Snowdens Vater: „Edward hat ehrenhaft gehandelt“

Swedish MP Westerholm speaks to Edward Snowden during the Right Livelihood Award ceremony at Swedish Parliament in Stockholm
Swedish MP Westerholm speaks to Edward Snowden during the Right Livelihood Award ceremony at Swedish Parliament in Stockholm(c) REUTERS (TT NEWS AGENCY)
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Interview. Lonnie Snowden ist der russischen Regierung dankbar, dass sie seinem Sohn Exil gewährt hat.

Die Presse: Wie geht es Ihrem Sohn Edward Snowden derzeit in Moskau? Hat er Heimweh?

Lonnie Snowden: Ed geht es ausgezeichnet in Russland, ich hab ihn gesehen, darf aber nicht sagen, wo er sich dort genau befindet. Er hat ein gutes, stützendes soziales Umfeld um sich herum. Er war schon immer so dünn (lacht). Das ist er, weil er fit ist. Schon als Bub hat er Kampfsport wie Kung-Fu trainiert. Dabei ging es ihm aber sehr um das Innere, um die Spiritualität dieser asiatischen Kampfsportarten, nicht so sehr um das bloße Kämpfen.

Gibt es derzeit Verhandlungen, um Edward Snowden zurück in die USA holen zu können?

Snowdens Anwalt Wolfgang Kaleck: Seit April hat sich nicht viel getan. Es gab Gespräche. Wir haben aber kaum Fortschritte darin erzielt, Snowden straffrei heimholen zu können.

Würde er gern heimkommen?

Lonnie Snowden: Ja, er würde unheimlich gern wieder heimkommen und wieder frei reisen können. Bei uns in den USA wird er aber bedroht, verfolgt und verurteilt. Und daran wird sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Washington leider erst einmal nichts ändern.

Hat er noch mehr Geheimnisse, von denen die Welt bald erfahren wird?

Er hat sein Material an verantwortungsbewusste Journalisten abgegeben. Er selbst hat keinen Zugang mehr dazu. Diese Journalisten sagen, dass es sehr komplizierte Sachverhalte darin gibt und haben angekündigt, dass noch mehr Geschichten kommen. Gerade erst wurde ja bekannt, dass Vodafone in Großbritannien Leitungen für den Geheimdienst angezapft hat. Darüber wird aber recht wenig berichtet.

Sind Sie enttäuscht darüber, dass die deutsche Regierung Ihrem Sohn kein Asyl geben möchte – obwohl Edward Snowden ja aufgedeckt hat, dass das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört wurde?

Nein, ich bin den Deutschen sehr dankbar für deren riesige Unterstützung. Als Exilland ist Russland derzeit ohnehin der sicherste Ort für meinen Sohn.

Putins Russland als Exil, wird das nicht immer problematischer für Ihren Sohn, mit Blick etwa auf den Ukraine-Konflikt?

Russland war nicht eingeplant. Er strandete dort, weil die USA seinen Reisepass ungültig gemacht hatten, als er 2013 aus Hongkong kam. Ich entschuldige mich da bei niemandem. Als Eds Vater bin ich dem russischen Volk sehr dankbar, dass es meinen Sohn aufgenommen hat. Russland ist der sicherste Ort für ihn, und ich bin auch der dortigen Regierung extrem dankbar, dass sie meinem Sohn Asyl gewährt hat. Und zur Ukraine-Krise: Edward ist mein Sohn, ein Mensch, der Asyl braucht, weil er verfolgt wird. Er hat keinen Einfluss darauf, ob die USA Bomben abwerfen – inzwischen ja fast wöchentlich. Genauso wenig hat er Einfluss auf die Handlungen Russlands in der Ukraine.

Wie sehen Sie seine Handlungen? Kurz nach seiner Flucht flehten Sie Ihren Sohn auf Fox News an, nicht noch mehr US-Geheimnisse preiszugeben.

Von jenem Fox-Interview distanziere ich mich heute sehr. Sie müssen verstehen, ich habe 30 Jahre als Offizier bei der Küstenwache gedient und bin meinem Land gegenüber stets loyal gewesen. Ich hatte Angst, dass man Edward des Hochverrats beschuldigt. Zu Beginn war alles ein großes Durcheinander, Journalisten standen vor meinem Haus. Aber als ich verstanden habe, was mein Sohn da der Öffentlichkeit enthüllt hat, merkte ich, dass es richtig war. Er hat sehr ehrenwert gehandelt, das habe ich eingesehen. Er versucht ja, mit seinen Handlungen die Verfassung, die Grundrechte der Bürger der USA zu beschützen.

Warum hat Edward das alles persönlich auf sich genommen?

Als sein Vater denke ich manchmal egoistisch und frage mich das auch. Aber was er getan hat, musste er tun. Er hat immer schon nur die Wahrheit sagen wollen. Er war in einem moralischen Dilemma: All das, was er über die Massenüberwachung wusste und die Öffentlichkeit nicht wusste. Er war immer ein guter, sehr ehrlicher Bub. Alles, was er über den US-Geheimdienst preisgegeben hat, hat sich als wahr erwiesen.

Hat er amerikanische Leben durch seine Enthüllungen gefährdet?

Nein, er war sehr vorsichtig damit, niemanden zu gefährden. Diese Behauptungen, er habe Leben gefährdet, sind Propaganda, um meinen Sohn schlechtzumachen und von dem abzulenken, was er aufgedeckt hat.

AUF EINEN BLICK

Lonnie Snowden, der Vater des amerikanischen NSA-Aufdeckers Edward Snowden, war im Stockholmer Reichstag mit dabei, als seinem Sohn – in Abwesenheit – der Alternative Nobelpreis verliehen wurde. Entgegengenommen wurde der Preis von „Guardian“-Herausgeber Alan Rusbridger, der gemeinsam mit Snowden geehrt wurde. Snowden war nur über einen Videolink aus Russland zugeschaltet. Die an der Regierung des neutralen Schweden beteiligten Grünen forderten zuvor erfolglos, ein Regierungsflugzeug nach Moskau zu schicken und ihn zur Entgegennahme des Preises nach Stockholm zu bringen. Das Außenministerium lehnte ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)

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