Der frühere Innenminister ist nun in der Bibliothek der Justizanstalt Simmering beschäftigt.
Seit sechs Tagen sitzt der frühere Innenminister Ernst Strasser in der Justizanstalt Wien-Simmering, nun hat er eine Beschäftigung gefunden: Er arbeitet in der Gefängnisbibliothek und wickelt dort - gemeinsam mit fünf anderen Häftlingen und einem Justizwachebeamten - das Entlehnwesen ab.
Wie Anstaltsleiter Josef Schmoll am Dienstag erläuterte, besitzt die Justizanstalt Simmering 16.000 bis 20.000 Bücher, die von den 460 Insassen entlehnt werden können. Die Bände müssen schriftlich bestellt werden. Strassers Aufgabenbereich umfasst die Bearbeitung der Bestellungen und die Ausgabe der von den Mithäftlingen gewünschten Lektüre. Werden die Bände retourniert, muss der Ex-Innenminister diese auf allfällige Beschädigungen kontrollieren.
Strasser wurde Mitte Oktober vom Obersten Gerichtshof (OGH) in der sogenannten Lobbyisten-Affäre endgültig der Bestechlichkeit für schuldig befunden worden. Für die Höchstrichter ist es erwiesen, dass er in seiner Funktion als Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten für ein jährliches Honorar von 100.000 Euro die Einflussnahme auf die EU-Gesetzwerdung angeboten hatte. Dem OGH erschienen dafür drei Jahre unbedingt angemessen.
Ex-Innenminister Ernst Strasser hat am 13. November seine Haftstrafe angetreten. Der Oberste Gerichtshof hatte vier Wochen zuvor endgültig in der Lobbyisten-Affäre entschieden: Der frühere EU-Abgeordnete hat sich der Bestechlichkeit schuldig gemacht. Das Urteil: drei Jahre Haft. (c) APN (Kerstin Joensson)
Strasser wurde am 29. April 1956 in Grieskirchen in Oberösterreich als erstes von sechs Kindern eines Landwirteehepaars geboren. 1981 schloss er in Salzburg sein Jus-Studium ab. Er arbeitete zunächst als Obmann der ÖVP-nahen "Österreichischen Studentenunion", dann als Direktionssekretär des Bauernbundes, als Rechtsreferent des oberösterreichischen Bauernbundes und als Gemeinderat in Grieskirchen. 1987 berief ihn der damalige Landwirtschaftsminister Josef Riegler zu seinem Sekretär, zwei Jahre später wurde Strasser stellvertretender Kabinettschef von Vizekanzler Riegler. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
1992 machte die niederösterreichische ÖVP Strasser zum Landesgeschäftsführer, 1998 zum Klubobmann. (c) APA (Roland Schlager
2000 holte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Strasser in die erste schwarz-blaue Regierung. Als Innenminister schuf sich Strasser vor allem mit einer kompromisslosen Asylpolitik den Ruf als Rechtsaußen der Volkspartei. Strasser galt auch als beinharter Umfärber. Gestohlene E-Mails, die 2008 an die Öffentlichkeit kamen, belegen, dass so manche Position nach Parteibuch besetzt wurde. Die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie gehörte zu Strassers größten Erfolgen. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Im Dezember 2004 verließ Strasser völlig überraschend die Regierung. Angesichts eines zu diesem Zeitpunkt völlig unumstrittenen Bundeskanzlers Schüssels und des anhaltenden Erfolgslaufes von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll sah er fürs Erste seinen politischen Plafonds erreicht. Strasser ging mit diversen Beteiligungen in die Privatwirtschaft. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
2009 zauberte ihn der damalige VP-Chef Josef Pröll als Spitzenkandidaten für die EU-Wahl aus dem Hut. Das erzürnte so manchen in der Partei, der lieber den alten Europa-Hasen Othmar Karas an der Spitze gesehen hätte. Strassers Karriere im EU-Parlament war auch nicht von langer Dauer. Im März 2011 wurde die Bestechungsaffäre publik. Strasser bestritt zwar die Vorwürfe und versuchte die Affäre als "Geheimdienst"-Intrige darzustellen, die er selbst aufdecken habe wollen. Er konnte damit aber nicht wirklich überzeugen und musste sein Amt räumen. (c) AP (Ronald Zak)
Danach tauchte Strasser weitgehend aus der Öffentlichkeit ab. Er zeigte sich lediglich bei Gerichtsterminen und im parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Öffentlichkeit. Der frühere Karrierist sei "politisch und gesellschaftlich tot", sagte sein Anwalt. (c) FABRY Clemens
Im Jänner 2013 wurde Strasser erstmals wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt, der Oberste Gerichtshof verwies den Fall aber zurück an die erste Instanz. Im März 2014 verurteilte ihn das Schöffengericht zu 3,5 Jahren Haft. am 13. Oktober 2014 bestätigte der Oberste Gerichtshof den Schuldspruch, reduzierte die Strafe aber auf drei Jahre Haft.Der vormalige ÖVP-Spitzenpolitiker muss jedenfalls sechs Monate im Gefängnis absitzen. Erst dann hat er die Möglichkeit, den elektronisch überwachten Hausarrest zu beantragen. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Der wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilte Ex-Innenminister könnte sich nach Verbüßung von fast zwei Drittel seiner Strafe als freier Mann fühlen.
Der Ex-Innenminister hat nach acht Wochen in Haft Freigang. Fünf Tage die Woche soll er in einer Wiener Firma tätig sein, schlafen muss er in der Zelle.