Der US-Präsident hat sich bei der UN-Generalversammlung bereit erklärt, mit Russland und dem Iran bei einer Lösung für Syrien zusammenzuarbeiten.
New York. Dicht gedrängt sitzen die Staats- und Regierungschefs der 193 UN-Mitgliedstaaten an den Delegationstischen im großen Sitzungssaal der Vereinten Nationen in New York. Hinter dem Schild „Austria“ sind es Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz. Nach drei Tagen Nachhaltigkeitsgipfel zu den neuen Entwicklungszielen der Welt geht es in New York an diesem Montag wieder um die drängenden Probleme von heute, allen voran die Syrien-Krise. Doch wo sonst die Rede von US-Präsident Barack Obama der erste Höhepunkt der jährlichen UN-Generaldebatte gewesen ist, gilt die Aufmerksamkeit – auch jene Obamas – diesmal einem anderen Mann: Wladimir Putin.
Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist der russische Präsident nach New York gereist, um sich dort an die UN-Generalversammlung zu wenden. Bis vor wenigen Monaten wäre er hier noch wie ein Aussätziger behandelt worden, zumindest von europäischer und amerikanischer Seite. Doch die Ukraine-Krise, die das Verhältnis von West und Ost so belastet hat, ist angesichts des Syrien-Krieges, des Aufstiegs der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der Massenflucht nach Europa weit in den Hintergrund getreten.
Erstes Treffen seit zwei Jahren
Ohne Putin, das ist klar, ist der Bürgerkrieg nicht zu lösen. Und so hat sich der starke Mann in Moskau mit seinem Militärengagement in Syrien aus der politischen Isolation zurück auf die internationale Bühne katapultiert.
Doch zunächst ist es Obama, der eine Stunde vor Putin das Wort ergreift. In seiner Rede betonte er, zur Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran bereit zu sein, um den Syrien-Konflikt zu lösen. „Aber nach so viel Blutvergießen kann es keine Rückkehr zum Vorkriegszustand geben“, sagt Obama – eine deutliche Antwort auf Putin, der am Sonntag in einem Interview mit dem Sender CBS noch einmal unmissverständlich klargemacht hatte, dass Moskau das Assad-Regime zu halten und zu stärken gedenkt. Wenn auch – vorerst nicht – mit dem aktiven Einsatz russischer Bodentruppen.
Die Frage, welche Rolle Syriens Machthaber, Bashar al-Assad, künftig noch spielen soll, ist zum Knackpunkt aller internationalen Bemühungen geworden. Nicht nur Österreich, Spanien und Deutschland haben sich mittlerweile dafür ausgesprochen, den syrischen Präsidenten zumindest kurzfristig in eine Lösung einzubeziehen. Auch Washington hatte schon Flexibilität signalisiert bei der Frage, wann genau Assad abtreten müsse. Vor der UNO fordert Obama dann einen „geordneten Übergang“ hin zu einem neuen Führer des Landes. Assad nennt er einen „Tyrannen“.
Schon vor dem offiziellen Start der Generalversammlung ist hinter den Kulissen eilig verhandelt worden. Still und leise hat Putin den Amerikanern die Initiative in Syrien entrissen. Mit der Entsendung von Soldaten und Gerät zur Unterstützung von Bashar al-Assad hat Putin Tatsachen geschaffen. Und in den vergangenen Tagen hat er an seiner eigenen Koalition für den Kampf gegen den IS gebastelt.
Ausdruck davon war die überraschende Ankündigung Bagdads vom Wochenende, wonach der Irak eine enge Zusammenarbeit mit Russland, Syrien und dem Iran gegen den Islamischen Staat vereinbart habe. Geplant sei auch die Schaffung eines gemeinsamen Zentrums, in dem die Militärgeheimdienste Informationen austauschen sollen. US-Außenminister John Kerry, der bei einem schwierigen Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Wochenende schon einmal die Lage sondierte, konnte daraufhin nur etwas verdattert sagen, dieser Schritt sei mit Washington „nicht koordiniert“. Nur wenige Stunden vor der Rede Obamas am Montagvormittag brachte der russische Vize-Außenminister Michail Bogdanow dann die Idee einer „Kontaktgruppe“ zu Syrien ins Spiel, mit Russland, Iran, den USA, Saudiarabien, der Türkei und Ägypten. Die Idee einer Kontaktgruppe ist alt, doch Russland hatte sich dazu bisher nicht geäußert.
Saudiarabien gegen den Iran
Wie Russland steht auch der Iran fest zum Regime in Damaskus. Mit Saudiarabien säße aber auch der größte Gegner des Regimes in Damaskus mit am Tisch. Riad fordert dessen Sturz und will das „Problem Assad“ am liebsten militärisch erledigen. Den Iran wollen die Saudis nicht dabei haben, auch die Türkei ist gegen eine Beteiligung Teherans. Das ohnehin vergiftete Verhältnis der beiden Rivalen und Regionalmächte Saudiarabien und Iran hat sich mit dem scharfen Schlagabtausch über die Massenpanik bei der Hadsch in Mekka weiter verschlechtert.
Trotzdem will sich der Iran offenbar an Syrien-Gesprächen beteiligen. Präsident Hassan Rohani, der am Montag ebenfalls vor der Generalversammlung sprechen sollte, zeigte sich am Sonntag zu einer Zusammenarbeit bereit – aber nur, wenn der Kampf gegen den Terrorismus im Zentrum stünde und nicht das Bestreben, das Regime zu stürzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)