Polen: „Opposition und Konzerne arbeiten gegen uns“

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Janusz Wojciechowski, Europaabgeordneter der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, gibt Brüssel die Schuld am Konflikt mit der neuen Regierung in Warschau: Die EU wolle von der Flüchtlingskrise ablenken, indem sie Polen angreife.

Die Presse: Halten Sie die jüngste Kritik an Polen für politisch motiviert?

Janusz Wojciechowski: Es ist bedauerlich, dass die neue Regierung derart heftig angegriffen wird. Hier wird ein unwahres Bild von Polen gezeichnet.


Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Es gibt dafür mehrere Gründe. Erstens den innenpolitischen Konflikt in Polen: Die abgewählten Kräfte können sich nicht mit der Wahlniederlage abfinden und versuchen nun, im Ausland gegen uns zu arbeiten. Der zweite Grund: Die von uns geplanten Sondersteuern für Banken und Einzelhandelsketten sind den Konzernen nicht genehm, weshalb sie die Attacken unterstützen. Und zu guter Letzt versuchen einige europäische Politiker, die Aufmerksamkeit vom Migrationsproblem abzulenken, indem sie vorgeben, in Polen die Demokratie zu verteidigen. Der Demokratie geht es bei uns besser als je zuvor.


Also wird die EU von Ihren innenpolitischen Widersachern instrumentalisiert?

Das ist ein Aspekt. Den Gegnern der Regierung ist es gelungen, die Kampfzone auszuweiten. Worum es ihnen wirklich geht, hat die Regisseurin Agnieszka Holland in einer Ansprache erklärt: „Wir wollen, dass alles bleibt, wie es war in Polen.“ Das ist das Leitmotiv der Proteste. Aber die Polen haben bei der Parlamentswahl im Oktober für den Wandel gestimmt.


Kritisiert werden allerdings konkrete Entwicklungen. Etwa das neue Mediengesetz.

Die Freiheit der Medien wird in keiner Weise eingeschränkt. Ein Vorfall wie in Deutschland, wo die Berichterstattung über die Silvesternacht in Köln blockiert wurde, wäre in Polen unmöglich. Die Regierung in Warschau kann nicht beeinflussen, worüber berichtet wird und worüber nicht.


Aber in Deutschland hat es doch keinen Befehl von oben gegeben, die Vorfälle von Köln zu verschweigen. Das geschah eher aus übertriebener Rücksichtnahme.

Umso schlimmer. Das würde nämlich bedeuten, dass sich die politische Korrektheit auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Selbstzensur ist schlimmer als Zensur von außen . . .


. . . und für diese politisch Korrekten fungiert Polen als Prügelknabe?

Ja. Polen wird derzeit wegen zweier Gesetzesinitiativen kritisiert: zu dem Mediengesetz und zum Verfassungsgericht. Es hat 15 Mitglieder – neun von ihnen wurden von der jetzigen Opposition nominiert. Unsere Vorgänger von der Bürgerplattform PO hätten aber gern 14 von ihnen aufgestellte Verfassungsrichter gehabt, das mussten wir reparieren.


Verfassungsrichter sind doch nicht an Weisungen gebunden – unabhängig davon, wer sie wann nominiert hat.

Aber ich richte doch keine Vorwürfe an das Verfassungsgericht! Manche Urteile haben mir gefallen, andere nicht, so ist das eben. Es war die PO, die damit angefangen hat, am Verfassungsgericht herumzudoktern, und die noch kurz vor ihrer Abwahl fünf Nominierungen gemacht haben.


Also ist all das, was Ihre Partei unternimmt, nur eine Reaktion?

Wir wollen das reparieren, was die Bürgerplattform zuvor kaputtgemacht hat. Uns geht es nur darum, einen Zustand des Pluralismus wiederherzustellen. Als Regierungspartei können wir doch nicht damit einverstanden sein, dass die Opposition für die Besetzung von höchstrichterlichen Posten zuständig ist.


Und mit den Medien ist es auch so?

Im Präsidentschaftswahlkampf gab es massive mediale Unterstützung für den PO-Kandidaten, Bronisław Komorowski. Auf längere Sicht wollen wir nicht, dass die Regierung die Führungsgremien besetzt. Aber in der Zwischenzeit konnten wir diese krasse mediale Einseitigkeit nicht hinnehmen.


Die EU-Kritik am neuen Mediengesetz ist zuletzt etwas leiser geworden . . .

. . . weil es in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht anders zugeht . . .


. . . aber um zum Verfassungsgericht zurückzukehren: Was erwarten Sie von dem Verfahren der EU-Kommission gegen Polen? Ein Bericht wird für März erwartet. Wird Warschau etwaige Änderungsvorschläge umsetzen?

Dazu ist anzumerken, dass die Prozedur, die vergangene Woche eingeleitet wurde, nicht in den EU-Verträgen enthalten ist. Die Kommission hat sich ein Verfahren ausgedacht. Gemäß geltendem Recht ist sie nicht befugt, derartige Untersuchungen durchzuführen.


Also ist das Verfahren, das 2014 als Reaktion auf die Vorgänge in Ungarn konzipiert wurde, für Sie irrelevant?

Die Kommission darf nicht mehr tun, als ihr gemäß EU-Verträgen zusteht.

Zur Person

Zur Person

Janusz Wojciechowski (*1954) vertritt die rechtsnationale Regierungspartei PiS im Europaparlament. Der Jurist und langjährige Richter hatte seine politische Laufbahn in den 1980er-Jahren in der sozialistischen Bauernpartei ZSL begonnen. Seit 2005 ist Wojciechowski Europaabgeordneter, seit 2010 PiS-Mitglied.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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