Mans Zelmerlöw gewann für Schweden zum sechsten Mal den ESC. Russland wurde Zweiter, Italien Dritter. Den letzten Platz teilen sich Österreich und Deutschland.
Der 60. Eurovision Song Contest in Wien ist enschieden und der Favorit ist auch der Sieger: Sänger Mans Zelmerlöw holte sich Samstagnacht in der Wiener Stadthalle letztlich klar mit 365 Punkten - den Titel mit seinem Song "Heroes". Damit ist der 28-Jährige der Nachfolger von Österreichs Kandidatin Conchita Wurst, die im Vorjahr in Kopenhagen triumphierte. Österreich, vertreten durch The Makemakes, wurde ex aequo mit Deutschland (Ann Sophie) punktelos Letzter.
Buhrufe für Russland
"Jeder von uns ist ein Held", sagte Zelmerlöw in einer ersten Stellungnahme und in Anspielung auf sein Siegerlied. Mit dem Erfolg in Wien hält Schweden bei insgesamt sechs Siegen beim Eurovision Song Contest. Trotz Schwedens Favoritenrolle wurde es doch noch spannend: Lange lag Russlands Vertreterin Polina Gagarina bei der Punkte-Vergabe in Führung. Für sie reichte es schließlich für Platz zwei (303 Punkte). Als die Russin zwischenzeitlich führte, konnte man in der Stadthalle - politisch motivierte - Buhrufe hören. Erst nach einer Aufforderung der Moderatorinnen verstummten die Pfiffe. Erst recht, als Schweden die Führung übernahm.
Der dritte Platz ging an das italienische Trio Il Volo. Gast-Teilnehmer Australien belegte hinter Belgien Platz fünf. Guy Sebastian, der für Australien antrat, sprach gegenüber dem ORF von einer "großartigen Erfahrung".
Österreich zum fünften Mal Letzter
Österreichs Vertreter, die Makemakes, trafen offenbar nicht den Geschmack Europas und kamen mit 0 Punkten gemeinsam mit Deutschland auf dem letzten Platz. In einem ersten Interview mit dem ORF sagten The Makemakes: "Naja, grundsätzlich waren wir auf jeden Fall die Underdogs, aber für uns, wir haben so viele Fans durch das gekriegt, war eine coole Erfahrung, haben soviele leute kennengelernt, Australien hat uns auf eine Tour eingeladen. Es stehen so viele Leute hinter uns. Es war richtig gut eigentlich. Es war ein Experiment für uns. Waren doch nicht der typische Song Contest Act, wenn man die Punkte sieht, hats nicht zu 100 prozent gefunkt".
Österreich wurde zum fünften Mal Letzter beim ESC und hat nach 1962, 1988 und 1991 zum vierten Mal den Song Contest punktelos beendet.
Geschafft. Der Eurovision Song Contest 2015 in Wien ist Geschichte - mit einem Favoritensieg von Schweden. Das Finale war eine beeindruckende Show mit einer spannenden, weil politisch aufgeladenen Votingverkündung.Klemens Patek lässt die 27 Songs noch einmal Revue passieren. REUTERS
Mit dem "Building Brigdes"-Song ging es los. Conchita Wurst und auch das Moderatorentrio Arabella Kiesbauer, Mirjam Weichselbraun und Alice Tumler sangen ein paar Zeilchen. Die Moderatorinnen blieben souverän, charmant. Viel gibt es bei einer Show diesen Ausmaßes ohnehin nicht zu sagen. Spontane Sätze von Alice Tumler mit der Bitte um Respekt für die russische Kandidatin oder auch der Hinweis an ihren Freund, dass sie keinen Ring am Finger trägt, waren sehr charmant. Österreichwerbung war vor allem zu Beginn der Show immer und überall - inklusive Sängerknaben. Tolle Pausenshow mit Top-Percussionist Martin Grubinger. GEPA pictures
Einer der Bilder des Abends: Immer mehr Buh-Rufe ereilen Polina Gagarina aus Russland, wenn zwölf Punkte für ihr Land erteilt werden - unverdient. Und dann dieses Bild: Gagarina sitzt mit Conchita Wurst auf der Couch im Green Room - einem schwulen Mann in Frauenkleidern mit Bart - live im russischen Fernsehen. APA/GEORG HOCHMUTH
