschichte der Mauer, die 1961 begonnen hatte. Die DDR kämpfte damals ums Überleben, immer mehr Bewohner flüchten – meist über die offene Grenze in Berlin – in den Westen, wo das „Wirtschaftswunder“ blüht. Allein 1960 kehrten 200.000 Menschen dem "Arbeiter- und Bauernstaat" den Rücken, vor allem junge, gut ausgebildete Menschen.
(c) Imago
![Der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht setzte Arbeitsgruppen ein, die die Möglichkeiten zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms besprechen. Um aufkommende Gerüchte über einen bevorstehenden Bau einer Mauer zu entgegnen, versicherte er noch am 15. Juni bei einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“.Am 12. August beschloss der Ministerrat der DDR „zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und Westberlins“ die Einführung von Grenzsperren. Die UdSSR hatte ihre Zustimmung für den Mauerbau gegeben.Die Westmächte versuchten nicht, den Mauerbau zu verhindern: Niemand wollte einen Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion riskieren.](https://img.diepresse.com/public/incoming/9qh3hd-FILE-PHOTO-OF-SOVIET-LEADER-GORBACHEV-AND-EAST-GERMAN-HONECKER-BEFORE-FALL-OF-THE-BERLIN-WALL._1414591966450996.jpg/alternates/FREE_1200/FILE-PHOTO-OF-SOVIET-LEADER-GORBACHEV-AND-EAST-GERMAN-HONECKER-BEFORE-FALL-OF-THE-BERLIN-WALL._1414591966450996.jpg)
Der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht setzte Arbeitsgruppen ein, die die Möglichkeiten zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms besprechen. Um aufkommende Gerüchte über einen bevorstehenden Bau einer Mauer zu entgegnen, versicherte er noch am 15. Juni bei einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“.Am 12. August beschloss der Ministerrat der DDR „zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und Westberlins“ die Einführung von Grenzsperren. Die UdSSR hatte ihre Zustimmung für den Mauerbau gegeben.Die Westmächte versuchten nicht, den Mauerbau zu verhindern: Niemand wollte einen Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion riskieren.
(c) REUTERS (� Reuters Photographer / Reuter)
![Die Anlage, die die DDR-Bevölkerung am Verlassen des Landes hindern sollte, war komplex: An den meisten Stellen handelte es sich in der endgültigen Form um einen doppelten Mauer- oder Stacheldrahtzug. In den Zwischenräumen befanden sich Bewachungstürme, Alarmdrähte, Beleuchtungsanlagen und Gräben. Die Mauer umfasste rund 160 Kilometer. Auf 43 Kilometer Länge verlief sie durch das Berliner Stadtgebiet. Im Stadtgebiet gab es acht Grenzübergänge, außerhalb sechs.](https://img.diepresse.com/public/incoming/7v8pam-m16_1414591878335690.jpg/alternates/FREE_1200/m16_1414591878335690.jpg)
Die Anlage, die die DDR-Bevölkerung am Verlassen des Landes hindern sollte, war komplex: An den meisten Stellen handelte es sich in der endgültigen Form um einen doppelten Mauer- oder Stacheldrahtzug. In den Zwischenräumen befanden sich Bewachungstürme, Alarmdrähte, Beleuchtungsanlagen und Gräben. Die Mauer umfasste rund 160 Kilometer. Auf 43 Kilometer Länge verlief sie durch das Berliner Stadtgebiet. Im Stadtgebiet gab es acht Grenzübergänge, außerhalb sechs.
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![In den fast 30 Jahren ihres Bestehens versuchten rund 5000 Menschen, die Mauer zu überwinden. Mindestens 136 wurden dabei getötet.](https://img.diepresse.com/public/incoming/6bji1i-launchy-view-1312794028264.jpg/alternates/FREE_1200/launchy-view-1312794028264.jpg)
In den fast 30 Jahren ihres Bestehens versuchten rund 5000 Menschen, die Mauer zu überwinden. Mindestens 136 wurden dabei getötet.
(c) EPA (-)
![1989 mehrten sich die Proteste im "Arbeiter- und Bauernstaat". Bei den "Montagsdemonstrationen" skandierten zehntausende Menschen "Wir sind das Volk". Die SED-Führung unter Egon Krenz (Honecker wurde Mitte Oktober abgelöst) wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als jenes Reisegesetz zu erlassen, das am 9. November verkündet wurde.](https://img.diepresse.com/public/incoming/qmsp6s-m15_1414591878055312.jpg/alternates/FREE_1200/m15_1414591878055312.jpg)
1989 mehrten sich die Proteste im "Arbeiter- und Bauernstaat". Bei den "Montagsdemonstrationen" skandierten zehntausende Menschen "Wir sind das Volk". Die SED-Führung unter Egon Krenz (Honecker wurde Mitte Oktober abgelöst) wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als jenes Reisegesetz zu erlassen, das am 9. November verkündet wurde.
(c) imago stock&people
![Fast ein Jahr nach dem Mauerfall, am 3. Oktober 1990, wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vollzogen, Deutschland feierte seine Wiedervereinigung. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls wird zwischen West- und Ostberlin wieder eine Grenze errichtet - eine Lichtergrenze aus 8000 weißen Ballons.](https://img.diepresse.com/public/incoming/plfc7r-imago58876853h_1414765506316552.jpg/alternates/FREE_1200/imago58876853h_1414765506316552.jpg)
Fast ein Jahr nach dem Mauerfall, am 3. Oktober 1990, wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vollzogen, Deutschland feierte seine Wiedervereinigung. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls wird zwischen West- und Ostberlin wieder eine Grenze errichtet - eine Lichtergrenze aus 8000 weißen Ballons.
(c) imago stock&people (imago stock&people)