Die Neos haben ihr Wahlziel knapp erreicht. Sie werden in den Wiener Gemeinderat bzw. Landtag einziehen. Das Duell Strache-Häupl kostete sie aber Stimmen.
Wien. Der Jubel im Café Ludwig und Adele war laut und dauerte lang, als der Balken um 17 Uhr das erste Mal am Bildschirm erschien. Der Balken war zwar nicht hoch, aber hoch genug, um für die Neos eine wichtige Hürde zu nehmen. Mit 6,2 Prozent laut erster Hochrechnung (18 Uhr) schafft die Partei den Einzug in den Gemeinderat bzw. den Landtag. Auf Anhieb und mit dem ersten Versuch. „Das ist ein großartiger Erfolg. Das zeigt, dass es einen massiven Wunsch nach Veränderung gibt und diesen Wunsch werden wir in den Gemeinderat tragen“, sagte Neos-Bundesgeschäftsführer Feri Thierry zur „Presse“.
Auch Wahlkampfleiter Peter Puller war naturgemäß zufrieden. „Wir sind die erste Partei seit 20 Jahren, die es auf Anhieb in den Gemeinderat schafft.“ Und er legte einen Hieb gegen die Konkurrenz nach: Die Grünen hätten es nicht beim ersten Mal geschafft.
Die 37-jährige Spitzenkandidatin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, hat ihr Wahlkampf-Ziel, den Einzug der Pinken in den Wiener Gemeinderat, erreicht: Mit rund sechs Prozent seien die Neos "die Gewinner des Abends", zeigte sie sich am Wahlabend überzeugt - keine andere Partei habe so viele Stimmen dazugewonnen. APA/GEORG HOCHMUTH
Meinl-Reisinger gehört gewissermaßen zum Gründungsteam der Neos, wobei sie ursprünglich nur im Hintergrund arbeiten wollte. Den Entschluss für eine Kandidatur bei der Nationalratswahl 2013, wo sie auf der Bundesliste schließlich den dritten Platz ergatterte, fasste sie erst mit dem Näherrücken des Urnengangs. (c) Stanislav Jenis
Die studierte Juristin und nunmehrige stellvertretende Neos-Bundesparteivorsitzende war - wie ihr Chef Matthias Strolz - jahrelang im schwarzen Lager politisch beheimatet. Nach einem Traineeprogramm in der Wirtschaftskammer werkte sie ab 2005 als Assistentin für den EU-Abgeordneten Othmar Karas (ÖVP) in Brüssel. Nach einem erneuten WK-Intermezzo wechselte sie 2007 als Referentin zur damaligen Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP). (c) Philipp Splechtna
Als diese 2009 nicht allzu freiwillig die Nachfolge des bisherigen Landesparteichefs Johannes Hahn, der als Regionalkommissar nach Brüssel übersiedelt war, antrat, folgte ihr Meinl-Reisinger ins Rathaus. Obwohl nicht Teil des Strategieteams, erlebte die Weggefährtin dort den parteiintern durchaus umstrittenen Wahlkampf Mareks für die Landtagswahl 2010 hautnah mit. Und auch die loyale Referentin war mit dem ausbaldowerten Law-and-Order-Kurs für die eigentlich als liberal geltende Ex-Staatssekretärin und den "Geilomobil"-Touren des damaligen JVP-Chefs Sebastian Kurz alles andere als glücklich. Die Presse
Als sie einmal laut anmerkte, dass nicht zuletzt deshalb niemand aus ihrem Freundeskreis die Wiener ÖVP wähle, bekam sie zur Antwort, dass sie halt nur liberale Freunde habe. Ziemlich zeitgleich mit Mareks kommunalpolitischer (Selbst-)Demontage bzw. ihrer Rückkehr ins Parlament 2012 kehrte Meinl-Reisinger, inzwischen Mutter von zwei Töchtern, den Schwarzen schließlich den Rücken. Meinl-Reisinger - sie lebt im Bezirk Alsergrund - selbst hat nie zum erzkonservativen Lager der Volkspartei gehört. So wollte sie nach dem historisch schlechtesten schwarzen Wahlergebnis und dem Korb der SPÖ in Sachen Stadtkoalition der Rathaus-ÖVP zu einer Reform in Richtung urbane Aufgeschlossenheit verhelfen und konzipierte die - von der Parteispitze eher lieblos beäugte - "Agenda Wien plus" mit.
