Neben Spindelegger könnte auch Ex-Innenminister Schlögl dem Direktorium der "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" angehören. Hauptfinanzier: Oligarch Dmitri Firtasch.
Michael Spindelegger hat einen neuen Job: Der Ex-ÖVP-Chef und Vizekanzler wird Direktor der Agency for the Modernization of Ukraine (Agentur für die Modernisierung der Ukraine - AMU). Dem dreiköpfigen Direktorium wird außerdem Ex-Innenminister Karl Schlögl angehören. Der nunmehrige Bürgermeister von Purkersdorf bestätigte gegenüber "Der Presse", dass er wegen des Postens angesprochen wurde: "Ich werde mir das durch den Kopf gehen lassen. Es gibt noch ein weiteres Treffen", sagte Schlögl. Als dritter Direktor wird der deutsche Politberater Udo Brockhausen genannt.
Der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister, Michael Spindelegger, hat eine neue Aufgabe. Nachdem der einstige ÖVP-Chef im August 2014 dem parteiinternen Druck nacgegeben hat und sich von allen Funktionen zurückzog, wird er künftig für die "Modernisierung der Ukraine" zuständig sein. Konkret soll Spindelegger bei der Agency for the Modernisation of the Ukraine (AMU) beschäftigt werden.Ein Porträt. APA/HANS KLAUS TECHT
Die politische Heimat des Michael Spindelegger ist der ÖAAB. Die Nähe zum Arbeitnehmerbund, dem er zwei Jahre als Obmann vorstand, hat Spindelegger quasi im Blut. Schon sein Vater Erich, ein Bundesbahnoberinspektor, war im ÖAAB tätig, Nationalratsabgeordneter und Bürgermeister in der Hinterbrühl - dem Heimatort der Familie, dem auch der am 21. Dezember 1959 im benachbarten Mödling geborene Sohn treu geblieben ist. APA
Die politische Karriere des Cartellbruders begann nach seinem mit Doktorat abgeschlossenen Jus-Studium als Bediensteter des Landes Niederösterreich, und so wirklich 1987, als der Reserveoffizier ins Kabinett des damaligen Verteidigungsministers Robert Lichal wechselte. 1992 wurde es erstmals etwas mit einem Mandat im Parlament, allerdings vorläufig nur im Bundesrat. Nebenbei verdingte sich Spindelegger in der Giro-Credit. 1993 zog er in den Nationalrat ein. APA
Schon damals galt Spindelegger als Zukunftshoffnung des ÖAAB, dem er ab 1991 als stellvertretender Obmann diente und dessen niederösterreichische Teilorganisation er 1998 übernahm. Nach dem EU-Beitritt Österreichs gehörte Spindelegger 1995 zu den ersten österreichischen Europaparlamentariern. Im Oktober 1996 kehrte er in den Nationalrat zurück. Von 2000 bis 2006 war er dort Klubobmann-Stellvertreter, ab 2006 Zweiter Nationalratspräsident. APA
Die Kandidatur für den Posten des Zweiten Nationalratspräsidenten wäre aber fast schief gelaufen. Die bisherige Finanzministerin Maria Fekter startete eine Art Guerilla-Kandidatur und unterlag Spindelegger gerade einmal um eine Stimme. 2012 kam es zu einem neuen "Duell" zwischen Spindelegger und Fekter, das diesmal die Oberösterreicherin gewann. Der Parteichef soll versucht haben, das mächtige Finanzministerium selbst zu übernehmen, aber am parteiinternen Widerstand gescheitert sein. APA
Bevor Spindelegger aber nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Josef Pröll 2011 zum Parteichef der ÖVP wurde, führte ihn sein Karriereweg vom Nationalratspräsidium zunächst ins Außenministerium. Spindelegger bemühte sich in Österreich mit diversen Diskussionsveranstaltungen um ein besseres Europa-Image, und am internationalen Parkett genoss er den Glanz der österreichischen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat. APA
Auch in Österreich bastelte der vom Boulevard wohlgelittene Außenminister weiter an seiner Laufbahn. Nachdem der ÖAAB des Beamten-Lobbyisten Fritz Neugebauer überdrüssig geworden war, wurde er 2009 Vorsitzender des Arbeitnehmerbundes. Als er von Pröll die ÖVP übernahm, gab er die ÖAAB-Führung seiner niederösterreichischen Verbündeten, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ab. Sie schickte er 2012 dann auch als vorderste Kämpferin in die Volksbefragung um die Wehrpflicht, die aus Sicht der Volkspartei erfolgreich geschlagen wurde. APA
In jüngster Zeit gefiel sich der Vizekanzler nicht nur in der gewohnten Rolle des seriösen Sachpolitikers, sondern auch in jener des Angreifers. Das wirkt allerdings nicht immer sonderlich authentisch, denn gerade ein verbindlicher Ton und höfliches Auftreten galten stets als Spindeleggers Stärken. Als sein größtes Manko empfand man auch in der eigenen Partei fehlendes Charisma. Doch Landeshauptmann Erwin Pröll hielt zunächst seine schützende Hand über den Niederösterreicher. APA
Wohl auch deshalb durfte Michael Spindelegger nach der Nationalratswahl im Herbst 2013 Parteichef bleiben und sogar wunschgemäß vom Außen- ins Finanzressort wechseln. Die ÖVP hatte zuvor unter seiner Führung mit 24 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl eingefahren.
