Straches Hetze, Straches Helfer

Derzeit hat der FPÖ-Chef trotz gut gemeinter Schande-Rufe vor allem eines: Wahlhelfer auf allen Ebenen.

Ariel Muzicant hat recht, wenn er fordert, man möge mehr differenzieren. Es ist ein Unterschied, ob die Betreiberin einer Tiroler Pension jüdisch-orthodoxen Gästen mit katastrophaler Wortwahl wegen früherer Meinungsverschiedenheiten ein Zimmer verwehrt oder ein Dritter Nationalratspräsident augenzwinkernd mit der NS-Vergangenheit kokettiert. Und es ist etwas anderes, ob Schüler bei einer Fahrt nach Auschwitz während einer Diskussion widerwärtige Parolen von sich geben oder ob Jugendliche bei einer Gedenkfeier im KZ Ebensee Holocaust-Überlebende attackieren. Schlimmer ist es auf jeden Fall, wenn Heinz-Christian Strache diesen Vorfall für seine Zwecke nutzt, die Täter von Ebensee onkelhaft zu Lausbuben ernennt. Diese Finte hat er von Alfred Gusenbauer gelernt. Damit nimmt er sie nicht nur in politische Geiselhaft, sondern stellt seine FPÖ auf eine Ebene mit den jungen politischen Vandalen: Die Kritik wegen angeblicher rechtsextremer Aussagen und Taten sei doch überzogen. Man werde immer nur falsch verstanden.

Das ist längst heimliches Markenzeichen der Rechten – vor allem der FPÖ: die Wehleidigkeit. Sie teilen zwar bei Moslems, Zuwanderern und politischen Gegner gerne aus. Wenn es aber um die eigene Partei geht, wird das Glaskinn der Mölzers, Grafs und Straches sichtbar. Dann wird gewinselt und gejammert: Muzicant müsse zurücktreten, wenn er sagt, dass er sich bei der Sprache Kickls – das ist der FPÖ-Generalsekretär – an Goebbels erinnert fühle. Keine Ahnung, wie und warum Assoziationen bei Muzicant entstehen, und ob sich Kickl insgeheim geschmeichelt fühlt, der Vergleich ist daneben. Aber die FPÖ wird ihn aushalten müssen.

Die Aussage beweist, wie emotional ein Thema diskutiert wird, das wir als erledigt betrachtet haben, das wir als skurriles Weltbild einer Mini-Minderheit von Modernisierungsverlierern ignorieren wollten: jenen Rechtsextremismus, der in Österreich mit Relativierung des Holocaust und einer mehr oder weniger deutlichen Verklärung der NS-Zeit einhergeht. Das Thema ist so unüberhörbar, dass Werner Faymann, der sich als heimlicher Bundespräsident am liebsten selten bis nie in die Innenpolitik einmischt, aufschreckte. Im „Standard“ nannte er Strache eine „Schande“, weil er „mit Hass und Hetze“ Gefühle von Menschen verletze. (Faymann kam so in Fahrt, dass er gleich Hahns CERN-Entscheid revidierte). Aber ist es dann auch eine Schande, dass sich große Teile der SPÖ – und die gesamte ÖVP! – vorstellen können, mit dieser FPÖ gemeinsame Sache zu machen? Die Landeschefin von Salzburg dachte daran, der Landeshauptmann der Steiermark macht das noch immer. Und dass Oberösterreichs Erich Haider alles tun würde, um Landeshauptmann zu werden, weiß jeder, der dem Mann in die Augen schauen durfte. Und war es nicht auch eine Schande, dass SP-Abgeordnete unter Führung ihres Klubchefs, des einstigen Jungsozialisten Josef Cap, Graf wählten? Dessen politisches Wirken bis dahin darin bestanden hatte, die FP-Flanke rechtsaußen abzudecken.

Ja, das ist eine Schande. Auch wenn Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, irrt, dass die Wahl Grafs Vorfälle wie in Ebensee bedingen. Das wäre vermutlich leider auch passiert, wenn der nicht gewählt worden wäre. Man muss aber weder hauptberuflicher Antifaschist oder sogenannter Gutmensch sein, um FP-Begriffe zu verwenden: Was Strache und Co. in den vergangenen Tagen betrieben haben, ist eine unerträgliche Form von Hetze in diese Richtung. Da missbraucht Strache bei einer Kundgebung das Kreuz, unser religiöses Symbol, um gegen ein islamisches Kulturzentrum Stimmung zu machen. Da setzt er bewusst auf antiisraelische Ressentiments, indem er auf EU-Wahlkampfplakaten ein Veto gegen den EU-Beitritt Israels verspricht. Der steht überhaupt nicht zur Diskussion.

Was aber tun gegen diese Populistenrüpel, denen nichts heilig ist? Ausgrenzen, wie FP-Politiker nur zu gerne beklagen, oder aushungern, wie es in Frankreich mit Le Pen passiert ist? Daran ist Franz Vranitzky gescheitert. Sie in die Regierung nehmen und entzaubern? Das hat Wolfgang Schüssel versucht und ist gescheitert. Ein Mehrheitswahlrecht einführen und vertrauen, dass Strache nie Kanzler wird? Wäre ein Möglichkeit. Oder die – zugegebenermaßen naiv klingende – inhaltliche Variante, die in Wien zu spät einsetzt: Also in Gemeindebauten mit hohem Anteil von Mietern nichtösterreichischer Herkunft genau hinschauen und Lösungen anbieten. In sogenannten Absteigerschulen mehr für Integration unternehmen – und mehr verlangen. Und etwas gegen das aus dem Ruder laufende Sicherheitsproblem in Wien unternehmen. Denn derzeit hat Strache trotz aller sonntäglichen Schande-Beteuerungen vor allem eines: Wahlhelfer auf allen Ebenen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ehemaliges KZ Ebensee
Österreich

Ebensee: Aktion "sollte nur ein Jugendstreich sein"

Einer der Beschuldigten in der Neonazi-Störaktion äußerte sich nun zu den Vorkommnissen. Der 16-Jährige verfasste ein Entschuldigungs-Schreiben. Er wollte demnach "niemanden verletzen oder bedrohen".
Sonja Purtscher
Österreich

"Judenhassergemeinde": Serfaus bleibt koscher

Weil eine Pension Juden ablehnte, geriet der Tiroler Ort als "Judenhassergemeinde" weltweit in die Medien. Ein Lokalaugenschein.
Ebensee
Politik

Ebensee: "Wollen der Welt wahres Gesicht zeigen"

Am Sonntag will die Gemeinde Ebensee gegen Rechtsextremismus protestieren. "Wir haben vorbildhaft unsere Geschichte aufgearbeitet. Diese Arbeit soll nicht umsonst gewesen sein", sagt SP-Bürgermeister Loidl.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.