Schon 2002 hatte sie die Initiative Schwarz-Grün mitbegründet, die sich für eine entsprechende Koalition im Bund stark machte. Bereits die Anfänge der Bewegung hatte Meinl-Reisinger, am 25. April 1978 als Tochter bürgerlicher und politisch äußerst interessierter Eltern in Wien geboren, miterlebt. Ihr Vater arbeitete als Spitalsarzt in Hainburg und versorgte zudem verletzte Aubesetzer vor Ort. Seit Herbst 2013 agiert Meinl-Reisinger selbst im Scheinwerferlicht der politischen Bühne. Als Nationalratsabgeordnete werkt sie als pinke Justiz-, Familien- und Kultursprecherin, außerdem ist sie hinter Matthias Strolz Vizeparteichefin. Ende April 2014 wurde sie außerdem zur Landessprecherin der Wiener Neos gekürt. Die Presse
Als Lieblingsbuch nennt die 37-Jährige "Erklärt Pereira" des italienischen Autors Antonio Tabucchi. Zu ihrer bevorzugten Musik gehört - neben Klassik, Georg Kreisler oder den Beatles - auch das heimische Popwunder Wanda. Eine Textzeile aus deren Hit "Amore" haben die Neos - ohne zu fragen - einmal paraphrasiert: "Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Start-ups." Die Antwort von Wanda-Frontmann Marco Michael Wanda kam postwendend: "Wenn das noch einmal jemand versucht, klagen wir ihn in die Hölle. Die können alle scheißen gehen. Ich scheiß' auf die Neos." APA/EXPA/ MICHAEL GRUBER
Meinl-Reisinger: Pinke Pionierin ''springt'' in Gemeinderat
Tatsächlich war die Hoffnung groß, dass die Neos in Wien punkten. Nach gleich drei Schlappen (Burgenland, Oberösterreich, Steiermark) ist ein Erfolg in Wien nicht nur aus strategischer Sicht wichtig. „Ich möchte das stärkste Ergebnis, das die Neos auf Landesebene erreicht haben – mehr als sieben Prozent“, hatte Frontfrau Beate Meinl-Reisinger im Juni via „Presse“ verlautbart. Ihre Zielsetzung war schon damals konservativ. Bei der Nationalratswahlen 2013 wählten 7,65 Prozent in Wien die Neos.
„Duell“ hat Stimmen gekostet
Das genaue Ergebnis wird zwar erst mit der Auszählung der Wahlkarten (heuer überdurchschnittlich hoch) feststehen, trotzdem ist man sich auch bei den Neos sicher, dass das Duell zwischen Michael Häupl (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) die Kleinparteien Stimmen gekostet hat. „Die allgemeine Themenlage ist natürlich zu Lasten der wirklichen Themen in Wien wie strukturelle Korruption und Bildung gegangen“, sagte Thierry. Zur Erinnerung: Die Neos wollten auch schon mal ein zweistelliges Ergebnis in Wien erreichen.
Nach Vorliegen der Endergebnisse müsste man nun sehen, ob die Neos „relevant“ in den Koalitionsgesprächen seien, meinte Thierry. Eine Koalition mit der FPÖ schloss er wieder aus.
Die Stimmung war jedenfalls schon zu Mittag positiv gewesen. Bereits um elf Uhr war Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger in ihrer alten Schule im Gymnasium in der Wasagasse im neunten Bezirk wählen gegangen. Zuversichtlich schritt sie in ihrem knallpinken Anorak die Stiege hinauf, wo Kameras und Fotografen sie bereits erwarteten. „Wir werden es auf jeden Fall schaffen“, antwortete sie mantraartig auf jede Frage, die das Wahlergebnis betraf. Und zwar nicht nur auf Landesebene, sondern „in allen Bezirken“.
Dabei hat die Partei am Wahlsonntag selbst noch so manchen Wähler verärgert. Per Massen-SMS forderte Beate Meinl-Reisinger auf, wählen zu gehen. Das führte zu Beschwerden, weil einige Menschen nicht wussten, woher die Partei ihre private Telefonnummer hatte. Die Neos argumentierten, man hätte sie von der Post gekauft, außerdem keine Wahlwerbung gemacht, sondern nur zur Wahl aufgerufen.
AUF EINEN BLICK
Die Neos schafften nach drei verlorenen Landtagswahlen (Steiermark, Burgenland, Oberösterreich) in Wien den Einzug in den Gemeinderat. Bundesgeschäftsführer Feri Thierry: „Das ist ein großartiger Erfolg und das erste Mal seit 20 Jahren, dass es eine neue politische Kraft in den Gemeinderat geschafft hat.“ Für eine Last-Minute-Aufregung hatten Massen-SMS der Neos an private Handynutzer gesorgt. Darin wurde zum Wählen aufgerufen. Unterschrieben war dies mit Beate Meinl-Reisinger.