Rücktritt Lutz Bachmanns öffnet moderaten Kräften eine Chance – und zugleich auch radikalen.
Wien/Dresden. In Leipzig waren die Demo und die Gegendemos noch im Gange, die da und dort in einem Tumult mündeten, als Anhänger und Gegner der Pegida-Bewegung in Dresden bereits einen Schritt weiter waren. Stanislaw Tillich, Sachsens Ministerpräsident (CDU), lud am Mittwochabend zum Dialogforum ins Kongresszentrum, und hunderte Teilnehmer folgten ihm, um an 50 Tischen bei Brezeln über brisante Themen wie Asyl und Integration zu debattieren.
Es war der erste konstruktive Versuch seitens der etablierten Politik, mit Aktivisten, nicht jedoch den Organisatoren der Pegida – den selbst ernannten Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlands– ins Gespräch zu kommen. Und dies just an einem Abend, an dem die Entrüstung über eine Hitler-Pose und wüste Verbalinjurien den Rücktritt Lutz Bachmanns erzwang, den Pegida-Gründer und Chefideologen.
Der 41-jährige, vorbestrafte Spiritus Rector der Wutbürger-Bewegung gab sich zuletzt betont gedämpft und beinahe seriös, als er etwa den umfangreichen Forderungskatalog auf ein Sechs-Punkte-Programm kondensierte. Doch zuvor hatte er via Facebook gegen Flüchtlinge, Ausländer („Viehzeug“, „Dreckspack“) und Politiker gehetzt. Gregor Gysi, den Fraktionschef der Linkspartei, beschimpfte er als „Stasischwein“; die Grünen, allen voran Claudia „Fatima“ Roth, titulierte er als „Ökoterroristen“, die „standrechtlich erschossen“ gehörten.
Kokettieren mit Nazi-Jargon
Durch seine Postings zieht sich konsequent ein Unterton, der fatal mit dem Nazi-Jargon kokettiert, und der nun die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen und somit vorläufig das politische Ende des rabiaten Pegida-Rädelsführers besiegelt hat, der mit seiner Polemik die Politik in Deutschland aufwühlt.
Ob die Pegida-Bewegung zerfällt, ob sie sich allmählich auflöst, wird sich erst einmal am kommenden Montag beim nächsten „Abendspaziergang“ in der sächsischen Hauptstadt offenbaren. Gut möglich, dass viele Anhänger zu einer Art Solidaritätskundgebung mit Lutz Bachmann pilgern werden. Ungewiss ist dabei, ob es den Initiator – wie er angekündigt hat – zu Hause auf dem Sofa halten wird. Die Terrordrohung gegen ihn besteht jedenfalls weiter. Und auch das „andere Dresden“ macht gegen Pegida mobil: Unter dem Motto „Offen und bunt – Dresden für alle“ werden zur gleichen Zeit bei einer Großkundgebung vor der Frauenkirche unter anderem Herbert Grönemeyer, die Prinzen und „Tatort“-Star Jan Josef Liefers, ein gebürtiger Dresdner, auftreten.
Nach der medialen Kritik an seiner kriminellen Vergangenheit und seiner Haftstrafe hat sich Bachmann schon einmal aus der vordersten Reihe zurückgezogen, um seiner Ko-Sprecherin Kathrin Oertel das Feld zu überlassen. Sie repräsentierte Pegida in Günther Jauchs Talkshow, und sie distanzierte sich von Legida, der vom Verfassungsschutz als radikaler eingestuften Leipziger Pegida-Version mit Querverbindungen zur Neonazi-Szene. „Heimat, Friede und deutsche Leitkultur“ lautet deren Devise.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2015)