Die Transparenz im dunklen Raum

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GERMANY-POLITICS-TTIP-ECONOMY(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Leseraum. Abgeordnete dürfen in TTIP-Dokumente Einsicht nehmen.

Wien. „Angenehm war es nicht“, berichtet die Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz (SPÖ). Ihr wurde das Handy abgenommen, sie musste eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben, dann wurde sie mit einer Begleitperson in den fensterlosen Leseraum geführt. Die Tür ist von beiden Seiten mit einem Code zu öffnen. Jeder Handgriff wird von einem Aufseher kontrolliert. Und das alles für äußerst technische Texte mit vielen Klammern, in denen noch das Wesentliche fehlt.

„Die Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen mit den USA hat sich verbessert“, gesteht Graswander-Hainz dennoch ein. Im Europaparlament und in den EU-Hauptstädten haben mittlerweile alle Abgeordneten Einblick in Verhandlungsdokumente zum Handels- und Investitionsabkommen mit den USA erhalten. Auch im Wiener Wirtschaftsministerium wurde ein Leseraum eingerichtet. Er steht vier Tage die Woche für Nationalratsabgeordnete bereit, die an einem Offline-Computer die TTIP-Dokumente lesen wollen. Der Andrang war bisher allerdings bescheiden. Seit 1.Februar haben nur 15 Abgeordnete diese Möglichkeit genutzt. Von den Grünen, die besonders scharf die mangelnde Transparenz bei TTIP kritisieren, war bisher keiner dabei, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Heikle Punkte fehlen

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) fordert, den Leseraum in das Parlament zu verlegen. Doch so leicht ist das nicht. Die TTIP-Leseräume wurden nach einer Vereinbarung zwischen EU-Kommission und US-Regierung im zuständigen Ministerium eingerichtet. Beide Verhandlungspartner haben festgelegt, was eingesehen werden darf. Es sind sogenannte konsolidierte Texte. Sie bestehen aus Teilen für Einzelkapitel des Abkommens, die in dieser Form von der EU und den USA vorbereitet wurden. Die heikelsten Punkte fehlen oft noch, beziehungsweise sind in den Texten Klammern eingefügt, in die zu einem späteren Zeitpunkt die vereinbarte Position eingetragen werden muss. Derzeit liegen 13 Textfragmente vor – etwa zu den Kapiteln Wettbewerb, Klein- und Mittelbetriebe, technische Handelshemmnisse sowie Zoll- und Handelserleichterungen. Außerdem sind laut Informationen des Europaparlaments die EU-Positionen für einzelne anstehende Verhandlungskapitel einsehbar.

Laut dem grünen Europaabgeordneten Michel Reimon, der den Leseraum im EU-Parlament zweimal besucht hat, ist deren Inhalt allerdings wenig aufschlussreich. Das sei meist eine Maximalforderung, die noch keine Schlüsse darüber zulässt, wie das Verhandlungsergebnis aussehen könnte.

Reimon, der mehr Transparenz einfordert, zeigt Verständnis, dass während der Verhandlungen nur ein eingeschränkter Kreis Informationen erhalten kann. Die aktuelle Praxis ist für ihn dennoch unbefriedigend. Problematisch sei, dass vor der Einsichtnahme bekannt gegeben werden muss, welche Dokumente begutachtet werden. Ein Durchblättern gibt es nicht. Zudem ist es den Abgeordneten untersagt, die Informationen in irgendeiner Weise an die Öffentlichkeit zu tragen. Sie können ihren Informationsvorsprung nicht einmal in der Parlamentsdebatte nutzen. „Damit werden diesen Informationen 90 Prozent ihrer Wirkung genommen“, so Reimon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2016)

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