Schweden war der große Favorit im Vorfeld und holt den Sieg nach 2012 erneut.Die Show von Mans Zelmerlöw war exzellent, die Strichmännchen-Animation, mit der der stets nur Mans gerufene Sänger interagierte, perfekt - wenn auch berechenbar. Die Stimme von Mans ist großartig. Wie er die "ohuohuohs" mit einer Präzision dahingeschleudert hat - spitze! Solider Pop, professionell umgesetzt. Wegen der Favoritenrolle im Nachhinein aber quasi ein fader Sieg. (c) APA/EPA/JULIAN�STRATENSCHULTE (JULIAN�STRATENSCHULTE)
Ein Wechselbad der Gefühle für Polina Gagarina. Bei zwölf Punkte-Verkündungen für sie wurden Buhrufe immer lauter. Lange lag sie in Führung. Erst eine freundliche Ermahnung von Moderatorin Alice Tumler, dass der Contest politikfrei bleiben sollte, besserte sich die Stimmung ein wenig.Musikalisches Fazit: Nicht so sicher, wie im Semifinale. Aber das ist eine Hymne, gesungen von einem Bühnenprofi mit super Stimme. Überdramatische Akkordfolge am Ende... aber okay. (c) APA/EPA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Am Anfang des Votings noch in Führung, schließlich ein abgesicherter 3. Platz. Gesanglich 1A, das Gehabe etwas gestelzt (sogar für ESC-Verhältnisse). Der Song geht nicht gleich ins Ohr, kommt aber wuchtig eindrucksvoll daher. Drama, Drama, Drama, das im Publikum ankommt. War das ein kitschiger Dur-Akkord am Ende? (c) APA/EPA/JULIAN�STRATENSCHULTE (JULIAN�STRATENSCHULTE)
Ein sehr kurzes Vibrato, das Herr Nottet am Ende seiner Phrasen zu singen gepflegt. Passt aber. Coole Raunzstimme - auch in den Höhen. Song steht ihm perfekt. Perfekt produzierter Pop, der die Trends im aktuellen Sounddesign super aufgegriffen hat. Geheimfavoritenrolle bestätigt. (c) APA/EPA/JULIAN�STRATENSCHULTE (JULIAN�STRATENSCHULTE)
Guy Sebastian hat einfach gerockt. Stimmlich hat er in den ersten Takten gezeigt, was er drauf hat und steckt Kollegen Karayiannis aus Zypern locker in die Westentasche. Song Marke Bruno Mars inklusive obligatorischem Hut. Super Moves. Backgroundsänger lieferten Coolness und den richtigen Sound. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
Der Song "Love Injected", von Aminata interpretiert, bleibt ein Fall für Pop-Kritiker: Coole Sounds, gut gemacht, aber wann privat Anhören: Weder im Club noch auf der Couch oder beim Joggen.... Refrain ist auch ziemlich geschrien gewesen - wenn auch technisch und tonal großteils sauber. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Stig Rastä hat zu Beginn leider nicht alle Töne getroffen. Zuerst im tiefen Teil nie wirklich die Linie gefunden, dann leider im Übergang zu seiner stimmlich traumhaften Kollegin Elina Born noch einmal daneben gegriffen. Im zweiten Hören wurde der Song nicht spannender. Der Common Linnets-Vergleich hinkt - trotz Bühnentränen. (c) ORF (Milenko Badzic)
Die einfache Instrumentierung des Songs ist bestechend, aber nicht einfach zu singen. Morland und Debrah Scarlett lieferten eine gute, simple Bühnenshow mit authentischen Emotionen. Der Ohrwurm-Effekt blieb gering, aber "A Monster Like Me" ist ein schöner Song - gesungen von großartige Stimmen. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Das hat im Halbfinale besser gefallen. Man hat Nadav Guedj die Nervosität angemerkt. Manche Verzierungen saßen da schon besser. Der Song bleibt ein klassischer Dance-Hit für den ESC. Bei der Modulation ein spontaner Anfeuerungsruf fürs Publikum. Cooler Schlusssatz im Outro. "Gotta go, three minutes." Und nochmal, der Herr ist erst 16 Jahre alt! Respekt" (c) ORF (Thomas Ramstorfer)
