Der Oligarch Firtasch will einen Ukraine-Fonds mit 300 Milliarden auf die Beine stellen. Prominente Ex-Politiker sollen ihm helfen.
Wien. Seit seinem überraschenden Rücktritt vor etwas mehr als einem halben Jahr hatte Michael Spindelegger sich nur ein Mal einem größeren Publikum gezeigt: bei der Wahl Reinhold Mitterlehners zu seinem Nachfolger als ÖVP-Chef. Sonst war der ehemalige Außen- und Finanzminister fast völlig von der Bildfläche verschwunden. Am gestrigen Dienstag tauchte er im Neorenaissance-Ambiente des Palais Ferstl beim Internationalen Forum „Ukraine morgen“ auf – und präsentierte sich in seiner neuen Rolle: als Direktor der Agentur zur Modernisierung der Ukraine.
Auf Spindelegger kommt Großes zu: Er soll innerhalb von 200 Tagen einen Masterplan für die Modernisierung der Ukraine auf die Beine stellen. Auch Geld soll es dafür geben, sehr viel Geld. Initiator Dimitri Firtasch, ein schillernder ukrainischer Oligarch, sprach im Palais Ferstl von einem mit 300 Milliarden Euro dotierten Fonds, einem neuen Marshall-Plan für die Ukraine. In den Pott einzahlen sollen auch andere reiche Ukrainer wie Rinat Ahmetow und Pintschuk – und westliche Investoren natürlich auch. Im Interview mit der „Presse“ streckte Firtasch die Hand zudem nach Russland aus. „Auch russische Investoren sollen mit an Bord sein.“ Ihr Anteil solle aber 25 Prozent nicht überschreiten.
Gründer ist Starphilosoph Lévy
Angemeldet ist der neue Verein in Wien. Als Gründungsmitglieder sind Bernard-Henri Lévy, der französische Starphilosoph mit offenem weißen Hemd, der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann sowie der konservative Abgeordnete im britischen Oberhaus, Lord Richard Risby (unter seinem bürgerlichen Namen Spring) eingetragen. Doch jeder weiß: Der Strippenzieher heißt Dimitri Firtasch.
Seit dem 12.März des Vorjahres sitzt der Magnat in Wien fest. An diesem Tag verhafteten ihn die österreichischen Behörden vor dessen Firmensitz in der Schwindgasse, auf Basis eines amerikanischen Rechtshilfeansuchens. Ein US-Bezirksgericht erließ gegen den ukrainischen Industriellen einen Haftbefehl wegen Verdachts auf Bestechung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der Fall ist reichlich verworren, spielt in Indien, es geht vordergründig um angebliches Schmiergeld an Politiker bei einem Titanförderprojekt. Im Hintergrund dürfte auch eine Fehde mit der ukrainischen Ex-Premierministerin Julia Timoschenko eine Rolle spielen: Sie warf Firtasch vor, als Strohmann des vom FBI gesuchten Mafiabosses Semjon Mogilewitsch Geld gewaschen zu haben.
Schlögl soll auch ins Direktorium
Neun Tage lang saß Firtasch im März des Vorjahres in der Justizanstalt Josefstadt ein. Dann kam er gegen eine Kaution von 125Millionen Euro frei. Seinen Pass musste er abgeben. Seither lenkt der Milliardär von Österreich aus seinen Mischkonzern DF (Gas, Immobilien, Titan) – und politische Fäden zieht er auch.
Im Oktober trat der Oligarch erstmals bei einer illustren Konferenz in Wien in Erscheinung, dem Business Ukraine Forum. Firtasch erklomm das Podium in seiner Eigenschaft als Präsident des ukrainischen Arbeitgeberverbands. Um ihn herum wimmelte es nur so von prominenten Teilnehmern in der Hofburg: Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück war ebenso angereist wie Lévy. Schon damals war klar, dass sie alle dem Ruf von Dimitri Firtasch gefolgt waren.
