Erwin Prölls ÖVP Niederösterreich und die Steirer haben Einfluss auf die Bundespartei eingebüßt. Leise hat sich Pühringers oberösterreichische ÖVP als Machtzentrum etabliert.
Wien. Der Zeremonienmeister bei der Kür von Reinhold Mitterlehner am Samstag in Wien-Donaustadt heißt Wolfgang Hattmannsdorfer. Mit dem Namen können breite Kreise der Bevölkerung nichts anfangen. Der Mann kommt aus Oberösterreich und ist beim 36. ÖVP-Bundesparteitag Leiter des Wahlkomitees und sonst ÖVP-Landesgeschäftsführer in Linz.
Dieses Faktum hat Symbolcharakter in der ÖVP. Niederösterreichs Landeshauptmann, Erwin Pröll, mit einer machtvollen Organisation und einer absoluten Mehrheit im Land im Rücken galt jahrelang als mächtigster schwarzer Politiker – noch vor dem Bundesparteiobmann. Die steirische Landespartei sah sich von der Vater-Sohn-Dynastie Josef Krainer an als geistige Elite. Eine Tradition, die Landespolitiker wie der intellektuell beschlagene Christopher Drexler fortzusetzen versucht. Die Steirer ÖVP war stets bemüht, ihren Kurs der Bundesführung aufzuzwingen – vor drei Jahrzehnten das Nein zu den Draken ebenso wie nun die „Reformpartnerschaft“ mit der Landes-SPÖ.
Ohne solch offensichtliche „Prell-Hans-Mentalität“, wie man in Oberösterreich sagt, hat sich die gut geölte Parteimaschinerie im Linzer Gleissner-Haus mit dem gebürtigen Trauner Josef Pühringer zum neuen schwarzen Machtzentrum gemausert. Dem Juristen und Ex-Religionslehrer kommt zugute, dass er seit dem März 1995, fast so lang wie der seit 1992 in St. Pölten regierende Erwin Pröll, an der Spitze des Landes steht. Mit gut 46 Prozent bei der Landtagswahl 2009 ist der mittlerweile 65-Jährige auf Landesebene praktisch sakrosankt und nach wie vor die politische Lebensversicherung für den klaren ersten Platz der ÖVP bei der kommenden Landtagswahl 2015.
Mächtiger Bauernchef im Hintergrund
Der bienenfleißige Landeschef, der sich über Junge ÖVP, Parteisekretariat und Landesratsposten hochgedient hat, konnte es sich schon 2003 wie sein früherer Stellvertreter in der Landesregierung, Christoph Leitl, der nun seit 2000 Präsident der Wirtschaftskammer ist, leisten, vehement gegen Schüssels Neuauflage von Schwarz-Blau aufzutreten. In Leitls Windschatten ist erst vor wenigen Wochen mit dem Hörschinger Peter McDonald ein Oberösterreicher zum Chef des Milliardenimperiums des Hauptverbandes der Sozialversicherungen aufgerückt. Dieser hat sein Handwerk quasi in der Filiale, in Leitls Gewerbeversichertenanstalt (SVA), gelernt. Mit Anna Hochhauser hat sich Leitl eine Frau aus Pichl bei Wels als Generalsekretärin nach Wien geholt. Mit dem intern auch dank seiner Raiffeisen-Verbindung mächtigen Jakob Auer kommt auch der Bauernbundchef aus Ober- und nicht aus dem Agrarland Niederösterreich.
An der Spitze der Bundesratsfraktion steht seit fünf Jahren einer, der das bundespolitische Parkett vor fast 30 Jahren als Pressechef der Bundes-ÖVP kennengelernt hat: Der Ennser Wirtschaftsbündler Gottfried Kneifel ist inzwischen schwarzer Vizeklubchef im Parlament. Aus seiner langen Erfahrung nennt er als Geheimnis der Macht der Landes-VP: „Es ist die Fähigkeit der Oberösterreicher, zusammenzuhalten und ein Netzwerk zu bilden, ohne sich zu verhabern.“ Die Bünde-Rivalität sei geringer als in anderen Ländern. Menschlich besteht nach wie vor eine Nähe: Aus der Jungen ÖVP der Siebzigerjahre treffen sich Pühringer, Leitl und Co. jeweils im März zum Skifahren in Lech.
Bis hin zum Fußballpräsidenten
Der Einfluss geht weit über das Parteiestablishment hinaus. Im ORF-Zentrum sieht man statt Pröll-Mann Richard Grasl Oberösterreicher auf dem aufsteigenden Ast. Den beim Volkssport Fußball so wichtigen Präsidentenposten nimmt jetzt mit Energie-Manager Leo Windtner auch ein Oberösterreicher ein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)