Stimmlich hat Bojana im Finale etwas Druck nachgelegt. Nicht immer mit Erfolg. Zu viel Louis-Armstrong-Effekt... Auch im Schlussteil leider zu angestrengt - für die Show aber egal, das hat gefetzt. Da wäre heute mehr drin gewesen für Serbien. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Etwas Angst hätte man beim Anblick von Nina Sublatti bekommen können. Der Song "Warror" hat Druck und spannende Gesangslinien, die den kämpferischen Charakter gut unterstreichen. Die Stimme von Nina Sublatti ist speziell, nicht alle hohen Töne waren einwandfrei. Das Gesamtkonzept war gruselig, aber schlüssig und kam scheinbar auch einigermaßen an in Europa. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Der Beginn des Songs großartig, sobalds zur Sache geht, zu viel Pathos im Song. Wenn Elnur Hueynov stimmlich Gas gibt, verliert er das ihm eigene schöne Timbre. Wolfstänzer artistisch großartig, aber etwas effekthascherisch. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
Der Song "Adio" erreicht nie Flughöhe. Sänger Knez hätte mit dem Lied auch in den vergangenen zwanzig Song Contest-Jahren antreten können. Okay, die Beats versprühen ein wenig 2015. Schöne Folklore-Elemente in der Choreographie. Insgesamt eher unscheinbar. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Dieses Hand-in-die-Kamera-strecken war etwas zu viel des Guten. Die Kopfhörer sinnlos, aber markant. Die Stimme von Maraaya bleibt herausragend - soetwas hat man oder eben nicht. Stimmtechnisch war dafür nicht allzuviel dahinter, verhältnismäßig einfach zu singen. Guter Song, feine Melodie, gut instrumentiert. (c) APA/EPA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Rumänien blieb eine vielleicht unterschätzte Nummer. Eine wichtige Botschaft (Straßenkinder), ein Anliegen glaubhaft vorgetragen, schön gesungen. Pop bleibt nunmal oft oberflächlich. Insgesamt war die Performance von Voltaj aber zu brav für einen ESC-Erfolg. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
Freunde des Musikdramas kommen mit Genealogy auf ihre Rechnung. Das Schlagzeug am Ende hat dem Song Drive verpasst, auch der Refrain kam an. Nur: der Chor (eher sechs Solisten) erschlägt dann leider den Song - hier wäre weniger mehr gewesen. (c) APA/EPA/JULIAN�STRATENSCHULTE (JULIAN�STRATENSCHULTE)
Elhaida Danis Stimme ist interessant, wenn sie die Töne aber nicht trifft, reicht das nicht. Das war gerade an der zerbrechlichsten Stelle bei der Modulation (Tonartwechsel) eher Marke grauenhaft. Der Song an sich nimmt erst spät und dann zu wenig Fahrt auf. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Schöner Popsong mit schönen Stimmen. Die Zweistimmigkeiten haben heute mehr gerieben als im Halbfinale. Der Bühnenkuss ließ Monika Linkyte und Vidas Baumila fast den Einsatz verschlafen. Appell ans Publikum: "People, if you feel the love, put your hands in the air." (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Eher öde Ballade mit druckvollem Schlussteil. Die Stimme von Maria Elena Kyriakou hatte etwas Brüchiges, aber kalkuliert und sicher. Kleidungstechnisch voll im ESC-Trend: V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Mutig auf ruhige Töne zu setzen - nur Gitarre und ein sich steigernder Chor. Boggies starrer Blick in die Kamera war etwas gewöhnungsbedürftig. Stimmlich so brav wie der Song geblieben. (c) APA/EPA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Hijajijeeeeo. Ein paar Mal hat Edurne in den Strophen zu viel Gas gegeben stimmlich bevor der Ton saß, die Folge war schlechte Intonation. Die Quint-Sprünge zwischen im Refrain eine Herausforderung in der Stimmlage. Bis auf ein paar Ausnahmen gelungen. Show großartig mit Kleidwechsel und Tänzer mit nacktem Oberkörper. Letzlich die größte Überraschung, dass Edurne im abgeschlagenen Feld gelandet ist. (c) APA/EPA/JULIAN�STRATENSCHULTE (JULIAN�STRATENSCHULTE)
