Chinas Revolution: Lionel Messi statt Mao

(c) GEPA pictures / Hans Simonlehner
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Eine Ausbildungsoffensive überrascht im Reich der Mitte, das Politbüro will Fußball als Pflichtfach. So soll Jugendlichen das Spiel mit System eingeimpft werden.

Peking. Es sollte ein Geburtstagsgeschenk für Chinas Staatschef, Xi Jinping, zum Sechzigsten werden. Chinas Fußballteam trat zu einem Freundschaftsspiel gegen Thailand an. Doch der 15.Juni 2013 sollte als Tag der Schmach in Erinnerung bleiben. Nachdem das Team zuvor gegen Usbekistan und die Niederlande verloren hatte, setzte es eine 1:5-Niederlage – gegen Thailand. China war blamiert. Dem Team von Trainer José Antonio Camacho schlug blanker Hass entgegen. Aufgebrachte Fans stürmten den Teambus und setzten Autos in Brand. Staatschef Xi soll vor Wut gebebt haben. Camacho wurde entlassen.

Während Chinas Aufstieg zur größten Volkswirtschaft der Welt eine Erfolgsgeschichte ist, ist die Historie des Fußballs eine mittlere Katastrophe. In der Fifa-Weltrangliste rangiert China auf Platz 99 hinter Estland, dessen 1,3 Millionen Einwohner man locker in einen Vorort Pekings einquartieren könnte. Erst einmal qualifizierte sich China für eine WM: 2002 in Japan und Südkorea. Und die nationale Liga, die Chinese Super League, wird von Korruptions- und Wettskandalen erschüttert. Da half auch der Glanz eines Weltstars wie Didier Drogba nichts, der in der Saison 2012/2013 für Shanghai Greenland Shenhua auflief. Zwar lieben die Chinesen Fußball im Fernsehen, doch aktiv spielen nur die wenigsten. Der chinesische Verband zählt lediglich 8000 angemeldete Spieler.

Xi Jinping will das nun ändern– und die siechende Sportart auf Vordermann bringen. Xi gilt als leidenschaftlicher Fußballfan, spielte früher selbst in der Schülermannschaft. Bei einem Staatsbesuch in Irland 2012 trat er im Croke Park in Dublin mit Schmackes gegen den Ball, sehr zur Freude der Delegation und der Vertreterr der heimischen Presse. Dass es sich dabei um einen Gaelic Football und keinen richtigen Fußball handelte, war zweitrangig. Was zählte, waren die Bilder.

Jinping formulierte das ambitionierte Ziel, China möge sich erst für die WM qualifizieren, diese dann ausrichten und irgendwann einmal auch gewinnen. Die führende Wirtschaftsnation muss eine führende Fußballnation sein, diese Erkenntnis hat sich im Politbüro in Peking durchgesetzt. Und so soll mit zentralistischer Entschlossenheit alles daran gesetzt werden, dass die chinesischen Kicker konkurrenzfähig sind.

Ende November kündigte die Staatsführung an, dass Fußball Pflichtfach an staatlichen Schulen werden solle. Wang Dengfeng, ein Bildungsfunktionär, sagte, die Verbesserung der Fußballstandards müsse „bei den Kindern beginnen“. Mit planwirtschaftlichem Eifer soll das Projekt vorangetrieben werden.

Bis 2017 sollen 20.000 Schulen im ganzen Land mit einem Fußballplatz und modernen Trainingszentren ausgestattet werden. Das Ziel: 100.000 Spieler. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, soll Fußball auch Optionsfach für Eingangsprüfungen an den Hochschulen werden. Wer die Ballkunst beherrscht, darf sich die beste Bildung angedeihen lassen. 2017 sollen 200 Universitätsteams hochklassigen Fußball auf dem Rasen zelebrieren. Als erster „Botschafter“ gab sich David Beckham an einer Pekinger Mittelschule die Ehre. „Kick It Like Beckham“, lautet nun das Motto der Chinesen.

Flankiert wird diese Politik von privaten Investitionen. Der Multimilliardär Wang Jianlin will in den nächsten zehn Jahren 200Millionen Yuan (ca. 26 Millionen Euro) in die Jugendarbeit stecken. Alibaba-Gründer Jack Ma erwarb für 1,2 Milliarden Yuan (155 Mio Euro) 50 Prozent der Anteile des Klubs Guangzhou Evergrande. Die Investoren bringen Kapital und Know-how im Management mit. Guangzhou verpflichtete Italiens Weltmeistermacher Marcello Lippi und Ex-Dortmund-Stürmer Lucas Barrios. 2013 gewann der Klub die AFC Champions League. Mit ausländischer Expertise soll Chinas Fußball in die Erfolgsspur finden.

Das Bildungsministerium engagierte US-Fußballlehrer Tom Byer, der langjährige Erfahrung beim Aufbau von Fußballstrukturen in Japan besitzt und als Entdecker von Dortmunds Shinji Kagawa gilt. Byer zeigte sich „sehr optimistisch, dass die chinesische Regierung in die richtige Richtung geht“. Sollte es gelingen, talentierte Fußballer zu rekrutieren, könnte Chinas Fußballnationalmannschaft erste Erfolge feiern – und Staatschef Xi Jinping dereinst den Geburtstag tatsächlich versüßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2015)

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