Gerüchte zu Ermittlungen wegen Stickoxid-Emissionen machen Renault zu schaffen, Fiat soll Absatzzahlen geschönt haben. Autowerte gaben am Donnerstag stark nach.
Wien/Boulogne-Billancourt. Eine Razzia der französischen Behörden hat Renault am Donnerstag zeitweise den größten Kurssturz der Firmengeschichte eingebrockt. Die Aktien des französischen Autobauers fielen im Verlauf um knapp 23 Prozent, am späten Nachmittag lagen sie immer noch zehn Prozent im Minus. Auslöser der Verkaufswelle war Börsianern zufolge ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP, demzufolge Geschäftsräume des Unternehmens infolge des VW-Abgasskandals vergangene Woche durchsucht worden sind.
Auch Fiat unter Druck
Florent Grimaldi, ein Vertreter der französischen Gewerkschaft CTG, bestätigte den Bericht über die Razzia. „Das Management hat zwar nicht bestätigt, dass es sich um die Stickoxid-Emissionen dreht. Betrachtet man aber die durchsuchten Geschäftsbereiche, könnte da ein Zusammenhang bestehen.“ Nach Gewerkschaftsangaben sollen Ermittler Computer aus der für Motorentests zuständigen Abteilung von Renault an vier Standorten, darunter am Firmensitz, als Teil einer Überprüfung von Emissionstests beschlagnahmt haben.
Die Ermittler sollen im Auftrag der Antibetrugs- und Wettbewerbsbehörde DGCCRF des französischen Wirtschaftsministeriums gehandelt haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Renault wollte zunächst keinen Kommentar abgeben.
Im Sog des Renault-Kurssturzes bauten die anderen europäischen Autobauer ihre Kursverluste aus. Die deutschen Hersteller Volkswagen, BMW und Daimler, der französische Konkurrent Peugeot sowie Fiat-Chrysler zählten in dem schwachen Börsenumfeld zu den stärksten Verlierern.
Fiat litt zusätzlich unter Berichten über eine Klage in den USA. Der Fachzeitschrift „Automotive News“ zufolge werfen zwei Händler dem italienisch-amerikanischen Autokonzern vor, ihnen Geld geboten zu haben, um Absatzzahlen zu schönen. Dazu sollen angeblich unverkaufte Autos als verkauft gemeldet worden sein. Die Aktie von Fiat-Chrysler wurde in Italien zeitweise vom Handel ausgesetzt, nachdem sie um etwas mehr als neun Prozent eingebrochen war. Auch in New York gab das Papier vorbörslich nach. Im US-Markt hat der Konzern seine Verkaufszahlen laut eigener Statistik 69 Monate in Folge gesteigert.
Die bei Mercedes eingesetzten Dieselmotoren von Renault enthalten nach Aussage von Daimler keine Software zur Abgasmanipulation. „Wir haben keinen Anlass, von unseren bisherigen Aussagen abzurücken: Wir setzen keine Defeat Devices ein“, sagte ein Daimler-Sprecher am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Renault hat uns versichert, dies ebenfalls nicht zu tun.“
Infolge der Angst vor einer China-Flaute sowie einem generellen Rückgang der Weltkonjunktur und aufgrund des VW-Abgasskandals leiden Aktien von Autoherstellern besonders unter den jüngsten Verwerfungen an den Börsen.
Hohe Verluste im neuen Jahr
In den wenigen Tagen seit Jahresbeginn hat die BMW-Aktie 18 Prozent verloren, Daimler ist um 15 und Volkswagen abermals um zwölf Prozent abgerutscht. Seit März des vorigen Jahres (damals herrschte Euphorie an den Börsen wegen des schwachen Euro, der die Exportchancen deutscher Hersteller verbesserte) hat sich die VW-Aktie mehr als halbiert.
Den französischen Konkurrenten erging es kaum besser. Die Renault-Aktie hat seit Jahresbeginn 16 Prozent verloren. Peugeot steht mit einem Minus von 13 Prozent nur relativ besser dar: Denn verglichen mit dem Wert, den das Papier des Herstellers vor der Finanzkrise 2008 innehatte, liegt die Aktie 67 Prozent im Minus. (ag/b. l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)