Der frühere Geschäftsführer der Kinderfreunde, Jürgen Czernohorszky, ist Wiens neuer Stadtschulratspräsident.
Was werden Sie anders machen als Ihre Vorgängerin Susanne Brandsteidl?
Jürgen Czernohorszky: Ich glaube, es gibt einfach vieles in der österreichischen Schulverwaltung, das Eltern und Kinder nicht nachvollziehen können: die zergliederte Verwaltung, die Diskussion bloß um Türschilder. Ich finde, man muss stattdessen über Dinge reden, die auch im Klassenzimmer ankommen. Es gibt ja genug Ideen und innovative Pädagoginnen und Pädagogen, man muss sie nur unterstützen und auch vor den Vorhang holen. Mein Hauptziel ist es, dass kein Kind verloren geht und alle Kinder in dieser Stadt die gleichen Bildungschancen haben. Wenn jemand dem Bildungssystem verloren geht, dann geht er oft auch der Gesellschaft verloren. Denn dem bleibt nur mehr Apathie oder Radikalisierung.
Wie wollen Sie eigentlich Ihre Ziele umsetzen? Der Stadtschulrat soll sich ja künftig als Behörde zurücknehmen und die Schulen sollen eigenständiger werden.
Jede Form von pädagogischer Freiheit ist gut. Aber Freiheit gedeiht nur dann, wenn es klare Richtlinien, gute Rahmenbedingungen und auch eine gewisse Aufsicht gibt. Insofern braucht es uns. Aber wie die Schulverwaltung künftig aussehen wird, hängt von der Bildungsreform auf Bundesebene ab. Das Ziel kann aus unserer Sicht jedenfalls nicht sein, dass die Verwaltung noch komplizierter wird. Was wir uns von der Reform auch erhoffen, ist - wie bereits bekannt - die Möglichkeit einer wienweiten Modellregion für die Gemeinsame Schule.
Wie soll diese Wiener Modellregion konkret aussehen?
Das kann man seriös nicht sagen, solange das Ergebnis der Bildungsreform aussteht. Das wäre Kaffeesudleserei.
Sie haben vorhin gesagt, es geht Ihnen um Lösungen, die im Klassenzimmer ankommen. Dazu ein Beispiel aus Alltag: Es gibt Klassen, in denen besonders viele Kinder sitzen, die nicht gut Deutsch können. Was ist Ihre Lösung? Wäre es für Sie denkbar, dass man diese Kinder auf verschiedene Schulen verteilt?
Nein, das würden Eltern nicht mittragen. Ich bin dafür, dass diese Schulen mehr Ressourcen erhalten, also etwa mehr Lehrer. Das - nämlich eine Orientierung an den Aufgaben - fordern wir auch vom kommenden Finanzausgleich. Da geht es nicht nur im Wien, das betrifft auch andere große Städte. Wien verdoppelt das Personal für Sprachförderung und wird zur Unterstützung der Schulen die Sozialarbeit vor Ort verstärken. Unser Ziel ist auch, dass jedes Kind einen Platz in der Ganztagsschule bekommt, wenn die Eltern das wollen.
Sie waren im Gemeinderat lange für Kindergärten zuständig. Im Koalitionspakt steht, dass es für alle Kinder unabhängig vom Alter einen Betreuungsplatz gibt. Laut Neo-Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger ist damit jedoch keine Garantie gemeint. Heißt das, dass man sich mit Absichtserklärungen zufrieden gibt?
Es gibt in Wien schon genug Plätze für Drei- bis Sechsjährige, bei den Unter-Drei-Jährigen wird intensiv ausgebaut, der Versorgungsgrad in Wien liegt schon jetzt bei über 45 Prozent. Unser Ziel in diesem Bereich ist, dass jedes Kind, das einen Betreuungsplatz braucht, auch einen bekommt. Das Missverständnis ist, dass Leute oft einen Betreuungsplatz an einem bestimmten Wunschstandort wollen. Würden wir etwa am Rudolfsplatz im ersten Bezirk genug Kindegartenplätze für alle schaffen, die dorthin wollen, müssten wir ein Hochhaus in der Höhe der Millenniums City bauen.
Aber was hat ein Elternteil davon, wenn Sie ihm sagen: Theoretisch gibt es für Sie einen Krippenplatz, aber er ist halt am anderen Ende der Stadt?
So stellt sich das in der Realität nicht dar. Die MA 10 (Wiener Kindergärten) bietet einen Überblick über dieKleinkindergruppenplätze in der Umgebung und meist findet man dann eine Lösung. Künftig werden wir in einem gemeinsamen System alle Wiener Kindergartenplätze - auch die privaten - erfassen. Dann sieht man sofort, wo wie viele Plätze noch frei sind. Und man würde auch erkennen, wenn Eltern das Kind in verschiedenen Kindergärten gleichzeitig angemeldet haben. Das passiert ja oft.
Wann wird es dieses digitale Erfassungssystem geben?
Noch in diesem Kindergartenjahr.
Als Sie für den Job feststanden, haben wir von mehreren Seiten gehört: Der ist mehr ein Grüner als ein Roter. Können Sie sich erklären, wie Sie zu diesem Ruf kommen?
Ich kann mit allen reden und gut zusammenarbeiten, ich glaube, das ist der Grund. Insofern nehme ich es als Kompliment.
Es gab auch schon einmal eine Debatte darüber, den Stadtschulratrpräsidenten in Wien abzuschaffen. Also Ihren neuen Job. Wie stehen Sie dazu?
Ich möchte dabei jedenfalls nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein. (uw)