Kiew auf holprigem Reformweg

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Sorgenvoll sieht man in der Ukraine das holländische Votum. Die innenpolitische Krise der letzten Wochen lähmt das Land.

Wien/Kiew. Einen Tag nach dem niederländischen Referendum waren ukrainische Zeitungen und Websites voller besorgter Artikel, die die Leser über die möglichen Konsequenzen der Abstimmung informierten. Dass ein Teil der Niederländer eine EU-Anlehnung der Ukraine ablehnt, nehmen die Ukrainer mit Sorge und Unglauben zur Kenntnis. Manche Stimmen in Kiew sehen in dem Votum auch eine Mahnung an die einheimische politische Elite.

„Wir müssen von der Pseudo-Eurointegration zur Umsetzung realer Veränderungen übergehen“, schrieb etwa Hanna Hopko in einem Kommentar für die Wochenzeitung „Nowoje Vremja“. Die 34-Jährige hat den Ruf einer Reformerin und ist einer der Neuzugänge im Kiewer Parlament, das aus den Wahlen im Herbst 2014 nach dem Triumph der Maidan-Protestbewegung hervorgegangen ist. Bis zu ihrem Ausschluss aus der Fraktion war sie Parlamentsabgeordnete der Partei Selbsthilfe des Lemberger Bürgermeisters, Andrij Sadowij. Die Ukraine benötige nicht nur eine bessere Informations- und Kommunikationspolitik mit europäischen Ländern, man müsse auch entschlossener gegen Korruption vorgehen und die Regierung wieder handlungsfähig machen, so Hopkos Fazit.

Gezanke um Premiersposten

Tatsächlich hat die politische Krise der letzten Wochen dem Ansehen der Ukraine bei ihren internationalen Partnern sehr geschadet. Reform-Minister sind zurückgetreten, die Parlamentskoalition hat ihre Mehrheit verloren, abgesprungene Parteien wie Julia Timoschenkos Vaterlandspartei stellen nun für ihre Rückkehr Forderungen. Schwer angeschlagen ist Premier Arsenij Jazenjuk. Da er aber ein (so Kritiker: inszeniertes) Misstrauensvotum überstanden hat, ist er noch immer im Amt – und will nicht freiwillig abdanken. An seiner Absetzung wird wohl kein Weg vorbeiführen, die Frage ist nur, wann. Ein Nachfolger wird bereits gesucht, statt Finanzministerin und Technokratin Natalia Jaresko, deren Bestellung wohl keine Mehrheit unter den Abgeordneten finden wird, ist jetzt Poroschenko-Vertrauter und Parlamentspräsident Wolodymyr Groisman im Gespräch. Das Parlament tritt nächste Woche wieder zusammen. (som)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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