Bei der Bad Bank klafft ein riesiges Kapitalloch. Der Bund füllt es nicht mehr. Die FMA stoppt befristet die Bedienung der Schulden.
Wien. Die Bombe platzte am späten Sonntagnachmittag: Die Finanzmarktaufsicht (FMA) gab bekannt, dass sie selbst die Abwicklung der Bad Bank der Hypo Alpe Adria (Heta) übernimmt. Zugleich verhängte sie ein „Moratorium“ für die meisten Forderungen der Gläubiger: Ab sofort und bis 31. Mai 2016 bedient die Heta keine Schulden mehr, weder durch Tilgungen noch durch Zinsen. Obwohl auch die Aufsicht Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit bescheinigt, ist es jetzt kein Konkurs. Wäre die Heta in Konkurs gegangen, wären sofort alle Haftungen schlagend geworden, insbesondere des Landes Kärnten, sagte FMA-Vorstand Klaus Kumpfmüller im ORF-Radio. So wie es jetzt sei, blieben die Haftungen aufrecht. Ein Konkurs der Heta hätte, wie das Verkaufsvertragswerk besagt, zudem den Verkauf der Hypo-Balkanbanken an den US-Fonds Advent platzen lassen.
In dem Zusammenhang gebe es nur schlechte Lösungen, räumte Kumpfmüller ein. Unter den schwierigen Bedingungen sei die jetzige noch die am wenigsten schlechte. Die FMA begründet das verhängte einjährige Moratorium mit der Gläubigergleichbehandlung. Es hatte sich abgezeichnet, dass die Heta spätestens 2016 kein Geld mehr haben würde, Schulden zurückzuzahlen. Deshalb wurde die Tilgung schon für Fälligkeiten jetzt im März vorerst für ein Jahr ausgesetzt.
Unterdeckung bis zu 7,6 Mrd. Euro
Eine Aussendung der erst seit Herbst tätigen Abbaueinheit deckte die Hintergründe des dramatischen Schrittes auf: In der Heta klafft ein weit größeres Kapitalloch als bisher (offiziell) angenommen. Die „vermögensmäßige Unterdeckung“ beträgt zwischen vier Milliarden und 7,6 Mrd. Euro. Das ergab der nun abgeschlossene „Asset Review“ zweier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Damit stehen hinter einem Viertel bis fast der Hälfte aller früheren Hypo-Werte, die mit knapp 18 Mrd. Euro in den Büchern der Bad Bank gelandet sind, faule Kredite, die abgeschrieben werden müssen. Bisher hatten Finanzministerium und Heta-Management keine Zahlen für diese Altlasten genannt, aber schon deutlich niedrigere Schätzungen als „reinste Spekulation“ bezeichnet. Nun steht fest: Schon bald ist die Heta nicht mehr in der Lage, ihre Schulden bei Fälligkeit zu begleichen. 68 Schuldtitel sind laut Reuters-Daten ausstehend. Schon am 6. März würde eine Anleihe mit einem Volumen von 470 Mio. Euro zur Rückzahlung anstehen.
Dazu wird es nun vorerst nicht kommen. Am Freitag erfuhr der Bund als Alleinaktionär von der drohenden Pleite – und beschloss, kein zusätzliches Eigenkapital mehr zuzuschießen. Schon bis jetzt musste der Steuerzahler mit 5,5 Mrd. Euro für die Hypo-Rettungsaktionen aufkommen. Der Regierung sitzt aber nicht nur der Wähler, sondern auch die EU-Kommission im Nacken: Brüssel hätte nur noch 2,2 Mrd. als möglichen Kapitalzuschuss erlaubt – viel zu wenig, um das nun klaffende Loch zu stopfen. Damit hätte die – vorerst noch liquide – Heta ab sofort keinen einzigen Cent mehr an ihre Gläubiger zahlen dürfen, weil sie sonst einzelne von ihnen bevorzugt hätte. Um eine Insolvenz zu vermeiden, blieb nur noch eine Alternative: die Abwicklung durch die Regulierungsbehörde. Diese Möglichkeit besteht erst sei Anfang dieses Jahres, durch das seit 1. Jänner geltende „Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetz“. Es setzt die Vorgaben einer EU-Richtlinie um. Das „Kernstück“ darin ist – auch aus Sicht des Finanzministeriums in Wien –, dass damit auch private Gläubiger zur Kasse gebeten werden können.