Im Sommer 2014 erhöhte sich der parteiinterne Druck auf Spindelegger dann aber noch einmal. Kritik an der ausbleibenden Steuerreform kam etwa aus den westlichen Bundesländern. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer etwa forderte einen "Turnaround", Tirols Landeschef Günther Platter eine "Kurskorrektur" und Tirols AK-Chef Erwin Zangerl Spindeleggers am 26. August 2014 Rücktritt. APA/ROLAND SCHLAGER
Spindelegger ist verheiratet und hat zwei Söhne. Lieblingsmusik: Klassische Musik Hobbys: Tennis, Skitouren, Radfahren, Laufen, Wandern APA
Neuer Job für Michael Spindelegger
Dienstagnachmittag bestätigte auch Spindelegger: "Wir werden drei Geschäftsführer sein. Udo Brockhausen und auch Karl Schlögl, den sie aus Österreich kennen."An ihn herangetreten sei man vor drei Wochen, so Spindelegger weiter. "Ich wurde dann in das advisory board eingeladen und so haben wir Stück für Stück begonnen, das ganze Projekt aufzusetzen." Details zu dem Budget der Agentur sowie über sein Gehalt wollte der Ex-Vizekanzler nicht verraten: "Ich mache das als selbstständiger Unternehmer und werde das, was üblich ist, in die Verhandlungen einbringen." Noch habe er keinen Vertrag, der soll in den nächsten Tagen unterschrieben werden.
Gegen Kaution freier Oligarch zieht die Fäden
Unklar ist auch die zeitliche Dimension des Engagements: Hauptfinanzier und treibende Kraft hinter der Agentur ist Dmitri Firtasch. Laut des ukrainischen Oligarchen, gegen den es einen US-Haftbefehl gibt, habe die Agentur die Aufgabe, innerhalb von 200 Tagen einen Masterplan für Wirtschafts-, Steuer- und Verfassungsreformen in der Ukraine auszuarbeiten. "Das ist meine Aufgabe", betonte Spindelegger, "darauf stelle ich mich ein."
Für Michael Spindelegger beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Nach über einem halben Jahr seit seinem Abschied aus der Politik, hat der gelernte Jurist eine neue Aufgabe für sich gefunden. Er wird Direktor der Agentur für die Modernisierung der Ukraine (AMU).Dass das Finden einer angemessenen Tätigkeit nicht so einfach ist, darüber können auch andere ehemalige ÖVP-Chefs ein Lied singen. (Von Martin Fritzl und Rainer Nowak) (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Allen voran Erhard Busek, der 1995 als 54-Jähriger abgelöst wurde. Eine echte Aufgabe konnte oder besser gesagt wollte sein Nachfolger Wolfgang Schüssel für ihn nicht finden. Sogar im ÖVP-Klub war, wie Busek erst am Montag bei der Präsentation seines Buches „Lebensbilder“ im Gespräch mit der „Presse“ erzählte, keine einzige relevante Ausschuss-Funktion für ihn vorgesehen. Daher zog er sich aus dem Nationalrat zurück. Seine Frau habe ihm später gesagt, er habe plötzlich begonnen, Blumen umzutopfen. Daran könne er sich zwar gar nicht mehr erinnern, wohl aber, wie er schreibt, dass seine Frau offenbar Freunde und politische Wegbegleiter angerufen habe, um sich mit ihm, Busek, zu verabreden. „Denn plötzlich war der Terminkalender leer.“ Schüssel habe ihm später wohl noch die Position des Leiters eines Kulturinstituts angeboten – „aber das hätte er im Außenressort nie durchgebracht“. Das Ende der Freundschaft zu Wolfgang Schüssel nennt Busek den „einzigen Schmerz, der mir aus der politischen Zeit geblieben ist“. Die Gründe dafür kenne er eigentlich „nicht so genau“, vielleicht dass es nie ein klärendes Gespräch zwischen ihnen gegeben habe, vielleicht Buseks Kritik an Schwarz-Blau. „Wahrscheinlich war ich zu empfindlich der Tatsache wegen, dass man mich nach dem Ausscheiden aus der Regierung nicht mehr brauchen konnte“, schreibt Busek. Derzeit fungiert der nun 73-Jährige als Präsident des Instituts für den Donauraum, Präsident des Gustav-Mahler-Jugendorchesters und Obmann des Kammermusikfestes Lockenhaus. