Arbeitslose: Warum Wien erneut die Statistik anführt

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In Wien gibt es deutlich mehr Arbeitslose als im Österreich-Schnitt. Hauptgrund ist AMS-Wien-Chefin Petra Draxl zufolge die hohe Zuwanderung.

Wien. Am stärksten verantwortlich für den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich ist wieder einmal Wien. Die Zahl der Menschen, die ohne Beschäftigung waren bzw. sich in Schulungen befunden haben, ist in der Bundeshauptstadt im vergangenen Dezember um 9,4 Prozent gestiegen.

Konkret waren 127.601 Menschen als arbeitslos vorgemerkt, 24.884 Personen absolvierten Kurse. Die Arbeitslosenquote liegt demnach bei 14Prozent, das sind um 1,6 Prozentpunkte mehr als im Jahresvergleich (siehe Grafik). Auf den Plätzen zwei, drei und vier landen Kärnten (13,9 Prozent), das Burgenland (12,2 Prozent) und Niederösterreich (10,7 Prozent).

Dass Wien im Österreich-Vergleich die mit Abstand höchste Arbeitslosenquote aufweist, führt AMS-Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl vor allem auf zwei Faktoren zurück: den enormen Zuzug und den niedrigen Bildungsgrad der Arbeitssuchenden. „Die Bundeshauptstadt wächst jährlich um 25.000 Menschen, das ist die Einwohnerzahl von Krems“, sagt Draxl. „Dieser Zuzug ist sowohl auf die Binnenwanderung als auch auf den Zuzug aus EU-Staaten zurückzuführen. Keine andere Stadt in Österreich weist eine solche Wachstumsdynamik – oder besser gesagt Globalisierungsdynamik aus.“

Die Folge sei ein Arbeitskräfteangebot, das die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bei Weitem übersteige. „Hinzu kommt, dass auch immer mehr Menschen, die bereits in Wien leben, sich auf Jobsuche begeben“, so Draxl. „Frauen beispielsweise, die zum Haushaltseinkommen beitragen müssen, weil durch die höher werdenden Lebenshaltungskosten, wie etwa die dramatisch steigenden Wohnungsmieten, ein Gehalt allein nicht mehr ausreicht.“ Nirgendwo in Österreich gebe es eine so große Kluft zwischen Einkommen und Lebenshaltungskosten wie in Wien.

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Niedriger Bildungsgrad

Die neue Zuwanderung von zumeist jüngeren Leuten aus EU-Staaten sei darüber hinaus ein Grund dafür, warum Menschen mit einem niedrigen Bildungsgrad zunehmend unter die Räder kämen. In Wien ist der Anteil von Personen nur mit einem Pflichtschulabschluss um das Sechsfache höher als in der restlichen Bevölkerung des Landes.

„Ungelernte Arbeitskräfte aus klassischen Herkunftsländern, also aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien, die zum Teil als Gastarbeiter geholt wurden, werden von jüngeren, besser ausgebildeten Einwanderern aus Staaten wie Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowakei, Polen und aus Deutschland verdrängt“, sagt Draxl. „Zudem sind auch die generellen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt gestiegen. Auch für nicht hoch bezahlte Tätigkeiten sind mittlerweile EDV-Grunderkenntnisse erforderlich. Der Job des klassischen ungelernten Hilfsarbeiters stirbt langsam aus.“

Eine Entspannung ist Draxl zufolge nicht in Sicht. „Während sich die Situation in den kommenden Jahren österreichweit stabilisieren dürfte, erwarten wir in Wien zumindest für 2015, 2016 und 2017 einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahlen.“

Österreichweit waren Ende Dezember 455.831 Menschen ohne Arbeit, um 6,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,7Prozentpunkte auf 10,2Prozent. 62.157Menschen waren in Schulungen des AMS (minus sieben Prozent)– hauptverantwortlich für diesen Rückgang ist wiederum Wien, wo das Minus im Jahresvergleich bei 14,3 Prozent liegt –, gefolgt von Oberösterreich mit minus 5,5 Prozent und der Steiermark (minus 3,6 Prozent). Im Burgenland beispielsweise gab es sogar einen Anstieg um 8,2 Prozent, in Kärnten um 5,9 Prozent.

Viel Bewegung bei offenen Stellen

Nach wichtigen Branchen betrachtet ist die Arbeitslosigkeit im Dezember in Wien besonders im Einzelhandel (plus 14,1 Prozent) angestiegen, in Hotellerie und Gastronomie lag das Plus bei 12,4 Prozent. Etwas geringer als in den vergangenen Monaten fiel der Anstieg im Bau (plus 9,6 Prozent) und in der Warenproduktion (plus 9,7 Prozent) aus.

Der Wiener Arbeitsmarkt zeigt allerdings viel Bewegung bei den offenen Stellen: Im Vormonat haben die Unternehmen um 17,3Prozent mehr offene Stellen als im Dezember 2013 gemeldet.

Sehr unterschiedlich ist der Anstieg an Arbeitslosen in den Bundesländern im Jahresvergleich. Am geringsten war die Zunahme (ohne Schulungsteilnehmer) im Burgenland (plus 0,7 Prozent) und in Kärnten (plus 1,8 Prozent), besonders hoch in Wien (plus 15,6 Prozent) und Salzburg (plus 10,8 Prozent).

In den übrigen Bundesländern – Vorarlberg plus 4,7Prozent, Steiermark plus 6,6 Prozent, Tirol plus 6,7 Prozent, Oberösterreich plus 6,8 Prozent und Niederösterreich plus 7,1 Prozent – fiel der Anstieg deutlich geringer als im Österreich-Schnitt mit plus neun Prozent aus.

AUF EINEN BLICK

Hauptverantwortlich für den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich ist Wien. Die Zahl der Menschen, die in der Bundeshauptstadt ohne Job waren bzw. sich in Schulungen des Arbeitsmarktservice befanden, ist im Dezember um 9,4 Prozent gestiegen. Konkret waren 127.601 Menschen als arbeitslos vorgemerkt, 24.884 Personen absolvierten Kurse. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14 Prozent, das sind um 1,6 Prozentpunkte mehr als im Jahresvergleich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)

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