Islamic Finance: Anlegen, wie es die Scharia erlaubt

POLITIK G20 Ministertreffen in Ankara G 20 meeting in Turkey Finance ministers and central bank gove
POLITIK G20 Ministertreffen in Ankara G 20 meeting in Turkey Finance ministers and central bank gove(c) imago/Kyodo News (imago stock&people)
  • Drucken

Für islamkonforme Finanzierungen ist das Potenzial weltweit enorm. Hierzulande könnte mit der Zahl der Flüchtlinge auch die Nachfrage wachsen.

Berlin. In der internationalen Finanzszene wird ein Thema immer wichtiger: Islamic Banking oder Islamic Finance. Also Finanzgeschäfte, die im Einklang mit den Vorschriften des Islam stehen. Beim jüngsten Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wurde betont, dass Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) prüfen sollen, ob und wie man diese Geldanlagen einsetzen könne, um mehr Investitionen zu fördern.

Trotz aller damit verbundenen Unwägbarkeiten und Besonderheiten: Mit mehr als 1,6 Milliarden Muslimen in der Welt ist das Marktpotenzial für islamische Finanzgeschäfte riesig. Inzwischen gibt es nicht nur Bankgeschäfte, sondern auch Leasing, Anleihen- und Aktienmärkte, Investmentfonds, Versicherungen, aber auch Kleinstfinanzierungen streng nach islamischen Grundsätzen. Das Geschäftsvolumen wuchs nach Angaben des IWF von 200 Milliarden Dollar im Jahr 2003 auf 1,8 Billionen Dollar 2013. Allerdings ist es bisher immer noch auf die Golfregion und auf Staaten wie Malaysia konzentriert. Mit dem zunehmenden Flüchtlingsstrom nach Europa könnte das Potenzial auch hier wachsen, glauben Experten.

Der wichtigste Grundsatz für Geldgeschäfte im Koran ist das Zinsverbot („Riba“). Damit sind konventionelle Kredite tabu. Verpönt sind aber auch Spekulationen, Glücksspiel und Wetten. Spekulativen Termingeschäften ist ein Riegel vorgeschoben, da Finanztransaktionen nicht mit einem übermäßigen Risiko verbunden sein dürfen. So sind Wetten auf Aktienentwicklungen oder auf Devisenkursverläufe ebenso wenig vereinbar mit dem Glauben wie Derivate oder Verbriefungen. Auch Geldanlagen in der Rüstungs-, Tabak-, Porno- oder Alkoholindustrie darf es nicht geben. Selbst Versicherungen sind problematisch.

„Das Islamic Banking stützt sich darauf, dass die Finanzwirtschaft immer Hand in Hand mit der Realwirtschaft geht“, erklärt Souheil Thabti, der am Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück seine Doktorarbeit zu diesem Thema schreibt. Jedes Geldgeschäft beziehe sich auf ein reales Gut: auf Gold, ein Auto, eine Maschine oder ein Haus. Will sich ein Kunde Geld für ein Auto leihen, erwirbt die Bank den Wagen und verkauft diesen in Raten und mit einem Aufschlag weiter – ohne Zinsen. „Das Risiko dieser Art von Geschäft ist weitaus geringer, weil immer ein konkretes Handelsgeschäft dahintersteht“, so Thabti.

Erste Bank in Deutschland

Hierzulande fehlen islamische Finanzprodukte. In Deutschland hat das erste islamische Institut, die KT Bank, im Frühjahr eine Lizenz erhalten und im Juli die erste Filiale in Frankfurt eröffnet. Hinter der Kuveyt Türk Bank stehen kuwaitische und türkische Kapitalgeber. Bis Ende 2017 wolle sie einen Stamm von 20.000 Geschäfts- und Privatkunden aufbauen, sagt KT-Bank-Chef Kemal Ozan. Mit 4,3Millionen Muslimen sei das Potenzial in Deutschland sehr groß, erklärt Ozan. Er will aber auch Nichtmuslime ansprechen.

Einen weltweit gültigen Gütestempel für islamische Produkte gibt es nicht. Bei einem Haus wie der KT Bank wacht ein Ethikrat oder Scharia Board darüber, dass islamische Grundsätze eingehalten werden. „Auch andere Banken haben ihre Besonderheiten“, heißt es dazu bei der deutschen Finanzaufsicht BaFin. „Diese Besonderheiten müssen aber immer im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Regelungen stehen. So muss beispielsweise bei einem Ethikausschuss sichergestellt sein, dass durch ihn nicht die Alleinverantwortlichkeit der Geschäftsleitung berührt wird.“

Selbst chinesische Unternehmen nützen die wachsende Bedeutung islamischer Finanzierungsmodelle. Der Flughafen- und Airline-Betreiber HNA will über eine islamische Anleihe, einen „Sukuk“, 150 Millionen Dollar erlösen. Ein weiterer Islam-Bond über 500 Millionen Dollar soll vor Jahresende folgen. „Das ist nur der Anfang für islamische Finanzleistungen in China“, sagt Andrew Kinai, Geschäftsführer der Shariah Advisory Group in Genf. (Reuters/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Bawag startet mit Islamic Banking

Beim "Amana"-Konto gibt es keine Zinsen, sondern "fixe Entgelte". Zinsen würden der Scharia widersprechen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.