Besuch vom Saurüssel und der Habergoaß

Perchtenlauf
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Die Wilde Jagd am Untersberg bei Salzburg ist ein Perchtenlauf vor den Raunächten im Dezember, den nur die Einheimischen kennen. Das macht ihn natürlich besonders geheimnisvoll und begehrt.

Eigentlich ist es ja für einen guten Zweck, aber es schaut nicht danach aus. Wilde, zottelige Gesellen in gruseligen Kostümen mit derben Masken tanzen vor dem Haus, begleitet vom harten, lauten Trommelschlag und dem blechernen Klang der Schellen. Sie brüllen in den Nachthimmel, grölen und stampfen mit den Füßen. Das Handwerk der Perchten ist nichts für sensible Menschen. Laut muss es sein, grob und wild. Ein Dutzend der furchterregenden Gestalten tanzt so durch die Winternacht.
Es mag noch so derb und unkontrolliert ausschauen, es hat doch sein festes Ritual und seinen ganz konkreten Ablauf. Bald formieren sie sich im Kreis und tanzen in einem Achter zum Klang der Flöten und zum einheitlichen Trommelschlag, bis sie dann nach ein paar Minuten beim Schrei des Hahnengickerls anhalten und niederknien. Die Hexe kehrt mit ihrem Besen den Boden mit schnellen kreisenden Bewegungen und zeichnet ein Kreuz auf den Boden, um alles Unreine zu entfernen. Danach ist der Vorpercht, der Anführer, an der Reihe, der mit seinem Spruch „Glück hinein, Unglück hinaus, es ziagt des wilde Gjoad ums Haus!“ die Ruhe beendet. Alle springen auf, rennen herum, schreien und brüllen zum Lärm der Schellen und Trommeln. Und ziehen weiter.
Die Wilde Jagd am Untersberg ist kein gewöhnlicher Perchtenbrauch. Diese Tänze, mit denen man einst vor den Raunächten Ende Dezember die bösen Geister vertreiben wollte, sind heute meist ein Mix aus Brauchtum und Folklore und touristisch vermarktet: Die Aufführungen der historischen Gestalten werden mit Glühweinbuden und Busreisegruppen garniert.
Die Wilde Jagd am Untersberg ist anders. Hier will die Bevölkerung keine touristischen Aufläufe. Hier soll es so sein, wie es der Brauch ist. Wann und wo die Gruppe auftritt, wird als Geheimnis gehandelt. Nur so viel ist offiziell, dass es am Donnerstag zwischen dem zweiten und dritten Adventsonntag in einer der Gemeinden rund um den Untersberg stattfinden wird. Üblicherweise schreiben die Bürgermeister der Gemeinde die ausführende Volkstanzgruppe, Jung Alpenland, mit der Bitte an, dass sie doch einmal wieder in ihren Ort kommen mögen. Wenn dann der Schauplatz gewählt ist, werden die Hausbesitzer zwei bis drei Tage vorher informiert. „Dass man es Nachbarn und Verwandten erzählt, das wird hingenommen. Aber Busgruppen als Zuschauer, das mögen sie gar nicht“, erzählt Martin Leitner, Leiter des Untersberg-Museums in Grödig.

Der schlafende Kaiser im Berg

Mit dieser Verschwiegenheit hat sich die Wilde Jagd einen Sonderstatus unter all den Perchtenläufen erhalten, gilt als besonders mystisch und geheimnisvoll, weil's eben nur Eingeweihte kennen und sehen können. Drüben im Berchtesgadener Land laufen die Perchten begleitet von tausenden Zuschauern durch die Fußgängerzone, in der es nach Schnaps und Glühwein riecht und wo Raufereien zwischen illuminierten Zuschauern und Perchten nicht selten sind.
Bei der Wilden Jagd geht es viel traditionsbewusster zu. Ihr Ursprung soll bei den Kelten oder Germanen liegen. Perchtenläufe sind in vielen Regionen Europas Brauch. Nur hier am Untersberg hat es etwas Besonderes, denn der Berg selbst ist ein mystischer Ort, viele Legenden ranken sich um das Bergmassiv mit seinen vielen Höhlen, in denen immer wieder Leute verschollen bleiben und unlängst das Skelett eines Skifahrers aus den Zwanzigerjahren in einer Höhle gefunden wurde.
Was passt also besser dazu als ein Berg, von dem die Sage erzählt, dass tief drin Kaiser Karl der Große schlafe und alle hundert Jahre aufwache, um nachzuschauen, ob die Raben noch um den Berg fliegen und alles in Ordnung sei. Wenn kein Rabe mehr flöge, dann stehe der Weltuntergang bevor. Dann gebe es noch die Untersberger Mandln, die den Kaiser versorgen. In einer anderen Sage ist es Friedrich Barbarossa, der im Untersberg residiere und auf seine Auferstehung warte. Auch die Wilde Jagd hat ihren festen Bezug zum Untersberg. „Die einzelnen Figuren haben viel mit dem Untersberg zu tun“, verrät Martin Leitner.

Moosweiberl und Bärentreiber

Da ist der Vorpercht, der Anführer, der auch den Spruch am Ende sagt. Der Tod gibt mit den Trommelschlägen den Rhythmus an. Er spielt auch in der Sagenwelt des Untersbergs eine wichtige Rolle. Die Hexe, die den Boden kehrt, soll auf die Untersberger Wildfrauen zurückgehen. Der Riese Abfalter ist unübersehbar. Er hat seinen Namen von einer Kuppe am Untersberg und soll ein gutartiger Riese sein. Der Baumpercht und das Moosweiberl gehören zu den Waldgeistern, die am Rand des Untersberg zu Hause sind. Das Hahnengickerl soll mit seinem lauten Schrei das Böse verjagen und gehört ebenfalls zur Sagenwelt des Untersbergs. Der Rabe spielt wie erwähnt eine wichtige Rolle im Hinblick auf den schlafenden Kaiser und den Weltuntergang. Bär und Bärentreiber waren früher wichtige Figuren in mittelalterlichen Aufführungen und bei alten Faschingsbräuchen in der Region. Ganz ähnlich ist es auch mit dem Saurüssel, einer alten Sagengestalt aus dem Flachgau. Zum Schluss gibt es noch die Habergoaß, einen riesigen dreibeinigen Geißbock, der wegen seiner schaurigen Gestalt von den Kindern besonders gefürchtet wird. Bei der Wilden Jagd haben diese allerdings nicht viel zu befürchten. Während es bei anderen Perchtenläufen schon mal grob zugeht, sind die Figuren bei der Wilden Jagd mehr auf ihren Auftritt bedacht. Dass man die Leute erschreckt – das gehört dazu. Handgreiflichkeiten sind hier aber nicht üblich.
Wer die Wilde Jagd selbst erleben will, dem bleibt nichts anders übrig, als bei den Einheimischen nachzufragen. Zuschauer gibt es am zweiten Donnerstag im Advent trotz der Verschwiegenheit doch einige. Aber wie das eben mit Geheimnissen ist, es macht sie besonders begehrenswert.
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