Spindelegger ist eigenen Angaben zufolge erst seit drei Wochen dabei. Seinen Direktorenvertrag hat er noch nicht unterschrieben. Doch er schlug vor, in das Dreiergremium auch einen Roten zu holen, nahm Kontakt zum ehemaligen SP-Innenminister Karl Schlögl auf. Der nunmehrige Bürgermeister von Purkersdorf bestätigt auf Anfrage der „Presse“, diesbezüglich angesprochen worden zu sein. „Ich werde mir das noch durch den Kopf gehen lassen. Es gibt noch ein weiteres Treffen. Zu viel Arbeitsbelastung sollte nicht anfallen.“ Drittes Mitglied im Direktorium soll ein Berliner Politikberater namens Udo Brockhausen sein.
Der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister, Michael Spindelegger, hat eine neue Aufgabe. Nachdem der einstige ÖVP-Chef im August 2014 dem parteiinternen Druck nacgegeben hat und sich von allen Funktionen zurückzog, wird er künftig für die "Modernisierung der Ukraine" zuständig sein. Konkret soll Spindelegger bei der Agency for the Modernisation of the Ukraine (AMU) beschäftigt werden.Ein Porträt. APA/HANS KLAUS TECHT
Die politische Heimat des Michael Spindelegger ist der ÖAAB. Die Nähe zum Arbeitnehmerbund, dem er zwei Jahre als Obmann vorstand, hat Spindelegger quasi im Blut. Schon sein Vater Erich, ein Bundesbahnoberinspektor, war im ÖAAB tätig, Nationalratsabgeordneter und Bürgermeister in der Hinterbrühl - dem Heimatort der Familie, dem auch der am 21. Dezember 1959 im benachbarten Mödling geborene Sohn treu geblieben ist. APA
Die politische Karriere des Cartellbruders begann nach seinem mit Doktorat abgeschlossenen Jus-Studium als Bediensteter des Landes Niederösterreich, und so wirklich 1987, als der Reserveoffizier ins Kabinett des damaligen Verteidigungsministers Robert Lichal wechselte. 1992 wurde es erstmals etwas mit einem Mandat im Parlament, allerdings vorläufig nur im Bundesrat. Nebenbei verdingte sich Spindelegger in der Giro-Credit. 1993 zog er in den Nationalrat ein. APA
Schon damals galt Spindelegger als Zukunftshoffnung des ÖAAB, dem er ab 1991 als stellvertretender Obmann diente und dessen niederösterreichische Teilorganisation er 1998 übernahm. Nach dem EU-Beitritt Österreichs gehörte Spindelegger 1995 zu den ersten österreichischen Europaparlamentariern. Im Oktober 1996 kehrte er in den Nationalrat zurück. Von 2000 bis 2006 war er dort Klubobmann-Stellvertreter, ab 2006 Zweiter Nationalratspräsident. APA
Die Kandidatur für den Posten des Zweiten Nationalratspräsidenten wäre aber fast schief gelaufen. Die bisherige Finanzministerin Maria Fekter startete eine Art Guerilla-Kandidatur und unterlag Spindelegger gerade einmal um eine Stimme. 2012 kam es zu einem neuen "Duell" zwischen Spindelegger und Fekter, das diesmal die Oberösterreicherin gewann. Der Parteichef soll versucht haben, das mächtige Finanzministerium selbst zu übernehmen, aber am parteiinternen Widerstand gescheitert sein. APA
Bevor Spindelegger aber nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Josef Pröll 2011 zum Parteichef der ÖVP wurde, führte ihn sein Karriereweg vom Nationalratspräsidium zunächst ins Außenministerium. Spindelegger bemühte sich in Österreich mit diversen Diskussionsveranstaltungen um ein besseres Europa-Image, und am internationalen Parkett genoss er den Glanz der österreichischen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat. APA
Auch in Österreich bastelte der vom Boulevard wohlgelittene Außenminister weiter an seiner Laufbahn. Nachdem der ÖAAB des Beamten-Lobbyisten Fritz Neugebauer überdrüssig geworden war, wurde er 2009 Vorsitzender des Arbeitnehmerbundes. Als er von Pröll die ÖVP übernahm, gab er die ÖAAB-Führung seiner niederösterreichischen Verbündeten, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ab. Sie schickte er 2012 dann auch als vorderste Kämpferin in die Volksbefragung um die Wehrpflicht, die aus Sicht der Volkspartei erfolgreich geschlagen wurde. APA
In jüngster Zeit gefiel sich der Vizekanzler nicht nur in der gewohnten Rolle des seriösen Sachpolitikers, sondern auch in jener des Angreifers. Das wirkt allerdings nicht immer sonderlich authentisch, denn gerade ein verbindlicher Ton und höfliches Auftreten galten stets als Spindeleggers Stärken. Als sein größtes Manko empfand man auch in der eigenen Partei fehlendes Charisma. Doch Landeshauptmann Erwin Pröll hielt zunächst seine schützende Hand über den Niederösterreicher. APA
Wohl auch deshalb durfte Michael Spindelegger nach der Nationalratswahl im Herbst 2013 Parteichef bleiben und sogar wunschgemäß vom Außen- ins Finanzressort wechseln. Die ÖVP hatte zuvor unter seiner Führung mit 24 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl eingefahren.
