Mitgliedstaaten dürften fixe Aufteilung der Flüchtlinge ablehnen. Rom und Athen sollen zu Registrierung verpflichtet werden.
Wien/Brüssel. „Keine Chance auf Verwirklichung“: Derart pessimistisch wurde in Ratskreisen vor Beginn des EU-Gipfels am heutigen Donnerstag der Kommissionsvorschlag zu einer verpflichtenden Flüchtlingsquote in der EU kommentiert. Zahlreiche Länder haben sich klar gegen einen Verteilungsschlüssel ausgesprochen, darunter Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn. In einer gestern beschlossenen Erklärung der vier Regierungschefs heißt es, dass „jedwede Forderung nach festen Quoten inakzeptabel“ sei. Stattdessen müsse die Aufnahme auf freiwilliger Basis erfolgen und künftig eine bessere Unterscheidung zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und tatsächlich Schutzsuchenden erfolgen.
Insgesamt dürften rund zwölf bis 14der 28 Mitgliedstaaten gegen die Pläne sein. Österreich gehört zu jenen Ländern, die sich zwar grundsätzlich für einen Verteilungsschlüssel aussprechen – allerdings zu anderen Bedingungen, als dies die Migrationsagenda der Kommission vorsieht: So pocht Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) darauf, die bisher aufgenommenen Asylwerber noch stärker zu berücksichtigen. Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hat vorgeschlagen, zunächst insgesamt 40.000 Syrer und Eritreer, die in Italien und Griechenland gestrandet sind, per Notfallmechanismus auf die anderen Mitgliedstaaten zu verteilen. Kriterien für die Anzahl der aufzunehmenden Migranten sollen Einwohnerzahl, Bruttoinlandsprodukt (BIP; Gewichtung je 40Prozent), Arbeitslosigkeit und die bisherigen Leistungen bei der Aufnahme (Gewichtung je zehn Prozent) sein. Deutschland, das das System befürwortet, müsste mit 22 Prozent den meisten Asylwerbern Zuflucht gewähren. Die Mitgliedstaaten wollen sich laut Abschlusserklärung beim Gipfel immerhin darauf festlegen, die Verteilung der 40.000Schutzbedürftigen „binnen zwei Jahren vorzunehmen“ – nach welchem Schlüssel, soll bis Ende Juli geklärt werden.
Mittelmeerländern wie Italien geht diese Absichtserklärung freilich nicht weit genug. Regierungschef Matteo Renzi warnte am Mittwoch einmal mehr davor, „dass nicht ein einziges Land allein die Last der gesamten Flüchtlingsproblematik tragen“ könne. In Italien sind seit Jahresbeginn bereits 61.400 Migranten gelandet. Renzi will Brüssel deshalb zu einer Revision der Dublin-III-Regel drängen. Diese sieht bekanntermaßen vor, dass ein Flüchtling in jenem Land um Asyl ansuchen muss, in dem er zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat.
„Quarantänestation“ für Flüchtlinge
Um diese Regel zu exekutieren, will die EU beim heute beginnenden Gipfel eine „Quarantäne“ von bis zu 18 Monaten für Flüchtlinge forcieren, die in Italien oder Griechenland stranden. Das berichtet die britische Tageszeitung „Guardian“ am Mittwoch. Dadurch soll garantiert werden, dass die Flüchtlinge tatsächlich registriert und ihnen – wie vorgeschrieben – Fingerabdrücke abgenommen werden. Europol, die Grenzschutzagentur Frontex sowie das EU-Asylbüro EASO sollen diese „Asylzentren“ betreuen. Rom und Athen wird immer wieder vorgeworfen, Flüchtlinge ohne Identifizierung weiterziehen zu lassen, um dadurch die EU-Asylregelungen zu umgehen.
Vorgesehen ist zudem, dass Frontex künftig mehr Kompetenzen bei der Ausweisung von Flüchtlingen erhält. Bisher waren allein die nationalen Behörden dafür zuständig. (aga/basta)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2015)