USA: Obama appelliert an die Mittelschicht

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In seiner letzten politisch relevanten Rede zur Lage der Nation schlägt US-Präsident Barack Obama höhere Steuern für Reiche und Entlastungen für Mittelklassefamilien vor.

Washington. Barack Obama hält seine vorletzte Rede zur Lage der Nation vor einem auf den ersten Blick erfreulichen Hintergrund: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie zuletzt vor sieben Jahren (5,6 Prozent), die Wirtschaft wächst so rasant wie seit elf Jahren nicht mehr (fünf Prozent im dritten Quartal des vergangenen Jahres), und das Volk stimmt der Wirtschaftspolitik dieses sonst nicht allzu innig geliebten Präsidenten so stark wie in seinem ersten Amtsjahr zu (mit 49 Prozent, laut Umfrage von NBC News und „Wall Street Journal“).

Dennoch sind die Amerikaner mit ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage unzufrieden. Das mittlere Haushaltseinkommen ist laut Statistikamt seit Obamas Amtsantritt bis zum Jahr Jahr 2013 um 3,9 Prozent auf 51.939 Dollar (44.800 Euro) gefallen. Das einkommensschwächste Fünftel aller Bürger ist in diesem Zeitraum sogar um 5,9 Prozent ärmer geworden.

Zwar mehren sich die Anzeichen, dass dieser Trend fallender Realeinkommen sich im Jahr 2014 gewendet hat und die Amerikaner wieder mehrheitlich vom ökonomischen Aufschwung profitieren (das Statistikamt veröffentlicht die Werte für 2014 erst im September). Dessen ungeachtet steigen aber die Kosten für Bildung und Krankenversicherung, und das niedrige Zinsniveau lässt Zweifel an der Tragfähigkeit der in den USA überwiegend privat organisierten Altersvorsorge aufkommen.

Steuerförderung für Familien

Der Präsident will darum die Mittelschicht und vor allem Familien mit Steuergutschriften und staatlichen Förderungen stärken. Das dafür erforderliche Geld will er durch eine über zehn Jahre gestreckte, rund 320 Milliarden Dollar umfassende Erhöhung der Kapitalertragsteuer für Reiche erhalten. Ihre Höchstrate soll von 23,8 auf 28 Prozent steigen: Das ist jener Betrag, mit dem das reichste Prozent der Amerikaner seine Wertpapiergewinne derzeit versteuert.

Im Gegenzug schlägt Obama in seiner letzten politisch relevanten Rede zur Lage der Nation (im kommenden Jahr wird ihm kaum jemand mehr zuhören, weil die Vorausscheidungen für die Präsidentenwahl im November die öffentliche Aufmerksamkeit bannen werden) Steuerzuckerln für den Rest der Bürger vor. Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, sollen eine jährliche Gutschrift von 500 Dollar erhalten. Ein bestehender Abschreibungsposten für die Kosten der Kindererziehung möchte er von 1000 auf 3000 Dollar pro Jahr anheben.

Mit diesen Vorschlägen will sich Obama in erster Linie als Fürsprecher der Mittelschicht positionieren, zu der sich bekanntlich mehr Bürger zugehörig fühlen, als sie es kraft ihrer Einkommenslage faktisch sind. Das ist auch im Interesse seiner Partei, die nach ihrer herben Niederlage bei den Kongresswahlen im November gute Chancen hat, 2016 zumindest den Senat zurückzugewinnen.

Bei näherer Betrachtung allerdings ist vor allem jenes Vorhaben problematisch, das Obama in seiner Rede besonders vehement präsentiert: zwei kostenlose Jahre für gute Studenten an Community Colleges, jenen von lokalen Gemeinden betriebenen Bildungseinrichtungen, die sich vor allem an Ärmere richten. Das klingt fürsorglich, jedoch bezahlen schon jetzt 38 Prozent aller Studenten an diesen Colleges keine Gebühren und weitere 33 Prozent weniger als 1000 Dollar pro Jahr. Von diesem Vorhaben würden also mehrheitlich jene profitieren, die sich das Studium schon jetzt leisten können – und nicht jene, die Obama mittels besserer Bildung aus dem Prekariat heben will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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