Im Sommer 2014 erhöhte sich der parteiinterne Druck auf Spindelegger dann aber noch einmal. Kritik an der ausbleibenden Steuerreform kam etwa aus den westlichen Bundesländern. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer etwa forderte einen "Turnaround", Tirols Landeschef Günther Platter eine "Kurskorrektur" und Tirols AK-Chef Erwin Zangerl Spindeleggers am 26. August 2014 Rücktritt. APA/ROLAND SCHLAGER
Spindelegger ist verheiratet und hat zwei Söhne. Lieblingsmusik: Klassische Musik Hobbys: Tennis, Skitouren, Radfahren, Laufen, Wandern APA
Neuer Job für Michael Spindelegger
Spindeleggers Aufgabe wird es sein, rasch Kontakt zur Investitionsbank, zur EU-Kommission und zu anderen europäischen Institutionen herzustellen. Wie viel er dafür kassiert, wollte der Ex-Finanzminister gegenüber der „Presse“ nicht preisgeben. „Ich mache das als selbstständiger Unternehmer.“
Firtasch lässt sich das Spektakel einiges kosten. Prominent und wohl einigermaßen teuer besetzt sind auch die Führungspositionen in den Arbeitsgruppen seiner Modernisierungsagentur. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück leitet den Workstream für Finanzen, Ex-EU-Kommissar Günther Verheugen ist für EU-Integration zuständig, der deutsche Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz für die Verfassung, der ehemalige britische EU-Kommissar Lord Peter Mandelson für Handel, die französische Unternehmerin Laurence Parisot für Wirtschaft, Polens Ex-Premier Włodzimierz Czymoszewicz für den Kampf gegen Korruption und Frankreichs Ex-Außenminister Bernard Kouchner für Gesundheit.
Bleibt die Frage, warum Firtasch sich das antut. Allein aus Patriotismus? „Politiker in der Ukraine sind Statisten. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen“, sagte er im Palais Ferstl. Ein nicht unwillkommener Nebeneffekt wird sein, dass der Oligarch sein Image aufpoliert, während er in Wien darauf wartet, ob er an die USA ausgeliefert wird oder nicht.