Die Hypo Alpe Adria ist Geschichte, alles Verwertbare ist entweder schon verkauft, wie die Österreich-Tochter, oder befindet sich in der Abbaugesellschaft „Heta Asset Resolution“. Wie viel das Hypo-Desaster den Steuerzahler tatsächlich kostet, wird man wissen, wenn die Abbaubank ihre Arbeit beendet. Um 18 Milliarden Euro sind die Staatsschulden durch die Bad-Bank-Lösung gestiegen. Dass durch den Verkauf der verbliebenen Assets nicht allzu viel wieder hereinkommen wird, sieht man allerdings am derzeit recht zäh verlaufenden Verkauf der Balkantöchter. APA/BARBARA GINDL
Die BayernLB, gerade erst beim Kauf der Bawag abgeblitzt, wollte im Jahr 2007 die damals schon auf schwachen Beinen stehende Hypo „um jeden Preis haben“, so der Befund der Griss-Kommission. Bis 2009 wurde der Wachstumskurs am Balkan ungebremst fortgesetzt und damit die Probleme verschärft. Als nach Einsetzen der Wirtschaftskrise eine Insolvenz drohte, versuchte man, eine Beteiligung Österreichs zu erreichen. Dass es gelingen könnte, Österreich die Bank zur Gänze umzuhängen, hielt man in internen Papieren selbst für „unrealistisch“.Im Bild: Der verstorbene Landeshauptman Jörg Haider mit dem Ex-BayernLB-Chef Werner Schmidt. APA/EPA/GERT EGGENBERGER
Ein einträgliches Geschäft war die Hypo-Pleite für die Beraterbranche. 60 Millionen Euro wurden gezahlt, mit geringem Effekt: Dem standen nur bescheidene Rückflüsse gegenüber, so der Bericht der Griss-Kommission. Bildagentur Waldhaeusl
Die frühere ÖVP-Finanzministerin wird im Bericht der Griss-Kommission schwer gerügt: Eine Strategie nach der Verstaatlichung habe gefehlt, Entscheidungen seien ohne ausreichende Informationsgrundlagen und ohne das notwendige Fachwissen getroffen worden. Auch seien die Kontakte zum EU-Wettbewerbskommissar unzureichend gewesen. Fazit: Die Kosten für die Allgemeinheit seien weiter gestiegen. APA/ROBERT JAEGER
Michael Spindelegger hat die frühere OGH-Präsidentin mit der Aufarbeitung des Hypo-Skandals beauftragt – wohl mit zwei Hintergedanken: Erstens, damit einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verhindern und zweitens, einen Bericht ausgehändigt zu bekommen, der politisch nicht weh tut. Beides ist nicht aufgegangen: Die Griss-Kommission hat eine schonungslose Aufarbeitung geliefert – vor allem jener Bereiche, die ÖVP-Finanzminister zu verantworten hatten: Die Notverstaatlichung und die Untätigkeit danach. Und den U-Ausschuss gibt es trotzdem. APA/HELMUT FOHRINGER
Bis zu 24 Milliarden Euro betrugen die Haftungen des Landes Kärnten für die Bank. Grundlage dafür war ein Landtagsbeschluss aus dem Jahr 1990, als eine unbeschränkte Haftung für alle Verbindlichkeiten übernommen wurde. Als die EU 2003 das Modell der Landeshaftungen stoppte, ermöglichte es ein weiterer Landtagsbeschluss, dem nicht nur FPÖ, sondern auch SPÖ, ÖVP und Grüne zustimmten, dass das Land noch drei weitere Jahre lang unbeschränkt Haftungen übernehmen konnte. Das war die Phase in der die Haftungen von acht auf 24 Mrd. Euro explodierten – und das bei einem Landesbudget von knapp zwei Mrd. Euro. Imago
War als Landeshauptmann politisch verantwortlich für den riskanten Expansionskurs der Bank – die ihm dies mit politischen Gefälligkeiten dankte und Haiders Projekte und seine Partei finanzierte. APA
Der frühere Hypo-Chef betrieb die massive Expansionspolitik Richtung Balkan-Länder. Für den Bankmanager hat das strafrechtliche Konsequenzen, er ist bereits zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weitere Verfahren laufen. APA/HANS PUNZ