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Den Umstieg in die Privatwirtschaft geschafft hat dagegen Spindeleggers Vorgänger Josef Pröll, der auf seine Kontakte zur Raiffeisen-Organisation bauen konnte: Er leitet nun den Raiffeisen-Konzern Leipnik-Lundenburger. Pröll, der die Politik weiterhin beobachtet, aber im Gegensatz zu machen seiner Kollegen nicht kommentiert, nannte als größten Vorteil des Lebens nach der Politik, die Möglichkeit der eigenen Entscheidung. In einem Konzern würden Projekte geprüft, berechnet und abgewogen, dann entschieden und erst am Schluss kommuniziert. In der Politik sei es genau umgekehrt – genau das mache die handelnden Personen zu Getriebenen, sagt Pröll heute. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Etwas länger hat es bei Prölls Vorgänger Wilhelm Molterer gedauert, bis er beruflich wieder durchstarten konnte. Der Kurzzeit-Parteichef, der 2007 Wolfgang Schüssel nachgefolgt war und nach der verlorenen Neuwahl 2008, die er selbst angezettelt hatte („Es reicht!“), wieder abtreten musste, blieb drei Jahre lang einfacher Abgeordneter der ÖVP. Erst dann fand die Partei einen Job und kürte den früheren Finanzminister zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank. (c) Michaela Bruckberger
Schüssel selbst war schon 61, als er sich nach der verlorenen Nationalratswahl 2006 von der Spitze der ÖVP zurückzog. Eine Karriere abseits der Politik war daher nicht mehr so dringlich. Zwei Jahre lang zog er aber weiterhin, als Chef des ÖVP-Parlamentsklubs, die Fäden. Daneben sicherte er sich als Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE ein einträgliches Nebengeschäft – das ihm aber, aufgrund der Atomkraft-Aktivitäten des Konzerns etliche kritische Kommentare einbrachte. (c) APA (HANS KLAUS TECHT)
Interessanterweise zog es frühere SPÖ-Chefs eher in die Privatwirtschaft: Alfred Gusenbauer (Bild) baute sich – nach einem Intermezzo bei der Arbeiterkammer Niederösterreich – ein florierendes Consulting-Unternehmen auf und sitzt in etlichen Aufsichtsräten – etwa als Aufsichtsratschef des Baukonzerns Strabag, bei der RHI und bei Rene Benkos Signa. Sein Vorgänger Viktor Klima wechselte zum VW-Konzern und wurde Chef von Volkswagen in Südamerika. Und auch Franz Vranitzky war nach seinem Ausscheiden aus der Politik in etlichen Aufsichtsräten aktiv. (c) Presse / Bruckberger
Das schwierige Leben nach der Politik
Auf Firtasch angesprochen, der gegen eine Rekordkaution von 125 Millionen Euro auf freien Fuß gesetzt wurde und nun in Österreich festsitzt, meinte der Ex-Minister: "Ich arbeite für die Agentur, nicht für eine Person oder einen Verband." Zwar werde der Oligarch "natürlich" einen finanziellen Beitrag leisten, "aber wir wollen natürlich auch Andere gewinnen, diesen Prozess zu begleiten, mitzuarbeiten und auch mitzufinanzieren."Das AMU-Direktorium mit Spindelegger thront jedenfalls über prominent besetzen Arbeitsgruppen. So steht etwa der deutsche Ex-Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück der Arbeitsgruppe "Finanzen und Steuern" vor. Sein Landsmann, Ex- EU-Kommissar Günter Verheugen leitet den Themenkomplex "EU-Integration". Agenturberichten zufolge ist auch der frühere französische Außenminister Bernard Kouchner an Bord.
Die drei Gründer der Agentur sind der französische Starphilosoph Bernard-Henry Levy, der deutsche Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann und der britische Parlamentarier Lord Risby.
Der neue Direktor Spindelegger hatte am 26. August 2014 seinen Rücktritt von allen politischen Posten erklärt.