Die ganz große Eskalation der Proteste gegen den Akademikerball der Wiener FPÖ blieb aus. Die Polizei zeigte Präsenz wie selten zuvor.
Wien. Die Prognosen für die Proteste gegen den Akademikerball der Wiener FPÖ waren düster. Eingetreten sind sie nicht. Starke Polizeipräsenz, gute Vorbereitung aller direkt und indirekt Beteiligten sowie weitgehend friedliche Demonstrationsteilnehmer machten es möglich, dass sich das Ausmaß der Ausschreitungen des Jahres 2014 in der Nacht auf Samstag nicht wiederholte.
Gänzlich geordnet verlief die Ballnacht jedoch auch dieses Jahr nicht. Immer wieder kam es nach dem Ende der Kundgebungen rund um die Ringstraße zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und gewaltbereiten Personen. Es gab 54 Festnahmen, sechs der 2500 Polizisten und vier Demonstranten wurden verletzt. 150 Anzeigen wurden wegen strafrechtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Übertretungen erstattet. Die Taktik der Einsatzkräfte zielte unter anderem darauf ab, die Formierung des Schwarzen Blocks zu verhindern. Immer dort, wo mehrere Vermummte gleichzeitig auftraten, versuchten die Beamten die Kleingruppen zu versprengen und die Vereinigung mit anderen zu verhindern. Bei diesen Auseinandersetzungen kam es zu mehreren Sachbeschädigungen, Blumentröge wurden umgeworfen, Autoreifen zerstochen.
Die bei den Behörden gemeldeten Kundgebungen und Demonstrationen hingegen verliefen bunt, laut und friedlich. Dabei gingen die Schätzungen über die Teilnehmerzahlen – insbesondere in Bezug auf den großen Demozug zum Stephansplatz – weit auseinander. Die Veranstalter sprachen von 9000, die Polizei von 5000 Demonstranten.
Vernagelte Schaufenster
Nicht zu übersehen war jedenfalls der große Aufwand, den Exekutive, Stadtverwaltung und auch Private und Geschäftsleute für den Abend getroffen hatten. Zu tief saßen die Erinnerungen aus dem Vorjahr. Die Polizei machte aus der gesamten Inneren Stadt eine Art Festung, zeigte dort, wo es nötig war, Präsenz im ganz großen Stil. Sogar die Wasserwerfer, die während der vergangenen Jahre in den Innenhöfen von Hofburg oder Polizeikasernen versteckt waren, tauchten dieses Mal öffentlichkeitswirksam und einschüchternd auf der Ringstraße auf.
Doch die Taktik der Sicherheitskräfte zeigte noch eine zweite, weniger martialische Seite. So erfolgte die Begleitung der Demo-Züge trotz der massiven Zahl an Uniformierten mit Zurückhaltung und Distanz.
Wie präsent die Erinnerungen an die Ausschreitungen des Vorjahres den Anrainern noch waren, das war insbesondere entlang der Einkaufsstraßen zwischen Stephansplatz und Hofburg zu sehen. Viele Geschäfte ließen Sicherheitsdienste vor den Eingängen patrouillieren, andere, etwa ein großer Juwelier, bunkerten sich hinter eigens errichteten Lattenzäunen zum Schutz ihrer ohnedies gepanzerten Schaufenster regelrecht ein. Jene, die sich das nicht leisten wollten, räumten die Auslagen aus.
Auch in weiteren Details schien man gelernt zu haben. Dort, wo nämlich 2014 schwere Metallmülltonnen gegen Polizisten und Schaufenster flogen, wurde dieses Jahr alles, was sich als Wurfgegenstand verwenden ließ, vorsorglich entfernt. Auch die Wiener Linien waren in die Vorbereitungen eingebunden und reagierten mit kurzfristigen Sperren von U-Bahn-Stationen wie Stephansplatz oder Museumsquartier.
Das Ziel vieler Demonstranten, den Teilnehmern des Balls die Anreise zur Hofburg unmöglich zu machen, scheiterte. An den Blockadepunkten bildeten sich um die Taxis der Ballgäste regelrechte Trauben von Polizisten, die sie – Fahrzeug für Fahrzeug – bis zur Sperrzone begleiteten.
„Nicht noch einmal diesen Stress“
Drinnen, in der Hofburg, waren die Proteste Gesprächsthema und Routine zugleich. Viele Gäste waren schon Stunden vorher angereist, um sich Ärger zu ersparen. Andere hingegen kamen gar nicht mehr. Vor allem die einst zahlreichen Burschenschafter aus Deutschland blieben heuer aus. So veröffentlichte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hauptsächlich Fotos mit Parteifreunden auf Facebook. Ein älteres Ehepaar aus Bayern berichtete von einigen Bekannten, die inzwischen nicht mehr in die Hofburg wollen. „Die wollen sich den Stress beim Einlass einfach nicht mehr antun.“ Trotzdem kamen 1600 Gäste. Voll war die Hofburg jedoch bei weitem nicht.
Die Polizei ließ bereits tagsüber keinen Zweifel daran, dass sie sich auf die Ereignisse am Abend lange vorbereitet hatte. Quellen aus dem Ausland lieferten Informationen über verdächtige Busse, in denen potenziell gewaltbereite Demonstrationsteilnehmer vermutet wurden. Das spektakulärste Beispiel hierfür war das Aufbringen einer Reisegruppe, die von Tschechien aus nach Wien unterwegs war. Auf der Ostautobahn wurde das Fahrzeug angehalten. Bei einer Durchsuchung entdeckten die Sicherheitskräfte verbotene Waffen (Schlagringe), Messer, Pfeffersprays und Rohmaterialien für Brandsätze. Es gab sieben Festnahmen.
Auch von Westen nach Wien und zu den Demonstrationen fahrende Busse konnten vom Verfassungsschutz identifiziert und anschließend von Streifen aufgehalten werden. Eine Gruppe aus München musste an der Stadtgrenze umkehren. Ein paar Sturmhauben und einschlägige Brandsätze waren Grund genug, um das Fahrzeug – mit Eskorte – zurück zur Grenze zu schicken. Auch aus Österreich kommende Busse hielt die Polizei auf, sie durften aber weiterfahren.