Ein Wada-Bericht wirft Russland systematisches Doping vor und fordert den Ausschluss vom Weltverband. IAAF steht vor einer Zerreißprobe.
Genf. Doping, Betrug und Korruption bis in die höchste Ebene – der mit Spannung erwartete Bericht der Wada-Kommission zur Dopingaffäre im Leichtathletikverband (Iaaf) in Genf zeichnete am Montag ein dunkles Bild vom Sport und könnte ihn in seinen Grundfesten erschüttern. Das vom früheren Wada-Chef Richard Pound geleitete Gremium prangerte ein flächendeckendes Dopingsystem in Russland an und empfahl drakonische Strafen: Den Ausschluss Russlands aus dem Weltverband und damit von Olympia und Weltmeisterschaften. Zudem sollen fünf russische Athleten und fünf Trainer auf Lebenszeit gesperrt werden.
IAAF-Präsident Sebastian Coe bezeichnete den Bericht als „alarmierend“ und forderte den Vorstand auf, die empfohlenen Sanktionen gegen den russischen Verband zu überprüfen. „Ich verspreche unseren Athleten, Partnern und Fans, dass wir die Missstände beseitigen und alles Notwendige unternehmen werden, um saubere Athleten zu schützen und das Vertrauen in unseren Sport wieder aufzubauen“, betonte der Brite.
Auf 323 Seiten hat die Kommission ihre Ermittlungen zusammengetragen, der Bericht erhärtet die im Dezember 2014 in der ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping. Wie Russland seine Sieger macht“ erhobenen Vorwürfe und spricht von einem „systematischen Dopingbetrug “ und einer „tief verwurzelten Betrugskultur“ in der russischen Leichtathletik. „Die Untersuchung zeigt, dass die Akzeptanz von Betrug auf allen Ebenen und seit Langem verbreitet ist.“
Unethisches Verhalten als Norm
Unethisches Verhalten sei in der russischen Leichtathletik zur Norm geworden, viele Athleten würden – als oftmals willige Teilnehmer – für Medaillen und finanziellen Erfolg ausgebeutet. Zwar gebe es dokumentierte Fälle, in denen Athleten sich dem Programm widersetzten und in der Folge aus dem Nationalteam ausgeschlossen wurden, jedoch hielt der Bericht fest, dass ein hoher Prozentsatz der Sportler nicht mit der Kommission zusammenarbeiten wollte.
Maßgeblich zum systematischen Betrug hätten russische Ärzte und Laborpersonal beigetragen, die internationale Standards nicht eingehalten hätten. Auch dem russischen Sportminister Witali Mutko wurde vorgeworfen, er solle angeordnet haben, „bestimmte Dopingproben zu manipulieren“. So seien im Moskauer Anti-Doping-Labor kurzerhand 1417 Proben zerstört worden, als die Wada eine Kontrolle angeordnet habe. Die Kommission sprach sich daher für den Entzug der Wada-Akkreditierung für das Moskauer Labor aus.
Russlands Sportminister Mutko kritisierte die Empfehlungen der Wada-Kommission als „politisch motiviert“, bekannte jedoch gleichzeitig: „Ja, wir haben Probleme, aber wir haben sie auch nie verschwiegen.“ Man sei bereit jedoch zur Kooperation bereit: „Wenn Wada oder Iaaf Empfehlungen aussprechen, werden wir diese natürlich befolgen“, betonte der Minister. In dem Wada-Bericht werden 14 Punkte genannt, deren Umsetzung ein unabhängiges Anti-Doping-Programm in Russland sichern soll.
Weltverband schaute zu
Der Weltverband habe das russische Betrugssystem geduldet – und sich daran bereichert. Die Kommission bestätigte die Zahlungen zur Verschleierung positiver Dopingtests, als Drahtzieher gilt Ex-Weltverbandspräsident Lamine Diack, gegen den bereits die französische Justiz wegen Bestechlichkeit, Korruption und Geldwäsche ermittelt.
Ob Russland ein Einzelfall ist, soll nun Interpol klären. Das Wada-Gremium hat seine Unterlagen an die internationale Polizeiorganisation weitergeleitet, diese soll nun die weltweite Untersuchung zu Korruption und Doping in der Leichtathletik koordinieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)