Der frühere ÖVP-Chef und Finanzminister wird von der Griss-Kommission schwer gerügt: Sie wirft ihm vor allem mangelnde Vorbereitung auf die Verhandlungen mit den Bayern vor. Notwendige Informationen seien nicht eingeholt und rechtliche Rahmenbedingungen nicht geprüft worden. Und es seien kein Strategiepapier und keine Alternativszenarien zu einer Insolvenz entwickelt worden. Die Drohung der Bayern mit einer Insolvenz hält die Kommission für wenig stichhaltig: Die Bayern hätten dabei nämlich selbst bis zu acht Milliarden Euro verloren. Und das hätten die Verhandler wissen müssen. Fazit: Die Notverstaatlichung war keineswegs alternativlos. Auch für die fehlende Strategie nach der Verstaatlichung ist Pröll bis zum Jahr 2011 verantwortlich. Die Presse (Clemens Fabry)
Der aktuelle ÖVP-Finanzminister weicht von der Linie seiner Vorgänger ab. Auch er findet, wie die Griss-Kommission, dass es Alternativen zur Notverstaatlichung gegeben hätte. Und auch eine Insolvenz schließt er nicht mehr kategorisch aus: Er will jetzt die Assets der Abbaugesellschaft prüfen und dann auf der Grundlage von Fakten entscheiden. Persönlich einbringen will er sich nun auch beim Abverkauf der Balkantöchter. Ein erster Versuch dazu war in der Vorwoche gescheitert. REUTERS
Der SPÖ-Klubchef war 2009 als Staatssekretär im Finanzministerium in die Verhandlungen zur Notverstaatlichung eingebunden. Diese hält er heute noch für richtig, nicht aber die Untätigkeit danach bis zur Einrichtung der Abbaugesellschaft. APA/HERBERT NEUBAUER
Als der frühere ÖVP-Chef nach der Nationalratswahl das Finanzministerium übernahm, beendete er die jahrelange Untätigkeit in Sachen Hypo-Abwicklung. Da der Plan, die österreichischen Banken sollten die Hypo auffangen, scheiterte, entschied er sich für die Einrichtung einer als Abbaugesellschaft – und gegen eine Insolvenz. APA/ROLAND SCHLAGER
Der Hypo-Skandal war ausschlaggebend für eine Reform der U-Ausschüsse, die ab Jänner von einem Viertel der Abgeordneten einberufen werden können. Der Hypo-U-Ausschuss wird vermutlich Anfang April mit den Zeugenbefragungen beginnen. APA/HERBERT PFARRHOFER
Wird nächstes Jahr entscheiden, ob die Hypo-Gesetze halten, mit denen Bayern-LB und die Halter von nachrangigen Anleihen zu einem finanziellen Beitrag verpflichtet werden. Klagen wurden von den Betroffenen eingebracht – und von der Opposition, die immer noch eine Insolvenzlösung durchsetzen will. APA/GEORG HOCHMUTH
Hypo-ABC: Ein Wegweiser durch das Debakel
Alles deutet auf Schuldenschnitt hin
Dabei hat man in Brüssel aber nicht an Konstrukte wie die Heta gedacht. Denn als reine Abwicklungseinheit hat sie keine Banklizenz und ist damit de iure gar keine Bank. Erst im letzten Moment kam der Absatz, dass auch eine solche Bad Bank erfasst sein soll, ins österreichische Gesetz – offenbar in „weiser“ Voraussicht. Damit deutet nun alles auf einen (neuerlichen) Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger hin. Für hohe heimische Bankenkreise ist das eine Horrorvorstellung. Schon im Vorjahr hatte Österreich Hypo-Investoren vor den Kopf gestoßen: Bestimmte Anleihegläubiger sollen ihr Geld nicht zurückbekommen, obwohl das Bundesland Kärnten dafür garantiert hatte. Das führte zu einer Rating-Rückstufung bei einigen anderen Instituten. Nun fürchtet man, dass durch die neuen Entwicklungen das Vertrauen in den heimischen Kapitalmarkt noch weiter verloren geht. Auf jeden Fall dürfte ein „Haircut“ eine Prozesslawine auslösen – auch gegen Kärnten (das Risiko übernimmt aber der Bund). Das Land garantiert noch für rund zehn Mrd. an offenen Forderungen, die nun ebenfalls „geschnitten“ werden könnten.
Noch schlimmer haben Republik und Regulator aber offenbar die Folgen einer plötzlichen Insolvenz eingeschätzt. Wo liegt der Unterschied? Bei der Abwicklung durch die Regulierungsbehörde ist der Ablauf geordneter. Statt eines Konkursrichters treffen die Finanzmarktexperten der FMA die Entscheidungen. Vor allem aber: Sobald ein Konkurs eröffnet ist, wären alle ausstehenden Anleihen sofort zur Tilgung fällig. Auch die entsprechenden Garantien würden in diesem Moment schlagend. Das wird bei der nun beschlossenen Abwicklung durch die Aufseher und dem „Moratorium“ für die Schulden vermieden.