Für Michael Spindelegger beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Nach über einem halben Jahr seit seinem Abschied aus der Politik, hat der gelernte Jurist eine neue Aufgabe für sich gefunden. Er wird Direktor der Agentur für die Modernisierung der Ukraine (AMU).Dass das Finden einer angemessenen Tätigkeit nicht so einfach ist, darüber können auch andere ehemalige ÖVP-Chefs ein Lied singen. (Von Martin Fritzl und Rainer Nowak) (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Allen voran Erhard Busek, der 1995 als 54-Jähriger abgelöst wurde. Eine echte Aufgabe konnte oder besser gesagt wollte sein Nachfolger Wolfgang Schüssel für ihn nicht finden. Sogar im ÖVP-Klub war, wie Busek erst am Montag bei der Präsentation seines Buches „Lebensbilder“ im Gespräch mit der „Presse“ erzählte, keine einzige relevante Ausschuss-Funktion für ihn vorgesehen. Daher zog er sich aus dem Nationalrat zurück. Seine Frau habe ihm später gesagt, er habe plötzlich begonnen, Blumen umzutopfen. Daran könne er sich zwar gar nicht mehr erinnern, wohl aber, wie er schreibt, dass seine Frau offenbar Freunde und politische Wegbegleiter angerufen habe, um sich mit ihm, Busek, zu verabreden. „Denn plötzlich war der Terminkalender leer.“ Schüssel habe ihm später wohl noch die Position des Leiters eines Kulturinstituts angeboten – „aber das hätte er im Außenressort nie durchgebracht“. Das Ende der Freundschaft zu Wolfgang Schüssel nennt Busek den „einzigen Schmerz, der mir aus der politischen Zeit geblieben ist“. Die Gründe dafür kenne er eigentlich „nicht so genau“, vielleicht dass es nie ein klärendes Gespräch zwischen ihnen gegeben habe, vielleicht Buseks Kritik an Schwarz-Blau. „Wahrscheinlich war ich zu empfindlich der Tatsache wegen, dass man mich nach dem Ausscheiden aus der Regierung nicht mehr brauchen konnte“, schreibt Busek. Derzeit fungiert der nun 73-Jährige als Präsident des Instituts für den Donauraum, Präsident des Gustav-Mahler-Jugendorchesters und Obmann des Kammermusikfestes Lockenhaus. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Den Umstieg in die Privatwirtschaft geschafft hat dagegen Spindeleggers Vorgänger Josef Pröll, der auf seine Kontakte zur Raiffeisen-Organisation bauen konnte: Er leitet nun den Raiffeisen-Konzern Leipnik-Lundenburger. Pröll, der die Politik weiterhin beobachtet, aber im Gegensatz zu machen seiner Kollegen nicht kommentiert, nannte als größten Vorteil des Lebens nach der Politik, die Möglichkeit der eigenen Entscheidung. In einem Konzern würden Projekte geprüft, berechnet und abgewogen, dann entschieden und erst am Schluss kommuniziert. In der Politik sei es genau umgekehrt – genau das mache die handelnden Personen zu Getriebenen, sagt Pröll heute. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Etwas länger hat es bei Prölls Vorgänger Wilhelm Molterer gedauert, bis er beruflich wieder durchstarten konnte. Der Kurzzeit-Parteichef, der 2007 Wolfgang Schüssel nachgefolgt war und nach der verlorenen Neuwahl 2008, die er selbst angezettelt hatte („Es reicht!“), wieder abtreten musste, blieb drei Jahre lang einfacher Abgeordneter der ÖVP. Erst dann fand die Partei einen Job und kürte den früheren Finanzminister zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank. (c) Michaela Bruckberger
Schüssel selbst war schon 61, als er sich nach der verlorenen Nationalratswahl 2006 von der Spitze der ÖVP zurückzog. Eine Karriere abseits der Politik war daher nicht mehr so dringlich. Zwei Jahre lang zog er aber weiterhin, als Chef des ÖVP-Parlamentsklubs, die Fäden. Daneben sicherte er sich als Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE ein einträgliches Nebengeschäft – das ihm aber, aufgrund der Atomkraft-Aktivitäten des Konzerns etliche kritische Kommentare einbrachte. (c) APA (HANS KLAUS TECHT)
Interessanterweise zog es frühere SPÖ-Chefs eher in die Privatwirtschaft: Alfred Gusenbauer (Bild) baute sich – nach einem Intermezzo bei der Arbeiterkammer Niederösterreich – ein florierendes Consulting-Unternehmen auf und sitzt in etlichen Aufsichtsräten – etwa als Aufsichtsratschef des Baukonzerns Strabag, bei der RHI und bei Rene Benkos Signa. Sein Vorgänger Viktor Klima wechselte zum VW-Konzern und wurde Chef von Volkswagen in Südamerika. Und auch Franz Vranitzky war nach seinem Ausscheiden aus der Politik in etlichen Aufsichtsräten aktiv. (c) Presse / Bruckberger
Neben Spindelegger könnte auch Ex-Innenminister Schlögl dem Direktorium der "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" angehören. Hauptfinanzier: Oligarch Dmitri Firtasch.
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