Das Parlament der Ex-Sowjetrepublik stimmt einem Gesetz zu, das in Zukunft einen Nato-Beitritt erlauben soll. Russland ist verärgert und nennt die Entscheidung "kontraproduktiv".
Kiew/Wien. Die Abstimmung war ziemlich eindeutig: Am Dienstag sprach sich das ukrainische Parlament mit einer klaren Mehrheit von 303 von 309 anwesenden Abgeordneten für ein Ende des blockfreien Status des Landes aus. Die Gesetzesnovelle war erst in der Vorwoche von Präsident Petro Poroschenko in die Werchowna Rada eingebracht worden. Die Novelle hält fest, dass die europäische Integration, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union sowie euroatlantische Sicherheitsstrukturen zu den außenpolitischen Prioritäten der Ukraine zählt. Auch bei den Sicherheitsinteressen wird die Nato noch einmal ausdrücklich erwähnt, samt der Wille zur Erfüllung der Kriterien, die für eine Mitgliedschaft notwendig sind.
Die Annahme des Gesetzes war erwartet worden, verfügen doch die Partei von Präsident Poroschenko und ihre proeuropäischen Verbündeten über eine klare Mehrheit im neuen Parlament.
Insbesondere die Territorialkonflikte um die Krim und einen Teil des Donbass haben die ukrainische Führung in ihrer außenpolitischen Neuausrichtung befeuert. Kiew reichen bisherige Sicherheitsgarantien nicht mehr. Die Ukraine hatte sich unter dem Druck Russlands 2010 dem Lager der Blockfreien angeschlossen. Außen- und sicherheitspolitisch hatte das Land unter Ex-Präsident Viktor Janukowitsch eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West betrieben. Innerhalb der EU sieht man Kiews Schwenk wohlwollend – wenn auch mit Sorge. Wien hätte eine Beibehaltung des blockfreien Status präferiert. Einen fixen Nato-Beitrittstermin stellt derzeit niemand in Aussicht. Allerdings hieß es von Seiten der Nato, dass die Ukraine Mitglied werden könne, „falls sie darum bittet, die Standards erfüllt und sich an die notwendigen Prinzipien hält“.
Zweite Nato-Basis im Baltikum
Das Verhältnis zu Russland dürfte der Schritt in Richtung Nato weiter verschlechtern – sieht der große Nachbar doch in dem Streben der Ex-Sowjetrepublik in das westliche Militärbündnis eine Gefahr für seine eigene Sicherheit. Dass die Nato ihre Präsenz in Osteuropa erweitert – etwa aktuell mit einer zweiten Flugbasis im Baltikum – wird in Moskau mit Sorge beobachtet. Zu der bereits seit 2004 als Stützpunkt für Kampfflugzeuge dienenden Basis Siauliai im Norden Litauens kommt die Ex-Sowjetbasis Ämäri nahe der estnischen Hauptstadt Tallinn dazu. Eindeutig negativ war daher die russische Reaktion auf das Gesetz. Es sei „ein Antrag auf Beitritt zur Nato und macht aus der Ukraine einen potenziellen militärischen Gegner Russlands“, schrieb Regierungschef Dmitrij Medwedew auf Facebook. Außenminister Sergej Lawrow sagte, das Gesetz sei „absolut kontraproduktiv“.
Unterdessen zeichnen sich neue Gespräche der Minsker Kontaktgruppe ab, die aus Vertretern der Ukraine, Russlands, der ostukrainischen Separatisten und der OSZE besteht. Sie könnten am Mittwoch und am Freitag in Minsk stattfinden. Seit 9. Dezember ist im Donbass eine Waffenruhe in Kraft, die weitgehend eingehalten wird. Angesichts des Winters und der Pattsituation der Gegner wächst die Bereitschaft zu Verhandlungen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2014)