Als die Krise mit ungeahnter Wucht nach Europa zurückkehrte

Im Jänner errang die linksradikale Syriza den Sieg bei den griechischen Wahlen. Es folgte ein monatelanger Nervenkrieg um den Verbleib in der Währungsunion.

Nachdem der Wahlausgang Gewissheit war, an jenem späten Sonntagabend im vergangenen Jänner, verbreitete sich die Nachricht wie eine Schockwelle durch die Hauptstädte Europas. Der Machtwechsel in Griechenland hatte den Linkspopulisten und Chef der radikalen Syriza, Alexis Tsipras, an die Spitze der Regierung katapultiert – mit einem klaren Versprechen: Die verhassten Sparvorgaben der Gläubiger für ungültig zu erklären. Es war die Nacht, in der die Eurokrise wiederkehrte. Mit einer Wucht, die wohl selbst Pessimisten nicht für möglich gehalten hätten.

Es wäre nicht so weit gekommen, hätte Tsipras nicht einen Mann zum wichtigsten Mitglied seiner Regierung gemacht, der bereit war, für seine Überzeugung alles aufs Spiel zu setzen: den überaus selbstbewussten Wirtschaftsprofessor Yanis Varoufakis. Während der folgenden sechs Monate sollte Varoufakis unter den Amtskollegen in der Eurozone mit seinem unkonventionellen, aber äußerst bestimmten Verhandlungsstil für Empörung sorgen. Sein Plan, eine Überbrückungsfinanzierung bis zur Ausverhandlung neuer Bedingungen für die finanzielle Unterstützung des vor dem Bankrott stehenden Landes zu erreichen, scheiterte ebenso wie die beharrliche Forderung nach einem Schuldenschnitt. Besonders der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble weigerte sich strikt, der neuen Regierung Zugeständnisse zu machen. Das zweite Hilfsprogramm wurde Ende Februar schließlich um vier Monate verlängert – unter der Bedingung „belastbarer Reformzusagen“ aus Athen. Was folgte, war ein Verhandlungsmarathon, bei dem trotz unzähliger Treffen der Eurogruppe auch wegen des schlechten Klimas zwischen Varoufakis und seinen Amtskollegen viele Wochen keine Lösung absehbar war. Anfang Juli – griechische Börse und Banken waren wegen der prekären Lage bereits seit einer Woche geschlossen – ließ Tsipras sein Volk über die Bedingungen für weitere Hilfen abstimmen. Mehr als 60 Prozent lehnten die Gläubigervorschläge ab. In derselben Nacht trat Varoufakis zurück – es war ein Zugeständnis Tsipras' an die Europartner. Ihm folgte der pragmatischere Euklides Tsakalotos.

Kurz vor Ablauf eines Ultimatums der Eurozone reichte Athen vier Tage nach dem Referendum doch noch Reformvorschläge ein – und akzeptierte, gegen den Willen des Volkes, die Forderungen der Geldgeber. Bei einem 17-stündigen Sondergipfel am 12. Juli wurde der Weg für ein drittes Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden geebnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2015)

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