Angenehme, behauchte Stimme von John Karayiannis, glasklar intoniert mit präzisen Verzierungen im letzten Teil. Song Marke Lagerfeuer. Nicht mehr, nicht weniger. Zu wenig für den Großteil Europas. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Monika Kuszynska war vor allem im ersten Refrain mit wackeligen Tönen unterwegs. Der Song ist gerade im Final-Vergleich ziemlich öde. Die stärkste Stelle vor dem letzten Refrain leider sowohl Kuszynska als auch die Backings ein bisserl in den Gatsch gegriffen. Schade drum! (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Personalkontingent ausgeschöpft - sechs Mann/Frau auf der Bühne. Der Song hebt sich ab vom Rest, hat einen angenehmen Sound, auf aber Dauer fad. Die Sänger von Electro Velvet hatten aber keine Chancen ihre Fähigkeiten wirklich zu zeigen - vor allem Alex Larke musste meistens in den Tiefen grundeln. Blinke-Effekt etwas effekthascherisch. Die Briten haben das Ergebnis erwartet. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Lisa Angell hat Ausstrahlung, aber mancher Blick wirkte ein bisschen verloren. Der Song hebt leider gar nicht ab. Die Trommler ein netter Effekt. Naja - Frankreich wie jedes Jahr. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Ann Sophie präsentierte ihre starke Stimme vor allem in den zerbrechlichen Teilen super, ganz netter Song. Bühnenshow gut, vielleicht etwas zu viel gewollt mit den Bewegungen. Der Refrain hat leider durch Geschreie gelitten und ist für den ESC zu wenig einprägsam. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
Bravo Dominic Muhrer. Super gesungen - leider letzter Platz für die Makemakes. Schwamm drüber. Muhrer muss ständig zwischen Kopfstimme und Bruststimme mit und ohne Distortion (Verzerr-Effekt) mit der Stimme wechseln - da könnte man sich schon einmal verirren, hat er aber nicht. Song ist schön, vielleicht zu unauffällig für den ESC. Seine Bandkollegen Max Christ am Playback-Bass und Flo X. Meindl am Playback-Schlagzeug konnten gar nicht patzen. Kopf hoch. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Fazit: Tolle Fans! Die Stimmung in der Stadthalle und am Rathausplatz (Mehr als 25.000 Leute bei Februarwetter) war großartig. Musikalisch: Gute Beiträge, die das Rennen auch unter sich entschieden haben. Serbien und Israel blieben am Ende dann doch etwas hinter den Erwartungen zurück - aber immerhin Top Ten, im Gegensatz zu Spanien. Solide Musik gespickt mit üblicher ESC-Fadesse. Der ORF hat aber eine großartige Show übertragen, das muss gebührend gelobt werden. (c) APA/HANS PUNZ
Die 27 Songs in der Einzelkritik
Aufregung wegen Homophobie-Sager
Der 28-jährige Mans Zelmerlöw galt, auch wegen seiner animierten Unterstützung in Form von Strichmännchen, wochenlang als Favorit auf den Sieg beim Song Contest. Die Arbeiten an der Choreographie mit dem digitalen Begleiter hatten im November 2014 begonnen. Das Strichmännchen ist ihm selbst nachempfunden, als er zehn oder elf Jahre alt war.
Die britische Zeitung "Independent" schrieb, dass Zelmerlöw sich im Frühjahr 2014 abfällig über Homosexuelle geäußert haben soll. Der Künstler entschuldigte sich dafür und sagte, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Nach seinem Sieg dankte er der Gay Community. "Ich habe mich hier so willkommen gefühlt", so Zelmerlöw. "Ich hatte wirklich das Gefühl, dass die Menschen meine Enschuldigung angenommen haben." Scherzhaft sagte er auch zu, Conchita Wurst heiraten zu wollen.
Durch das Finale führte erneut das Moderatorinnentrio Mirjam Weichselbraun, Arabella Kiesbauer und Alice Tumler sowie Conchita Wurst.
Österreich ist nun offiziell auf dem 26. Platz, denn bei Punktegleichheit liegt jener Teilnehmer vorne, der einen früheren Startplatz hat. In der Finalnacht hatten die Makemakes noch die rote Laterne.
Der Auftritt von Conchita Wurst wurde im ORF nicht gezeigt. "Damit präsentiert sich der ORF wieder einmal als Mischung aus russischem Staatsfernsehen und deutschen Privatsendern", sagte ihr Manager.
Die Schweden müssen das Wettsingen 2016 zum bereits zweiten Mal in vier Jahren stemmen. Die ORF-Spitze nutzt den Rückenwind des Bewerbs für ihr Wahlkampfjahr, und die Makemakes sind tapfere Verlierer mit Humor.